Freitag, 19. Mai 2006

18. Tag - Die Botschaft

„Die Botschafterin wartet auf Sie“, öffnet mir der Grenzschutzbeamte nach einer schlaflosen Nacht und einem ebensolchen Vormittag die Zellentür.
Was lerne ich aus dieser Erfahrung?, überlege ich, als ich mich grußlos von ihm verabschiede. Meine Erfahrung sagt mir nämlich, dass ich aus allen Erfahrungen im Leben etwas lerne, weil der Zweck der Erfahrungen nicht darin besteht, sie zu erfahren, sondern aus ihnen zu lernen.
Wenn du dich davon abhalten lässt, deine Grenzen zu überschreiten, fühlst du dich eingesperrt, lerne ich. Und noch etwas: Du sollst einen Beamten nicht kleiner Wichser nennen, selbst wenn er einer ist.

Erst kann ich die Botschaft nirgends finden. Sie versteckt sich hinter unscheinbaren Wortgebilden und Satzkonstruktionen. Aber irgendwann entdecke ich sie und trete ein. Ich rieche ungewaschen, nach Gefängnis und Schweiß.
In der Botschaft findet gerade ein Empfang statt. In Botschaften finden immer Empfängnisse statt, auch wenn keiner weiß, wer wen oder was empfängt. Egal, auf jeden Fall trifft sich das gut, ich bin nämlich hungrig. Mein vergammeltes Wurstbrot verfüttere ich an den Hund der Botschafterin. Während der weiße Pudel, der auf den wohlklingenden Namen Eure Exzellenz hört, an meinem Salamibrot kaut, vergreife ich mich mit dreckigen Händen an den mit Ziegenkäse gefüllten Datteln, bohre einen Finger in die Avocado-Creme und lutsche ihn ab.
„Nicht doch!“, stößt mir eine ranghohe Diplomatin völlig undiplomatisch ihren Ellbogen zwischen die Rippen, „wir dürfen erst zu essen beginnen, wenn der Doyen ein Häppchen genommen hat. Anciennitätsprinzip, Sie verstehen?“
Ich verstehe nichts, hoffe aber, dass der Herr Doyen bald zugreift.

Weil ich mich ein bisschen langweile, spreche ich den Generalkonsul meines Nachbarlandes an, der genauso gierig auf die Brötchen starrt wie ich. „Tanzen wir?“, frage ich. Sein Gesichtsausdruck ist zwar verwundert, aber er lehnt nicht ab und geleitet mich auf’s diplomatische Parkett.
„Hübsches Hemd“, mache ich ihm höflich ein Kompliment. „War bestimmt teuer. Wie viel verdienen Sie eigentlich?“
Er räuspert sich. Die Frage nach Geld ist ihm zu trocken, denke ich, wahrscheinlich möchte er sich über etwas Spannenderes austauschen.
„Wann hatten sie das letzte Mal so richtig guten Sex?“, tappe ich in das Fettnäpfchen, das mitten auf der Tanzfläche steht und steige meinem Partner auf die Zehen.

Ich weiß, ich habe kein Taktgefühl. Ich bin nicht geboren für die Diplomatie. Wenn ich singe, treffe ich nie den richtigen Ton und die Menschen wenden sich angewidert von mir ab. Ich verletzte sie, ohne ihnen wehtun zu wollen. Ich benehme mich daneben, immer und immer wieder.

„Geben Sie mir das Visum“, bitte ich die Botschafterin, nachdem ich mir den Bauch mit den Köstlichkeiten vollgeschlagen, Champagner aus der Flasche getrunken und den Botschafter von Molwanien behutsam auf sein schadhaftes Lächeln aufmerksam gemacht habe. „Ich verspreche Ihnen, sofort abzuhauen.“
Die Dame schaut indigniert und stempelt mich ab. Ich rülpse, wegen der vielen Kohlensäure im Champagner. „Die Paté von spanischen Arbequina Oliven war eine Spur zu fest“, säusle ich, verfüttere die gebratene Entenbrust an Eure Eminenz und mache mich aus dem Staub.

Hallo!
Heute war ich auf einer echten Botschaft tanzen.
Nein, ich habe keine. Auch keine Message. Ich bin gegen Gewalt.
Aber sie haben einen guten Koch hier. Die Paté hatte genau die richtige Konsistenz. Ich wollte nur nicht, dass die sich so überlegen fühlen.
Eure Barbara, davon und zu.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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