Mittwoch, 17. Oktober 2007

Der Posaunist

„Hat es geklopft?“, fragte Britta und die anderen verstummten oder ließen ihre Instrumente sinken.
„Ich hab nichts gehört.“ Dorothea, die Diva, wie die anderen sie nannten, fühlte sich gestört. Gerade diese Stelle war so schwierig. Jetzt musste sie noch mal von vorne anfangen. Dabei war sie hungrig und wollte nach der Probe noch mit Susi essen gehen.
Aber jetzt hörte auch sie das leise Klopfen an der großen Holztür. „Könnte jemand von euch aufmachen?“, fragte sie in einem Tonfall, wie er sich für eine Diva gebührte. Britta rollte zwar die Augen, legte aber die Geige zur Seite, ging zum Eingang und öffnete.
„Hallo“, sagte ein junger Mann, hübsch anzusehen. „Hier bin ich!“ In seiner Hand hielt er einen Notenständer und einen Instrumentenkoffer.
Britta lächelte ihn freundlich an.
„Ich bin Kurt“, sagte der groß gewachsene, gut gebaute Mann. „Ein Freund hat mir von eurem Orchester erzählt. Und ich möchte gerne hier mitspielen!“
„Herzlich willkommen“. Sie begleitete ihn zur Bühne.

Dorothea sah seine dunkelbraunen Augen und leckte sich die Lippen. Au ja, dachte sie, ich möchte auch gern mit dir spielen.

„Welches Instrument?“, fragte Richard mit seiner Bassstimme neugierig.
Der Fremde mit den schwarzen Locken lächelte verlegen. „Posaune. Könnt ihr eine Posaune brauchen?“
„Po-sau-ne hat uns noch ge-fehlt!“, trällerte die Diva ihre A-Dur Tonleiter. Und wieder hinab ganz leise. „Und so ein hüb-scher noch da-zu.“

Susi grinste. Sie hatte Dorothea nicht ausstehen können, früher. Weil sie sich so wichtig machte. Weil sie glaubte, die Beste zu sein. Zugegeben, sie sang gut und war recht witzig, aber Susi hasste es, wenn sie sich so in den Mittelpunkt drängte. Und kein Verständnis hatte für die, die nicht jeden Ton trafen. Wenn sie hier singt, dann höre ich auf , hatte Susi gesagt. Aber ihr Stolz war stärker als ihr Trotz und ihre Neugierde auch. Und irgendwann hatte sie Dorothea als hilfsbereite, liebenswerte Frau kennen gelernt.

„Wunderbar“, riss der Neue sie jetzt aus ihren Erinnerungen und packte seine Posaune aus. „Dann wollen wir mal loslegen.“
Und er legte los.

Die Klarinettistin versteckte sich hinter Dorothea, kramte in der Handtasche und stopfte sich Ohropax in ihre Gehörgänge. Der Trompeter räusperte sich kurz und schaute hilflos zu seinem Freund an der Pauke. Der verzog das Gesicht und flüsterte dem Mann mit den Becken etwas ins Ohr.

Niemand sagte etwas.
„Und?“, strahlte Kurt stolz in die Runde, und als niemand etwas sagte: „Es ist das erstes Mal, dass ich wo vorspiele.“
„Ähm“, setzte Richard an, sah aber Brittas Blick und entschied sich, zu schweigen. Die anderen taten es ihm gleich.

„Es war Scheiße“, durchbrach Dorothea schließlich die Stille. „Kein einziger Ton war richtig. Aber du schaust verdammt gut aus.“
Susi kicherte und Britta schaute die Diva voller Verachtung an. Die ließ sich aber nicht unterbrechen.
„Ich will ehrlich sein, Kurt. Du kannst leider nicht spielen, und du hast überhaupt kein Rhythmusgefühl“, meinte sie verärgert. „Ich schlag vor, du gehst jetzt nach Hause, nimmst ein paar Jahre lang Unterricht und dann kommst du wieder.“
„Dooooo – reeeee – miiiiii – faaaaaaa .....“, Richard begann zu singen, denn die Situation war ihm peinlich.

Dorothea sah, dass Kurt sich verschämt ein paar Tränen aus dem Gesicht wischte. Jetzt tat er ihr leid. Vielleicht war sie ja doch etwas zu schroff gewesen?
„Soll ICH blasen?“, versuchte sie einen Witz, aber Kurt verstand ihn entweder nicht oder aber er hatte keinen Sinn für Humor.

„Also ich find schön, dass du bei uns bist“, lächelte Britta ihn warmherzig an. „Und ich hoffe, du fühlst dich wohl bei uns.“

Er aber zerlegte seine Posaune, packte sie in den Koffer und rannte damit zur Tür hinaus. „Ich spiele überhaupt nie wieder einen Ton!“, schrie er, bevor er die Tür zuknallte.
Vielleicht auch besser so , dachte Dorothea, schluckte es aber hinunter, um ihn nicht noch mehr zu kränken.

„Ich muss mit dir reden.“ Britta nahm die Diva zur Seite.
„Ja?“
„So geht das wirklich nicht, Doro“, sagte sie. „Siehst du denn nicht, wie du Kurt verletzt hast?“
„Aber“, verteidigte Dorothea sich, „hast du denn nicht gehört, wie falsch der gespielt hat? Das geht doch auf keine Kuhhaut.“ Sie schüttelte sich. „Nur hübsch auszuschauen ist ein bissl zu wenig.“
„Du hättest ihm das viel netter sagen können. Oder hättest du halt einfach nicht hingehört! Es ist zwar nicht von Nachteil, wenn jemand ein Instrument beherrscht, wenn er hier mitmacht, aber es muss doch nicht unbedingt sein. Jetzt hast du sein Selbstwertgefühl zerstört!“
„Sind wir eine Therapiegruppe oder ein Orchester?“, schnappte die Diva schnippisch und stopfte wütend die Noten in ihre Tasche.
„Natürlich sind wir ein Orchester. Ein Hobby-Orchester. Aber wir sind hier weder bei den Sängerknaben noch bei den Wiener Philharmonikern“, belehrte Britta sie. „Sogar Richard trifft hin und wieder einen Ton nicht.“ Offensichtlich hielt sie musikalische Dissonanzen besser aus als menschliche. „Verstehst du das denn nicht? Hier sollen sich alle wohl fühlen und auch die eine Chance haben, die nicht so gut sind. Wir müssen ihnen helfen!“
Dorothea hatte keine Lust, weiter zu diskutieren. Ihre Stimme musste sie nicht mehr einpacken, sie warf sich nur die Jacke über und lief hinaus.

Auf den Stufen hockte Kurt.
„Es tut mir Leid. Ich wollte dich nicht kränken.“ Dorothea reichte ihm ein Taschentuch, aber er winkte ab. Sie steckte das Taschentuch wieder ein und ersetzte es durch eine Visitenkarte.
„Hier. Mein Bruder unterrichtet alle möglichen Blasinstrumente. Ruf ihn einfach mal an, ja?“
Er nickte.
„Darf ich mich zu dir setzen?“
Er nickte noch einmal. Dorothea betrachtete ihn von der Seite. Er hatte schöne Lippen. Viel zu schade für eine Posaune.
„Warum willst du unbedingt mitspielen?“ wollte sie von ihm wissen.
„Ach, vielleicht war es blöd von mir. Aber ich hab mich in ein Mädchen verliebt, das auf Musiker steht.“
Jetzt war sie es, die nickte. Ah ja. Dafür hatte sie Verständnis. „Und was machst du, wenn du nicht Posaune spielst?“
„Ich habe ein kleines Restaurant beim Prater“, erzählte er. „Außerdem spiele ich Basketball.“
Ihr Hunger meldete sich wieder. „Weißt du?“, sie dachte nach. „Ich kann auch nicht kochen. Und Im Supermarkt treffe ich nicht mal mit den Tomaten in den Einkaufskorb. Wie wäre es, wenn du dich in eine Musikerin verliebst, die auf Köche steht, die Basketball spielen?

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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