Montag, 25. Mai 2009

Die Sachwalterin - der Betreuer

Den Text hab ich für die Lesung anlässlich der Tagung in Deutschland geschrieben. Für Uneingeweihte ist er wahrscheinlich schwer verständlich. Trotzdem.
Die dort mochten ihn.


„Und was machen Sie beruflich?“, fragt der freundliche Herr neben mir, nachdem wir die Themen Wetter, Politik und Flugzeugkost hinter uns gebracht haben.
„Ich bin Sachwalterin“, sage ich und denke: Warum bin ich nicht Floristin geworden, oder Automechanikerin? Jeder wüsste, was das ist und ich müsste mich nicht ständig erklären.
„Aha. Sachbearbeiterin. Welche Branche?“
Ich hab’s geahnt. „Keine Branche.“
Jetzt schaut er beleidigt.
„Nicht Sachbearbeiterin“, lenke ich versöhnlich ein, „Sachwalterin.“
„Oh. Sachverwalterin.“ Sein Blick verrät mir seine Ahnungslosigkeit. „Und was genau verwalten Sie?“
Ja, was verwalte ich eigentlich?
Menschen, denke ich. Ich verwalte Menschen. Und den Wahnsinn. Vor allem den. Ich achte darauf, dass er nicht über die Grenzbalken hüpft, um die Kreise derer, die nicht verrückt sind oder nur ein bisschen oder anders, so wenig wie möglich zu stören.
„Ich verwalte den Wahnsinn“, sage ich.
Er lächelt verlegen. „Ich verstehe“, lügen seine Lippen, aber seine Augen erzählen mir die Wahrheit. Nämlich die, dass er mich für verrückt hält.
Weil ich jemanden brauche, der nach der Landung meine schwere Tasche aus dem Gepäckfach hebt und ich ihn deshalb nicht vergrämen will, versuche ich es noch einmal.
„Um ehrlich zu sein, ich verwalte weder Sachen, noch den Wahnsinn.“
„Was dann?“
„Ich verwalte gar nichts. Ich bin Sachwalterin, nicht Sachverwalterin. Ich walte sach. Ähm... ich sachwalte... nun ja... Ich walte meiner Sache“, nicke ich und hoffe, dass er mit dieser Erklärung zufrieden ist. Ich bin es. Aber der Herr ist ein neugieriger und hartnäckiger Mensch. „Jetzt machen Sie es doch nicht so spannend. Welcher Sache walten Sie denn nun?“
Ich kratze mich am Kopf. „Puh, das ist nicht so einfach zu erklären. Viele Sachen, eigentlich. Ich arbeite bei VertretungsNetz.“
Jetzt kommen wir der Sache schon näher, verrät sein Lächeln. „Sie sind also Vertreterin.“
Na ja, fast richtig, wenn meine Kollegin auf Urlaub ist, dann vertrete ich sie. „Ja. So kann man sagen.“ Lassen Sie uns doch bitte das Thema wechseln, flehe ich leise.
„Warum sagen Sie das denn nicht gleich. Vertreterin zu sein ist ja keine Schande. Ich dachte schon, Sie wären Politikerin oder Polizistin oder etwas ähnlich Unanständiges. Sie vertreiben also Netze? Ich habe geglaubt, es gibt in Österreich gar kein Meer mehr?“
„Daran hat sich nichts vermutlich auch in der letzten halben Stunde nichts geändert. Wenn Sie mich bitte entschuldigen“, quetsche ich mich an ihm vorbei. „Ich muss kurz vertreten. Meine Füße.“
Er grinst. Die Deutschen sind leicht zu unterhalten.
Als ich zurückkomme, nehme ich einen neuen Anlauf. „Ich bin gesetzliche Vertreterin von psychisch kranken und geistig behinderten Menschen, die einzelne oder alle ihrer Angelegenheiten nicht regeln können, ohne dabei Schaden zu erleiden.“
Ich atme durch.
Er klopft sich freudig erregt auf die Oberschenkel. So hat noch keiner auf meinen Beruf reagiert. Vielleicht ist der Kerl neben mir ein bisschen pervers und ich bin in großer Gefahr. „Sie sind also Betreuerin!“, hellt sich sein Gesicht auf.
„Definitiv nicht. Ich betreue nicht, ich vertrete.“ So, Schluss mit lustig. Ich drehe den Spieß jetzt einfach um.
„Und wovon leben Sie?“
„Ich bin auch Betreuer.“
„Aber ich nicht, verdammt noch mal“, meine Geduld sprintet in die Zielgerade. „Ich habe einen Betreuer. Auf meiner Weinviertler Hausbank. Also jetzt nicht auf der alten Holzbank vor dem Haus, auf der ich mich von meiner anstrengenden Arbeit ausruhe, sondern auf der Sparkasse. Ein schwieriger Mensch, mein Betreuer. Er will ständig Geld von mir.“
Das scheint ihm vertraut. „Meine Klienten wollen auch immer Geld von mir.“
„Klienten? Ich dachte, Leute, die Sparbücher eröffnen oder Kredite aufnehmen, nennt man bei Ihnen Kunden? Oder Patienten.“
„Ich bin ja kein Bankbetreuer.“
„Fußballschülerliga? Na, da sitzen Sie wahrscheinlich auch oft auf der Bank. Auf der Betreuerbank.“ Obwohl, betrachte ich ihn von der Seite, für den Job hat er eigentlich ein paar Schwimmreifen zu viel. „Seniorenbetreuer?“ Die Alten laufen wenigstens nicht mehr so schnell.
„Ein Betreuer“, stöhnt er jetzt, ein wenig gereizt, „ist ein gesetzlicher Vertreter von Volljährigen, die für ihre eigenen Angelegenheiten nicht sorgen können.“
Jetzt reicht es mir. „Auf Wiedersehen. Verarschen kann ich mich auch alleine. Und mein Gepäck krieg ich schon irgendwie runter.“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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