Freitag, 5. Oktober 2012

Die Liste - 16

Vier Herzschläge lang hörte die Ärztin auf, Franks Hand zu tätscheln. Ihre Hand schwebte über seiner in der Luft, das Lächeln auf ihrem Mund, das sie wahrscheinlich im Laufe ihres Berufes perfektioniert und automatisiert hatte, fror ein und wurde zur Grimasse. Wäre Frank in diesen Sekunden nicht in der Eingangshalle des Wahnsinns gewesen, den Stift zwischen den Fingern, bereit zum Einchecken, hätte er erkannt, dass in diesem Moment ein Schalter in der Ärztin umgelegt wurde. Ab sofort glaubte sie ihm jedes Wort. Er bekam nichts mit davon. Viel zu sehr war er damit beschäftigt, die Auswirkungen seines Geständnisses zu verarbeiten. Was nur allzu verständlich ist; vielleicht war es nur einem Menschen ohne jeglichen Zugang zu den banalsten seiner Gefühle möglich, seine Mutter im Keller einzumauern und mit dieser ungeheuerlichen Tat jahrelang ein nach außen hin völlig normales Leben zu führen. Aber Frank war kein solcher erloschener Vulkan. Er brach aus und explodierte. Alles Mögliche spie er aus und es purzelte heillos durcheinander. Hass, Ekel, Schuld, Reue, sein Gewissen, Erleichterung, Rechtfertigung, Trauer. Vielleicht sogar Liebe.

Und Angst. Aufgestaute, faulige, stinkende Angst, entdeckt zu werden; er hätte laut lachen mögen, diese Last dieses tonnenschweren Geheimnisses, das seine Schultern einknickte und seinen Blick beim Einkaufen auf den Boden heftete, endlich abgeschüttelt zu haben. Er hätte seinen Kopf gegen die Wand schlagen können, bis seine Stirn ein Loch hätte, aus dem Hektoliter Scham als zähflüssiger, eitriger Brei herausgesickert wäre. Er hätte einen ausschweifenden, philosophischen Vortrag über Moral und Ethik halten können, an dessen Ende feststand, dass er auf höherer Ebene verständlich, richtig und sogar zwingend nötig gehandelt hatte. Er hätte weinen können, weil seine Mutter tot war. Er hätte einen Luftsprung machen können, weil seine Mutter tot war.
Aber die Angst herrschte über allem, griff nach dem Zepter und wies die anderen Gefühle und Affekte auf die Plätze.
Als plötzlich auch noch seine Nachbarin, Marianne Leitner, in der Tür zum Wohnzimmer stand - das hellblaue Nachthemd seiner Mutter baumelte zwei Nummern zu groß an ihrem Körper - und einen spitzen Schrei ausstieß, hallten noch die letzten Worte der Ärztin in seinem Kopf nach: „Ich schreibe Ihnen etwas zur Beruhigung auf.“

Er hob den Kopf, löste seinen Blick von der Ärztin, die regungslos auf dem Teppich lag, und sah seine Nachbarin als unheimliche, verschwommene Erscheinung. Sie hatte eine Hand vor den Mund geschlagen. „I-i-i-ich ha-ha-habe sie nicht um-um-umgebracht“, stieß er mit Tränen in den Augen hervor. Sein Stottern hatte wieder angefangen.

Fortsetzung folgt

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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