Donnerstag, 15. August 2013

Raphael ist weg

Ich habe keine Ahnung, wo er ist. Ich habe überall nach ihm gesucht. Das war ja nicht so schwer im Haus und im Garten, so ein Elefant im Garten – auch wenn er noch klein ist - verhält sich ja nicht wie die Nadel im Heuhaufen, die sich überhaupt nicht verhält, sondern nur stumm und stichig da rumliegt.

Erst hab ich mir keine großen Sorgen gemacht, als ich von der Arbeit nach Hause gekommen bin, ihn gerufen hab und er sich nicht gerührt hat. Ich dachte erst, er ist auf eigene Faust eine Runde spazieren gegangen. Jedes Lebewesen braucht schließlich seine Freiheit. Als ich also gestern nach Hause gekommen bin, war überhaupt keiner da. Der Mann hat gearbeitet, die Tochter schmachtet grad in Kopenhagen einen Dänen an und mein Sohn war mit dem Traktor auf dem Feld. Ich hab ihn sofort angerufen, ob Raphael ihn vielleicht begleitet hat, Ferdi, der alte Traktor, fährt ja nicht schneller als so ein kleiner Elefant läuft. Fehlanzeige.

Ich bin durchs Dorf und über die Felder gelaufen und hab nach ihm gerufen: „Raphael! Raphael!“ Eine Spaziergängerin hat gemeint: „Der jagt bestimmt Hasen.“ Die Leute sind so bescheuert. Als würde ein Elefant nichts Besseres zu tun haben als Hasen zu jagen.

Ich bin verzweifelt. Ich kann doch nicht eine Vermisstenanzeige aufgeben, weil etwas weg ist, das zu halten mir behördlich verboten wurde. Das wäre so, als würde ich eine Vermisstenanzeige für einen gestohlenen Ferrari aufgeben. Obwohl Raphael natürlich nicht gestohlen wurde. Ich muss gestehen, ich habe mit meinen Mann immer noch nicht darüber gesprochen, warum er einen Elefanten bestellt hat. Vielleicht, weil ich weiß, dass ich auf meine Frage keine zufriedenstellende Antwort bekommen würde. Vermutlich würde er sagen: „Jetzt fängst du schon wieder damit an! Iss doch etwas“, und mir die dampfende Rindsuppe hinstellen.

Eine Vermisstenanzeige kommt also nicht in Frage. Außerdem würde einer der beiden Polizisten fragen, seit wann Raphael verschwunden ist und mir dann geduldig erklären, dass er eine Vermisstenanzeige erst nach 48 Stunden Abwesenheit entgegennehmen könne. „Das gilt doch nur bei Erwachsenen“, würde ich aufgebracht antworten, „Raphael ist ja noch ein Elefantenkind!“ Sie würden einander wissend zunicken und glauben, Raphael wäre ein Plüschelefant. Sie würden meinen Arm tätscheln und sagen: „Den finden Sie bestimmt wieder. Vielleicht hat er einen kleinen Ausflug ins Spielwarengeschäft gemacht und ein bisschen mit den anderen Stofftieren spielen!“ Dann würden sie mich nach Hause schicken.
Ich würde mich aber weigern zu gehen und zu toben beginnen, weil ich mich nicht ernstgenommen fühlen würde und sie würden den Amtsarzt anrufen und der würde die Rettung rufen und die würden mich in die Sozialpsychiatrische Abteilung bringen. Der Amtsarzt würde sagen: „Oh, die Frau Lehner“, und anzüglich grinsen, weil ich letztens sein Gutachten und seinen Sachverstand angezweifelt habe. Selbstverständlich würde er das anzügliche Grinsen unter einer Maske aus aufgesetztem Mitgefühl verbergen und sagen: „Das kann jedem passieren, so eine psychische Erkrankung. Im besten Fall handelt es sich nur um ein stressbedingtes psychotisches Übergangssyndrom.“ Dann würde er noch fragen „Hören Sie auch Stimmen?“ und ich würde wahrheitsgemäß mit „Ja, Ihre. Die ist kratzig und unangenehm und redet Mist“ antworten.

In der sozialpsychiatrischen Abteilung würden sie ganz lieb zu mir sein, also vielleicht mit Ausnahme der Ärztin, der ich letztens Ahnungslosigkeit und Gleichgültigkeit unterstellt habe und vielleicht mit Ausnahme des psychiatrischen Pflegers, den ich gefragt habe: „Na, fühlt es sich geil an, so viel Macht zu haben und die Präpotenz an den Klienten auszulassen?“
Wenigstens die Patienten würden sich bestimmt freuen, mich öfter als einmal im Monat zu sehen, aber sie würden ständig Geld von mir wollen. Sie wollen immer Geld von mir.
Eine Vermisstenanzeige kommt daher nicht in Frage, klar. Ebenso gut könnte ich mir von meinem Nachbarn einen Hammer ausleihen.

Ich glaube, man hat Raphael entführt. Vielleicht kommt ja ein Erpresserbrief. Aber was könnten Erpresser von uns wollen? Die alte Kaffeemaschine, die vergoldete Kette meiner Mutter oder den dreibeinigen Kater?
Vielleicht hat die Behörde ihn einfach abgeholt und in den Zoo oder in einen Zirkus verfrachtet. Morgen werde ich nach Schönbrunn fahren. Und danach alle Zirkusse/Zirken/Zirka abklappern, die in der Gegend ihre Zelte aufgeschlagen haben.
Bitte helfen Sie mir. Ich brauche Raphael. Zweckdienliche Hinweise, die dem Zweck dienen, Raphael wieder zu finden, bitte an mich.
Danke.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

Web Counter-Modul


Briefverkehr mit einem Beamten
Erlebtes
Femmes frontales
Forschertagebuch
Gedanken
Gedichte
Geschichten
Glosse
In dreißig Tagen um die Welt
Kurzprosa
Lesungen
Menschen
Sex and the Country
Toll3ste Weiber
Vita
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren

kostenloser Counter