Montag, 6. Juni 2016

Tagebuch

Für Leser, die kein Facebook haben...

Spoiler: Es geht mir schon wieder besser.

Tag 1

Das wird kein lustiger, netter Beitrag, leider. Auch kein neues Geschmeide. Außerdem schreib ich am Handy und mach bestimmt viele Fehler. Und meine Arme sind verkabelt. Und bin verzagt und voller Selbstmitleid und hab Angst.
 Aber langsam.

Die letzten Wochen und Monate ging es mir richtig gut, ich glaub, das hab ich das eine oder andere Mal erwähnt.
Ich dachte, das macht dem Leben und mir Spaß, aber dem Leben wurde es anscheinend zu langweilig. Also hat es mir den Samtteppich, auf dem ich stand und lag, einfach unter den Füßen weggezogen.

"Soll ich dir auch Erdbeeren mit Joghurt machen?" Man könnte meinen, ein einfacher Satz. Aber er wollte weder von meiner Intention in die Gedanken noch von den Gedanken auf die Zunge, sondern drehte sich im Kreis und aus meinem Mund fielen unzusammenhängende Wörter. So sehr ich mich auch bemühte, ich kriegte diesen Satz nicht heraus. Irgendwann begann ich zu weinen.
Jetzt lieg ich da, wo ich - die stolze, starke, souveräne Frau Lehner -sonst oft dienstlich bin, Patienten besuche, mit Ärzten diskutiere und Angehörige tröste. Auf der Stroke Unit der neurologischen Abteilung. Und jetzt hält die Stationsschwester mir die Hand und ich bin froh, dass ich immer freundlich war zu ihr.

Der erste Gedanke war: Aber ich muss ja am Wochenende schulen. Zum Glück haben mir den zwei Kollegen schnell aus dem Kopf getrieben.
Und ich lieg da und frag mich, was los ist mit meinem Kopf, ob er vielleicht so verstopft ist mit Ideen und Plänen und Bühne und Arbeit und allem, was mir im Leben so viel Freude macht, dass das Blut nicht mehr durchkommt.

Ich hab den Schlag verstanden, liebes Leben, aber können wir uns für die Zukunft darauf einigen, dass du mir nicht das nimmst, was mir neben meinen Lieben am wichtigsten ist? Nämlich meine Sprache und meinen Humor?
Schlag ein statt zu.


Tag 2

Heut Nacht sind ein paar rosa Flecken auf die weißen Krankenhauswände gemalt worden. Vielleicht lag es auch Schlafmittel, dass ich rosiger sehe als gestern. So starke Drogen konsumiere ich ja sonst nie.
Für Beileidskundgebungen ist es zu früh, auch werde ich keine ausgiebige Reha brauchen (höchstens eine kleine Kur), die Seh- und Sprachsymptome haben sich ja wieder verzogen. Nur die Angst hockt noch trotzig an meinem Bett und will auch nach Ende der Besuchszeit nicht gehen. Die Angst, dass Dr. Google recht hat und auf so eine transitorische ischämische Attacke mehr folgt. Oder halt in meinem Hirn irgendwas nicht stimmt, dass es überhaupt so weit gekommen ist.
Und so starre ich aus dem Fenster über die Dächer Mistelbachs und murmle in regelmäßigen Abständen Sätze wie ...auf dem Dach sitzt eine Katze... oder … willst du Erdbeeren mit Joghurt?... nur damit ich mich vergewissere, dass sie noch da ist, meine Sprache.

Ja, liebes Leben, wir zwei sind noch nicht fertig miteinander. Dein Schlag hat mich nicht getroffen, sondern nur gestreift. Ich habe deine Botschaft verstanden. Das nächste Mal nimm statt des Zaunpfahls (Zäune sind sowieso total out, die haben so gar nichts verbindendes) bitte für solche Nachrichten japanische Essstäbchen. Mit denen könnten wir dann auch Sushi essen. Und ich versprech dir, liebes Leben, den Abstand zwischen Liebes und Leben kriegen wir auch wieder weg.


Tag 3

Heute sind die Krankenhauswände nicht rosa, sondern grün. Was nicht an irgendwelchen bunten Pillen liegt, sondern daran, dass sie mich im Schlaf auf ein anderes Zimmer verlegt haben, weil ein Notfall kam und auf die Überwachungsstation musste. Was schlecht für den Notfall ist, aber gut mich, weil ich jetzt definitiv keiner mehr bin.
Wenn man hier im Krankenhaus eines hat, dann Zeit zum Nachdenken. Außer man verfolgt im Standard liveticker, wie Dominik Thiem Paris aufmischt.

Und wenn man da so nachdenkt, merkt man, dass ja ganz nüchtern betrachtet alles beim Alten ist. Man kann gehen, kriegt die Fingerspitze mit geschlossenen Augen fast punktgenau zur Nasenspitze, sieht den Kollegen nicht mehr kopflos (was ihm ubrigens nicht wirklich steht) und kann fehlerfrei “soll ich dir Erdbeeren mit Joghurt machen”? sagen.

Wenn ich wenigstens einen Gips hätte, würden die Leute sagen: lass, ich mach das, schon dich! Aber wie schont man sich, wenn das Gehirn verstopft war und man noch nicht mal weiß, warum?

Von Außen betrachtet hat sich also nichts verändert, außer dass ich grad zerstochen bin und an Infusionen hänge und meine Blässe in Konkurrenz zum schicken Krankenhaushemd steht. Und doch ist alles anders in Tagen wie diesen, in denen man so intensiv Bekanntschaft (nein, Freundschaft ist das noch keine) mit der eigenen Verwundbarkeit gemacht hat. An diese neue Begleiterin muss man sich erst gewöhnen.Die Momente, in denen man gespürt hat, wie es sich anfühlt, wenn die Wörter weg sind oder nur die falschen da sind und man keine Kontrolle über sie hat, die haben mich verändert. So selbstverständlich hab ich die Sprache als mein Werkzeug verwendet, bis sie mir aus der Hand gefallen und durcheinander geraten ist.
Um loslassen geht's ja grad in meinem Leben, aber nach dem Kind auch noch die Sprache? Ja, ich weiß, sie sind noch da, ein Kind auf dem Traktor und eins in Dänemark und die Sprache wieder in meinem Kopf, aber ihr fehlt die Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit.
Wenn ich in Zukunft Vorträge über Sachwalterschaft halte und flapsig sage “wir wissen alle, wie schnell so etwas gehen kann”, dann wird das weniger flapsig klingen... wenn ich mit der Oberärztin über eine Peg-sonde diskutiere, werde ich das Bild nicht aus dem Kopf kriegen, wie sie meine Hand gehalten hat und ich geschluchzt habe, obwohl es mich viel schlimmer treffen hätte können. Wenn ich zu Klienten, die auf die Frage nach ihrem Alter mit grün antworten, sage: ich kann verstehen, dass sich das scheiße anfühlt, dann werde ich es tatsächlich ein bisschen besser verstehen konnen..

Gestern hab ich noch großgoschert verkündet, ich hätte die Botschaft verstanden? Aber welche Botschaft eigentlich? Als meine Freundin gestern da war - mit Essstäbchen für die Sushi statt mit Zaunpfählen - haben wir gerätselt, ob wir die Strategien des Lebens nicht vielleicht maßlos überschätzten und nur blöd heruminterptetieren. Dass sich das Leben - so wie bei der Schaffung der FPÖ - vielleicht gar nichts gedacht hat, sondern ihm einfach fad und es ein bisschen aggro war und es sich gesagt hat: die Lehner, die steht grad so blöd herum, der braten wir kurz eins rüber.

Wie soll ich mich jetzt eigentlich schonen? Statt alle zwei Jahre nur noch alle 5 Jahre Fenster putzen? Weniger reden und die Sprache schonen? Weniger denken und das Gehirn…?
Weniger von dem machen, was mich erfüllt und dafür Löcher in die Luft starren? Und was sagt die Luft dann dazu, wenn sie aussieht wie ein Emmentaler?
Ihr müsst meine verschwurbelten Gedanken natürlich nicht lesen. Aber ich muss sie aufschreiben.
Alles ist wie immer. Und nichts, wie es mal war.
Nur so zum Üben: Soll ich euch Erdbeeren mit Joghurt machen?

Tag 4

An der Wand hängt ein Akt. Also kein Gerichtsakt, sondern ein Bild von zwei ineinander verschlungenen Liebenden. Die Wand ist nämlich meine Schlafzimmerwand.
Das Leben fühlt sich noch nicht wieder normal an. Obwohl ich in meinem eigenen Bett mit der frisch gewaschenen Rosenbettwäsche liege, keine Geräte um mich surren und piepsen, weil mein Puls unter 45 fällt und eigentlich alles so ist wie immer. Eigentlich. Das Blut in meinem Körper fühlt sich anders an. Dünner irgendwie. Das wird am Thrombo Ass liegen. Meine Haut fühlt sich auch dünner an. Das wird nicht am Thrombo Ass liegen.

So, Frau Lehner, jetzt ist dann wieder Schluss mit Selbstmitleid und damit, dass sich alles um Sie selbst dreht. Sie können jetzt wieder schöne Gedichte schreiben und Ringe schmieden und Erdbeer-Rhabarberkuchen backen und für andere da sein.

Oder so: Frau Lehner, es ist völlig in Ordnung, wenn sich jetzt alles um Sie selbst dreht, aber es muss nicht die ganze Welt davon erfahren. Sie müssen Ihr Tagebuch nicht an die Gemeindetafel hängen. Es interessiert niemanden, was sie mitgemacht haben. Wir alle haben genug mitgemacht und machen uns nicht damit wichtig.

Oder: So, Frau Lehner: Es ist gut, wie es ist. Ihr Leben darf sich um Sie selbst drehen, so eine Attacke ist kein Lercherlschaas (Flatulenz eines Singvogels) , auch wenn sie nicht mit Lähmungen einhergegangen ist. Es ist auch in Ordnung, das Tagebuch in der Kronenzeitung zu veröffentlichen - Stopp! - Also dort nun wieder nicht, jetzt reißen Sie sich ein bisschen zusammen... aber es ist in Ordnung, Ihr Tagebuch auf Facebook zu veröffentlichen, dort lesen es eh nur die paar Freunde. Was Sie übersehen haben, Frau Lehner, ist aber die Tatsache, dass die paar Freunde dann auch die anrufen, von denen Sie denken, die ruf ich erst an, wenn es mir wieder gut geht, damit sie sich nicht unnötig Sorgen machen. 
(Es tut mir leid, wenn ihr euch Sorgen um mich gemacht habt. Ich hab mir übrigens auch ziemliche Sorgen um mich gemacht.)

Es ist also gut wie es ist, Frau Lehner. Sie dürfen Ihr Tagebuch veröffentlichen, wo Sie wollen, verstopfte Gehirnwindungen, fehlende Köpfe und fehlende Wörter sind den Menschen ebenso zumutbar wie Katzen- und Essensfotos und Poesiealbumsprüche, es wird ja niemand genötigt, zu lesen, was Sie schreiben, das nennt man ja Autonomie.
So ein Hirn ist schon eine sehr seltsame Konstruktion. Nicht nur, weil es aus - noch - unerfindlichen Gründen den Strom nicht durchgelassen hat, auch, weil es sich ständig neue und unnötige Gedanken macht.
Gestern beim Abendspaziergang zum Beispiel, da denkt mein Gehirn sich: Hoffentlich sieht mich jetzt niemand (was ziemlich unwahrscheinlich ist, wenn man zum Bäcker geht). Hoffentlich sieht mich jetzt niemand, der meine Facebookeinträge gelesen hat und mich jetzt für todkrank hält und mir schnelle Genesung gewünscht hat und der denkt sich jetzt: Da spaziert die einfach so herum und zieht nicht mal ein Bein nach und „Bitte zwei Packungen Vollwertbiomüsli, eins mit und eins ohne Rosinen“ hat sie auch ohne Probleme herausgekriegt. Und Lippenstift hatte sie drauf, also bitte! Drama Queen. Wisst ihr noch, wie sie vor ein paar Jahren in der Aula der Schule diese Pornogeschichte gelesen hat?
Vielleicht find ich noch die Krücken, die mein Mann nach dem Riss der Achillessehne (jetzt hätte ich beinahe Achillesferse geschrieben) gekauft hat, mit denen geh ich dann morgen in den Wald, damit man sieht, dass mit mir etwas nicht stimmt.

„Gusch, verdammt noch mal!“, brülle ich mein Gehirn an, weil es so einen Schwachsinn denkt. Vielleicht sind da doch noch ein paar Synapsen ein bisschen hinüber? „Jetzt reiß dich doch ein bisschen zusammen. Du sollst dich schonen!“, erinnere ich es an den ärztlichen Rat.
„Wie geht das?“, fragt das Gehirn mich. 
Hm. Vielleicht das Krone-Rätsel statt dem Standard-Rätsel. Oder nicht überlegen, wie schonen geht.
Man sagt ja, dass das chinesische Schriftzeichen für Krise das gleiche ist wie für Chance. Ich kann es nicht bestätigen, ich bin nur bis tausend Zeichen gekommen, das war nicht dabei. Vielleicht ist da ja etwas dran. Ich hab nämlich gestern ein Mail bekommen, von jemandem, der mir sehr wichtig ist und dieser jemand hat mir gesagt, dass ich ihm auch sehr wichtig bin. Das war wunderschön. Und vielleicht hat sich mein Gehirn diesen ganzen Streich nur ausgedacht, damit das passieren kann und wir wieder einen Schritt aufeinander zu machen. Wer weiß das schon?


Tag 5

Der am häufigsten gehörte Satz in Tagen wie diesen: „Sag einmal, was machst du denn für Sachen?“
Ja, was mach ich denn für Sachen? Ich dachte, ich erschreck euch und vor allem mich ein bisschen. Mir ist der Stoff zum Schreiben ausgegangen, da hab ich das Leben gefragt: „Sag einmal, hast du eine Ahnung, worüber ich schreiben könnte? Aber bitte nichts Erotisches, das regt mich immer so an und stößt manche Leser ab. Die Kurgeschichten haben den Leuten damals sehr gefallen, so etwas in der Art vielleicht, nur ein bisschen spektakulärer. Aber halt auch nicht ganz schlimm, also kein Todesfall oder so. Gib mir doch mal eine Steilvorlage bitte!“
Das Leben hat nicht lang nachgedacht, sondern zum Schlag ausgeholt. 
„So?“, hat es dann gefragt. 
„Sag einmal, was machst du denn für Sachen?“, habe ich kopfschüttelnd gemurmelt, als der medizinisch indizierte Dadaismus vorbei war und ich wieder ganze Sätze formulieren konnte. Das Leben hat die Schultern gezuckt. „Du wolltest es so.“
Ich bin gespannt, wann der nächste Zuhörer bei einer Lesung fragt: „Sagen Sie einmal, wie kommen Sie eigentlich auf Ihre Ideen?“

Österreich hat nicht nur 8 Millionen Cheftrainer, sondern mindestens so viele Neurologen, die auf Ferndiagnosen spezialisiert sind. Das beruhigt mich. Der zweithäufigste Satz in Tagen wie diesen war: „Und da hast du nicht sofort die Rettung gerufen? Das weiß man doch?“ 
Ja Leute, genau das ist das Problem, dass man in Situationen wie dieser gar nichts mehr weiß. Nicht einmal, wie man das Kind fragt, ob es auch Joghurt mit Erdbeeren will.

„Sag es bitte, wenn ich irgendwas für dich tun kann“ ist auch in die Top 3 der Hitparade der beliebtesten Reaktionen geschrammt. Ein schönes Gefühl, von Menschen umgeben zu sein, die etwas für einen tun wollen. 
„Das ist lieb, aber ich hab hier alles, was ich brauche“, sagst du meistens. Gute Neurologen, einen piepsenden Monitor, der mich überwacht, Infusionen, ein sexy Nachthemd und einen wunderschönen Ausblick über die Stadt.
„Ein Eis hätte ich gerne“, bist du einmal völlig unbescheiden, weil du weißt, dass die Person, die dich ermuntert hat, ihr zu sagen, wenn sie irgendetwas für dich tun kann, ganz in der Nähe wohnt. Das war dann aber doch ein bisschen zu viel verlangt. Diese Person hat sich seit dem ungeheuren Wunsch auch nicht mehr gemeldet. Hoffentlich hast du sie nicht vor den Kopf gestoßen, indem du nicht Trost und Rat, sondern ein Stanitzel mit Schoko- und Bananeneis wolltest.

Aber wenn du ehrlich bist, dann spürst du sowieso, wer diesen Satz ernst meint und für wen er nicht mehr als eine Floskel ist, weil ihm „Sag einmal, was machst du denn für Sachen?“ grad nicht einfällt. Es ist schön zu spüren, dass die meisten deiner Freunde ihn sehr ernst meinen. Aber die Lust auf Eis ist dir inzwischen vergangen und wird durch Gusto auf Sushi ersetzt. Der wird prompt erfüllt, von einer Freundin, die nicht in der Nähe wohnt und die deine Tränen und deine Hilflosigkeit aushält.
Ich hab übrigens die besten Freunde der ganzen Welt. So schaut‘s nämlich aus.

Der Körper ist eine komplexe Wundermaschine. Das wird mir spätestens beim Aorta-Ultraschall klar. Ich kann mein Blut, das durch meine Gefäße rauscht und pocht, hören. Es klingt wie eine kaputte Klospülung. Aber die Neurologin ist zufrieden. „Super klingt das!“, findet sie. Sie scheint ein Faible für rauschende Klospülungen zu haben. Na ja, manche stehen auf schöne Strumpfhosen, manche eben auf solche Geräusche.
Die EEG-Spezialistin lobt mich, weil ich so still liege und die Aufzeichnungen über meine Gehirnströme so deutlich und so klar sind. Das wundert mich, bei den Gedanken, die mir ständig durch den Kopf geistern. 
Nächste Station Echo. Ich bekomme einen Echo verliehen? Aber ich kann doch gar nicht singen!
Ah, Echo steht für transthorakale Echokardiografie. Herzultraschall.

Was ich schon oft gehört habe: Du hast ein großes Herz, ein weiches Herz, ein warmes Herz, ein reines... nein, wir wollen nicht übertreiben. 
„Sie haben ein wunderschönes Herz“, sagt die rumänische Herzspezialistin und kann sich gar nicht satt sehen an meinen Kammern und Herzohren.
Es macht mich glücklich zu sehen, mit welcher Leidenschaft die Leute im Krankenhaus ihrem Beruf nachgehen. Die kleine, resolute Krankenschwester mag ich am liebsten. „Der Stützpunkt heißt nicht Stützpunkt, weil du ihn stützen musst“, sagt sie zum dicken, gemütlichen Praktikanten, „der steht von ganz allein. Du kannst in der Zeit was arbeiten.“

Die Zivis machen Wettrennen mit den Patientenbetten mit Patienten drinnen, die sie zu den diversen Untersuchungen führen. Bastian nimmt die Kurven am engsten und wir gewinnen souverän. Wenn auch nicht den Echo.
Auch die Pharmavertreterin scheint ihren Beruf zu lieben. Unbeirrt lächelt sie und sagt zu allen vorbeieilenden Ärzten: „Ah, Sie haben es bestimmt grad eilig, Herr/Frau Doktor. Macht nichts, dann schau ich morgen wieder vorbei.“ 
„Tut mir leid, ein Notfall“, sagen die Angesprochenen. Es scheint vor Notfällen nur so zu wimmeln, denn alle beschleunigen beim Anblick der Pharmavertreterin in der pinkfarbenen Hose ihre Schritte und das liegt wahrscheinlich nicht an der pinkfarbenen Hose. Ich habe Mitleid mit ihr. 
Zum Glück erbarmt sich die rumänische Herzspezialistin ihrer und lässt sich die neuesten Studienergebnisse aufschwatzen und ein paar Muster überreichen. Vielleicht sind in der Tasche auch Gutscheine für Fernreisen, man weiß nichts genaues.

„Du bist schon wieder ganz die Alte!“ ist übrigens nicht aufs Treppchen gekommen und knapp auf Platz 4 gelandet. Na ja, man kann nicht immer gewinnen. 
Um ehrlich zu sein, ich fühl mich noch nicht alt. Auch nicht wie die Alte. Da hat das Leben eine kräftige Einkerbung in meine Linie geschnitzt. Wozu die gut sein soll, weiß ich noch nicht genau.

Aber jetzt muss ich mich wieder ausruhen und die vielen guten Ratschläge beherzigen.


Tag 6

Die Wahrheit ist: Ich hab das Patientenbettrennen gar nicht gewonnen im Krankenhaus. Es gab nämlich gar keines. Sie waren zwar flott unterwegs und mir wurde zum ersten Mal klar, warum in jeder Kurve Spiegel angebracht waren - nämlich, damit die mit den Schwerverletzten nicht zusammenstoßen - aber sie sind durchaus vorsichtig gefahren. 
Es ist nur so: Maßlos zu übertreiben und Geschichten zu erfinden nimmt mir meine Angst ein bisschen. Ich versuche die Angst einfach wegzuschreiben. Wer witzig ist, fürchtet sich nicht. Wer über sich selbst lachen kann, die Angst nicht auf ein Podest stellt, sondern einfach auslacht, dem geht‘s besser. Damit kenn ich mich aus. War meine Abschlussarbeit bei der Trainerausbildung. Humor wirkt sich tatsächlich auch körperlich aus, fördert unter anderem die Durchblutung und den Stoffwechsel.

Heute nacht hab ich geträumt, dass ich ständig irgendwelche Dinge in der Hand hatte, von denen ich nicht wusste, wie sie dahin gekommen sind. Einen Schlüssel, der nicht mir gehört. Einen Stoffhund. Eine Selbstbräunungscreme. Was bitte mach ich mit einer Selbstbräunungscreme?

Ist es eigentlich besser, wenn sie finden, warum ich diese Aussetzer hatte oder nicht? Ein Teil von mir wünscht sich, dass bei irgendsoeinem Ultraschall der Fehler im System gefunden wird und die Ärztin glücklich aufschreit: „Ha, da haben wir den Schurken!“ Es sollte natürlich nur eine Kleinigkeit sein, die leicht behandelbar ist, ein rostiger Auspuff oder eine falsch montierte Schraube. Und die Schraube würde an die richtige Stelle montiert und die Angst gezogen werden. Mitsamt der Wurzel.

Damals, vor Jahren, war es auch leichter, eine Diagnose zu haben, zu wissen, warum mein Sohn mit 6 noch keine Kerze ausblasen konnte und dass es nicht an meiner schlechten Erziehung (welcher Erziehung eigentlich?) lag. Die Diagnose hat zwar im Prinzip nichts geändert, aber die Last hat sie leichter gemacht.
„Dein Hirn ist auch nur ein Mensch“, hat ein Freund gesagt, „das darf auch manchmal einfach nicht funktionieren, ganz ohne Grund. Wenn sie nichts finden, geh einfach davon aus, dass du gesund bist.“ Seh ich nicht so, dass mein Hirn das Recht hat, nicht zu funktionieren.
Auf der Suche nach dem Warum entwickle ich täglich ein neues Erklärungsmodell.
Hier mein heutiges: 
Vielleicht habt ihr ja gestern auch gelesen, dass der ehemalige Kärntner Landeshauptmann Dörfler anlässlich des Todes des größten Boxers aller Zeiten gesagt hat: „Cassius Clay und Mohammed Ali haben die wildesten Boxkämpfe des Jahrhunderts geliefert und haben danach ein Bier getrunken“.
Ja, lasst es ruhig sickern. Dabei sollte ein FPÖ-Politiker doch wirklich wissen, dass Moslems sich unserer westlichen Wertekultur verweigern und keinen Alkohol trinken. Da hätte ja Cassius Clay alle drei Bier alleine trinken müssen!

Ihr werdet euch jetzt vielleicht fragen, was das mit meinem Hirn zu tun hat. Langsam, ich werde es euch erklären. Mir ist klar geworden, wie viele Fehlfunktionen die Gehirne der Blaubraunen täglich haben. Und wahrscheinlich war die Ischämische Attacke nur ein Versuch einer noch unbekannten unheimlichen Macht, unter deren Einfluss diese Neubraunen stehen, auch mein Gehirn in Besitz zu nehmen. Bei vielen anderen haben sie das ja schon geschafft, vermutlich mittels Chemtrails.

Meine Sehstörungen waren ein Versuch dieser Macht, mich für das Wesentliche blind zu machen, weshalb ich meinen Kollegen ohne Kopf gesehen habe. Kopflose Menschen braucht ihre Politik nämlich. Und dann haben sie mich Schwachsinn reden lassen, wie sie selbst es jeden Tag tun, irgendeinen Scheiß. Sie wollten, dass ich statt „Erdbeeren rein“ „Ausländer raus!“ sage, aber mein Gehirn war zwar außer Gefecht, aber so blöd nun auch wieder nicht. Sie haben gemerkt, dass ich für diese Umpolung nicht geeignet bin und geben auf. Hoffentlich.

Ja, und so witzele ich mich auch heute wieder in den Tag und spuck der Angst ins Gesicht.
„Kribbelt es in ihrem Kopf?“, hat die Ärztin gefragt. 
„Nein“, hab ich gesagt.
Aber jetzt, wo ich wieder zu Hause bin, kribbelt es ständig. Und ich hab natürlich nicht gegoogelt, was das bedeuten kann. 
Und wenn mir ein bisschen schwindlig wird, was bei einem Puls von 45 schon mal vorkommt, atme ich tief aus und versuche ganz nervös diesen einen, den wichtigsten Satz zu sagen: „Soll ich dir auch Erdbeeren mit Joghurt machen?“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
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