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Donnerstag, 29. Mai 2014

Gertrude

„Gestern hatte die Pflegerin einen Praktikanten mit. Ich hab nichts gegen Praktikanten, natürlich müssen die das auch lernen, aber warum ausgerechnet beim Hugo?“
Ich höre der alten, wohlhabenden Frau mir gegenüber zu, versuche zu verstehen, was sie zu der gemacht hat, die sie ist. Kalt. Ablehnend. Kontrollierend. Da ist viel Angst, denke ich und versuche ihr die Angst zu nehmen, indem ich sie bestätige, ihr zuhöre, mir Zeit nehme. Aber immer wieder watscht sie mich verbal ab. „Sie haben Glück, dass ich Sie hereingelassen habe“, sagt sie, „ich umgebe mich normalerweise mit gebildeten und distinguierten Menschen“, sagt sie. Ich wandere durch mein Lavendelfeld und spüre die Wärme, sage ich mir. Das mache ich immer, wenn ich davor bin, meine Gelassenheit zu verlieren. Schließlich bin ich nicht ihretwegen hier, sondern wegen ihres Mannes.

„Der Praktikant saß hier und hat mich die ganze Zeit angestarrt“, fährt Gertrude fort, „und alles an ihm war Sex. Einen Bart von hier bis hier.“ Sie deutet mit der Hand von einem Ohr zum anderen. „Die Beine hatte er von sich gestreckt. Das ist doch ein unmögliches Benehmen, finden Sie nicht?“
„Ach, ein junger Mann halt“, beruhige ich, „die sitzen heutzutage eben so“. Gertrude sitzt im Damensitz auf dem antiken Sofa, die Knie eng aneinander, die Beine schräg abgewinkelt. „Sie haben ja keine Ahnung“, sagt sie, „es bleibt Ihnen natürlich unvoreingenommen, das so zu sehen, aber wissen Sie, mein Empfinden ist noch normal.“ Ich nicke. Selbstverständlich. „Ich bin es ja gewöhnt, dass die Männer aufdringlich sind“, erklärt sie mir, „aber dieser Praktikant - das war zu viel des Guten. Aus jeder Pore strahlte er Sex aus, absichtlich. Ein Bart ist ein Signal von Sex und Männlichkeit, durch und durch. Letztens sah ich auf der Straße einen Türken – ich hab nichts gegen Türken – aber überall Haare auf den Armen und an der Brust. Unglaublich, denen geht es nur um Sex.“
Ich verdränge den undistinguierten Gedanken, dass Gertrude vermutlich nie richtig gut durchgefickt wurde und jetzt im Alter ihre ein Leben lang unterdrückte Sexualität an die Oberfläche kommt. Ich denke an mein Lavendelfeld.
Gertrude ist beunruhigt. Nicht nur wegen des jungen Mannes. Auch wegen der gar nicht mehr so jungen Damen des ambulanten Dienstes. „Stellen Sie sich vor“, erzählt sie mir, aber ich stelle mir das lieber nicht vor, sondern gehe in Gedanken durch mein Lavendelfeld und spüre die Wärme „die waschen ihn auch da untenrum, in seinem Intimbereich. Eine hat letztens seine Vorhaut zurückgeschoben. Das ist würdelos. Das ist doch die empfindlichste Stelle des Mannes. Was das bei ihm auslösen kann! Kein Wunder, dass die so gern Pflegerinnen sind, wenn sie den Männern dahin fassen.“
Ein ganzes Leben lang habe sie gekämpft, erzählt Gertrude, und sie wird erst aufhören zu kämpfen, wenn sie die Augen für immer zumacht. „Die eine Pflegerin ist ja ganz nett, die Erika“, sagt sie, „aber was soll ich sagen? Ein Nilpferd kann man nicht dazu bringen, wie eine Gazelle zu tanzen.“
Ich unterdrücke mein Lachen, das sich mit Ärger mischt und wage mich aufs Glatteis. Ob sie schon mal an eine 24-Stunden-Betreuung für den Hugo gedacht habe, frage ich, das würde ihr das Leben vielleicht auch ein bisschen leichter machen. Dabei kenne ich die Antwort ohnehin. „Also das darf jetzt nicht wahr sein!“, stößt sie empört hervor, „das sind ja alles Slowakinnen, ich mein, ich hab nichts gegen Slowakinnen, aber oben in dem Zimmer sind wertvolle Bücher und Gegenstände, die würde uns ja alles klauen. Ich könnte die ja nicht mit Hugo allein lassen. Möchten Sie das, dass ja ständig jemand Fremder in ihrem Haus ist und sie vielleicht beklaut?“

Die Betreuerinnen von der ambulanten Pflege lässt sie auch nicht mit ihrem Gatten allein. Sie zwängt sich sogar in das winzige Badezimmer, wenn die Pflegerinnen ihn duschen. „Aber ich hab die jetzt sowieso abbestellt, was das kostet!“
Es schleicht sich so etwas wie Mitleid mit der Frau, die immer kämpfen muss, in mein Herz, aber noch mehr Mitleid habe ich mit Hugo, ihrem 94-jährigen Mann, der nebenan im verdunkelten Zimmer sitzt und nicht ausreichend ernährt und gepflegt wird.
Was denn die Hausärztin zu der Situation sage, frage ich. Die wurde gewechselt, die Ärztin. Weil sie dem Hugo eine Infusion angehängt habe. „Hier an der Wandleuchte hat sie die angehängt. Was sagen Sie dazu? Man kann doch an diese wertvolle Wandleuchte nicht einfach eine Infusion anhängen. Und dann wollte sie den Hugo ins Heim stecken. Der hat doch alles bei mir!“

Ich glaube, es ist ohnehin sinnlos, mit ihr zu diskutieren. Ich wandere durch mein Lavendelfeld und spüre die Wärme.
„Mein Leben lang habe ich gekämpft“, sagt Gertrude, „und jetzt scheren Sie sich zum Teufel!“

Freitag, 16. Mai 2014

Nachts im Spiegel

Nachts im Traum im Spiegel war ich wunderschön. Der Spiegel war auf einem Auge blind. Nachts sind alle Spiegel blind.
Am Morgen vor dem Spiegel bin ich blind. Mein Blick in den Spiegel ist ein liebender, annehmender, einer, der Makel verschluckt und nicht die Oberfläche spiegelt, sondern in die Tiefe geht. Der Blick ist einer, der die Erfahrung und Schönheit hinter der älterwerdenden Fassade sieht. Wenn der gleiche Blick aber Fotografien von mir sieht, oder Videos, wird er kritisch und grantig; hat an allem etwas auszusetzen und motzt blöd herum.

Wer hat Recht? Der Blick in den Spiegel, der verklärt und liebt oder der Blick auf das Foto, das für die Dauer eines Wimpernschlags das abgebildet hat, was die Kamera für Realität hält. Oder der Fotograf, der seinen Finger auf den Abzug legt. Die Kamera als Waffe. „Hände hoch, oder ich schieße ein Bild.“ Der Schuss trifft mitten ins Herz und tut weh. Weil das Selbst- und das Fremdbild immer weiter auseinanderdriften.

Gott ist es wie mir gegangen.
Vor langer Zeit musste man von ihm auch 1000 Fotos schießen, bis er sich auf einem halbwegs attraktiv fühlte, bis der Bart richtig fiel, die Schultern nicht hochgezogen waren, der Blick in die Kamera gelassen und gütig wirkte; sinnbildlich natürlich nur. Damals, als es noch Götter gab, waren weder Kameras noch Photoshop erfunden, weshalb Gott - ein Narziss vor dem Herrn– sich malen ließ. „Auf dem hier hab ich die Augen zu“, beklagte er sich, als der Maler ihm das fertige Bild zeigte, „und hier sieht man das Muttermal am Ohrläppchen, du Stümper!“ Gott wütete, zerfetzte das Bild und schickte dem Maler eine Heuschreckenplage. Er ließ einen neuen, noch besseren Maler kommen und malen. Aber auch mit dessen Bildern war er nicht zufrieden. Die Augenbrauen waren zu dicht, das Lächeln zu gewollt. Er bestrafte den Schöpfer der Bilder mit dreitägiger Finsternis. So gingen die Maler bei ihm ein und aus. So lange, bis alle biblischen Plagen erschöpft waren – und Er auch.
Er hatte es nämlich satt, Stunden, Tage und Monate lang Modell zu sitzen, liegen oder zu hängen, wenn von tausend Bildern dann doch nur eines dabei war, auf dem er sich gefiel.

Gott hat im Gegensatz zu mir aber die Konsequenzen gezogen und einfach ein Gebot in Stein gemeißelt, das den Menschen verbat, ihn zu zeichnen, fotografieren oder zu filmen. „Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“

Nachts im Traum im Spiegel war ich wunderschön.

Sonntag, 27. April 2014

5 Minuten Ruhm

(... oder 5 Minuten Schande und danach viel Rum statt viel Ruhm?)

Das wird sich erst vor Ort herausstellen. Gehen wir vom besten Fall aus, hoffen wir, dass ich nicht falle.

http://derstandard.at/1363706840966/Ueber-uns

Solltet ihr am Mittwochabend noch nichts vorhaben, seht und hört ihr mich im Odeon Theater in Wien. Ohne Text, an dem ich mich festhalten kann.

Samstag, 19. April 2014

Sag mir dein schönstes Wort

„Nur eines von euch kann Germans Next Top Word werden und auf das Cover einer deutschen Wochenzeitung kommen“, lächelt Heide den Wörtern zu, die es ins Finale geschafft haben, „nur eines von euch kann den begehrten Werbevertrag mit dem Duden bekommen. Also strengt euch gefälligst an. Geht nach hinten, macht euch schön, und wir sehen uns gleich auf dem Walk.“


„Hallo Du“, begrüßt Heide das schmächtige Wort, das als erstes mit wackligen Beinen über den Catwalk schreitet und am Ende eine unsichere Pose einnimmt, „stell dich doch mal vor.“
„Hallo, ich bin Du“, antwortet das Du kaum hörbar.
Heide lacht. „Nein, du bist nicht Ich, das bin ja schon ich. Du bist noch ein wenig schüchtern, scheint es. Woher kommst du, was sind deine Hobbys, was zeichnet dich aus? Erzähl mal ein bisschen von dir!“
Das Du schüttelt den Kopf. „Ich rede nicht so gerne über mich. Das tun ohnehin alle anderen.“
„Warum glaubst du, dass ausgerechnet du das Zeug zu Germans Next Top Word hast?“
„Wegen des Gedichts von Rose Ausländer. Kennen Sie das?“
Ein paar der anderen Wörter im Backstagebereich, zwei blonde und blauäugige Wörter, beginnen zu tuscheln und zischeln. „Habt ihr gehört? Ein Ausländer! Jetzt mischen die hier auch schon mit! Und ein Gedicht will es aufsagen. Wie peinlich ist das denn? Wir sind ja nicht im Kindergarten.“

„Nein, das Gedicht kenne ich nicht“, sagt Heide und schmunzelt. „Was ist überhaupt so ein Gedicht?“
Das kleine Du stemmt mutig die Hände in die Hüften und rezitiert:

„Wir wohnen
Wort an Wort
Sag mir
dein liebstes
Freund
meines heißt
Du“

„Aha“, sagt Heide, zupft ihre Haare zurecht und betrachtet sich im Spiegel. „Ich muss sagen, du zählst heute zu den Wackelkandidaten. Du hast mich mit dem Gedicht nicht überzeugt.“
Das Du lässt den Kopf hängen und marschiert zurück in den Backstagebereich.

Als nächstes ist das Wort Habseligkeiten dran. Es fühlt sich unter den aufgetakelten, frisierten Wörtern sichtlich unwohl und steht ein wenig abseits. Es fühlt sich gemobbt, dabei wusste es bis vor einer halben Stunde noch gar nicht, was dieses englische Wort bedeutet. Habseligkeiten hat sich nicht freiwillig für den Bewerb angemeldet, sondern wurde von den Lesern einer großen Tageszeitung direkt in die Endrunde gewählt. Als es aufgerufen wird, trappelt es mit Bubikopf und in Riemchenschuhen in Krokodilleder nach vorne.
„Da ist etwas sehr Interessantes in deiner Attitude“, urteilt Heide, „etwas, das dich von deinen Mitbewerberinnen unterscheidet. Wenn du auch keine Schönheit im klassischen Sinn bist. Aber dein Ausdruck ist etwas zu kantig.“
Habseligkeiten schluckt tapfer die Tränen hinunter. „Wie meinen Sie das?“, fragt es und Heide hat keine Antwort, also wiederholt sie das Gesagte. „Nun ja, ich meine, dass dein Ausdruck ein wenig zu kantig ist. Was meint ihr, Jungs?“ Die beiden anderen Jurymitglieder geben ihr Recht. Sie geben Heide immer Recht.
„Auch dein Walk hat etwas sehr Altbackenes“, fährt Heide fort. „Geh doch mal mit der Zeit, die übt bestimmt mit dir. Was hältst du von einem kleinen Umstyling?“
Habseligkeiten hält nichts davon. Es hat Angst zum Plunder, zum Kram zu werden. „Ich möchte meine Seele nicht verlieren“, sagt es zur Jury. „Die Seele ist meine Mitte. Ohne sie bin ich nichts.“
„Wie du meinst.“ Heide verschränkt beleidigt die Arme vor ihrem Körper. „Ihr sollt wissen, wir meinen es hier nur gut mit euch. Wir reißen uns den Arsch auf, damit aus euch etwas wird. Nun, Habseligkeiten, ich habe heute leider kein Foto für dich.“
Habseligkeiten lässt die Schultern hängen, geht nach hinten und packt seine Habseligkeiten. Es verabschiedet sich von den anderen Kandidaten und macht sich auf den Weg. Auf seinen Weg.

„Und wir“, lächelt Heide mit dem gleichen Gesichtsausdruck wie immer in die Kamera, „wir sehen uns nach der Werbung wieder. Vorher noch ein paar Ausschnitte aus dem Casting. Wörter, die es leider nicht in die Show geschafft haben.“
Der Kameramann zoomt auf ein strammes Negerkonglomerat, das seine Hand zum Gruß gestreckt hat. Neben ihm sitzen ein entfesselter Leistungsträger und die Unschuldsvermutung, die gerade frisch vom Friseur kommt. Die Unschuldsvermutung kommt immer frisch vom Frisör. Die drei Unwörter verschaffen sich lauthals Gehör und fühlen sich ungerecht behandelt. „Wir sind anständige und vor allem inländische Wörter, wir sind nur zu schön, zu erfolgreich und zu dynamisch, um hier zu gewinnen.“
„Du bist wirklich sehr süß“, sagt Heide zur Rhabarbermarmelade und grinst. „Aber wir suchen nicht das süßeste Wort, sondern das schönste. Schau dich mal in den Spiegel. Du bist einfach viel zu dick. Zu dicke Beine, zu viel Speck um die Hüften, der Arsch zu fett.“

Die Angesprochene hat es so satt, immer ausgespottet und ausgelacht zu werden. Süße, zähe, rosarote Tränen quellen aus den Augen der Rhabarbermarmelade. Am liebsten würde sie sich mit einer Rhabarberstange das Herz aus dem Leib stechen, so gekränkt ist sie. Aber das ist der Jury egal. Die Show muss weitergehen, auch auf dem Rücken der Kandidaten.
Rhabarbermarmelade, ich würde dir eine Diät empfehlen, vielleicht hast du dann das nächste Mal als Rhabarbermarmelade Light bessere Chancen. Ich habe heute leider kein Foto für dich.“

Zum Glück wird Rhabarbermarmelade hinten von den anderen Wörtern gedrückt und getröstet, obwohl sie an ihr kleben bleiben. „Wir haben dich lieb“, sagen sie, „bleib bitte, wie du bist.“


Das nächste Wort ist ein dunkles Wort mit heller Lautfarbe. Selbstbewusst und kerzengerade schreitet es über den roten Teppich.
„Aber Hallo“, ist Heide beeindruckt. „Du schaust sehr exotisch aus. Wie heißt du und woher kommst du?“
„Ich heiße Palaver und komme aus dem Griechischen über das Lateinische, Portugiesische und Englische. Zu Hause bin ich vorwiegend in Afrika, da gehöre ich zum guten Umgangston. Wo immer Familienzwiste, nachbarrechtliche Fragen, oder andere Streite zu lösen sind, setzen sich die Beteiligten unter dem Vorsitz der Dorfältesten unter den Palaverbaum und reden. Eine Art von direkter Basisdemokratie.“

Die Unwörter im Hintergrund grummeln und pfeifen. „Palavern anstatt zu arbeiten!“, rufen sie, die sich noch nie im Leben die Hände dreckig gemacht haben, „das haben wir schon gern!“


Gleich ist die Liebe an der Reihe. „Wieso braucht dieses Palaver so lang?“, beschwert sie sich und bemalt sich die Lippen rot. Sie strahlt siegessicher. „Ich hab noch jede Castingshow gewonnen“, sagt sie zum Reporter. „Man braucht mich, wissen Sie? Und man liebt mich. Das ist manchmal unerträglich.“
„Setz mal diese dämliche Brille ab“, bittet Heide sie, als sie mit strahlendem Lächeln vor ihr steht, „ich möchte deine Augen sehen. Und mach den Lippenstift weg, er lenkt von deinem eigentlichen Aussehen ab.“
Die Liebe kommt der Bitte nach, presst die roten Lippen in ein Taschentuch und nimmt die Brille ab. Sie fühlt sich nackt und leer.
„Hm, so ungeschminkt und ohne rosarote Brille siehst du irgendwie sehr gewöhnlich aus. So wie ich und Du. Dir fehlt das Unverwechselbare. Du wirkst nicht authentisch, ja, sogar ein wenig be-liebig, wenn du weißt, was ich meine. Du weißt, ich war immer ein Fan von dir. Aber heute könnte es eng werden für dich.“

Als letztes kam ein kleines, unscheinbares Wort auf den Laufsteg. Ungeschminkt, in einem zeitlosen Outfit, mit ernstem Gesichtsausdruck. „Ich will noch nicht gehen“, flüstert sie zu sich selbst, "ich bin noch nicht bereit dafür."

„Guten Abend, liebe Zeit. Warum willst ausgerechnet du Germans Next Top Word werden?“
Die Zeit lässt sich Zeit mit der Antwort. „Ich habe etwas sehr Wandelbares“, sagt die Zeit. Ich kann Winter- Sommer- und Uhrzeit sein. Eiszeit und Neuzeit. Mahlzeit und Auszeit. Als Hochzeit mache ich Menschen glücklich. Vor allem aber habe ich eines. Zeit. Ich bin das, was alle Menschen brauchen. Noch dringender als die Liebe.“
„Danke, liebe Zeit“, sagt Heide. „Wir werden uns jetzt zur Beratung zurückziehen.
Trommelwirbel. Scheinwerferlicht. Auf der Bühne fassen sich die Zeit und die Liebe an der Hand. Das Palaver wurde disqualifziert, weil es kein reines, deutsches Wort war, was vom Negerkonglomerat, dem entfesselten Leistungsträger und der Unschuldsvermutung mit Applaus bedacht wurde.

„Eines von euch Beiden muss uns heute verlassen. Denn ihr wisst ja, nur ein Wort kann Germans Next Top Word werden und auf das Cover einer großen deutschen Wochenzeitung kommen“, lächelt Heide ihr professionelles Lächeln, „nur eines von euch kann den begehrten Werbevertrag mit dem Duden bekommen. Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, doch nur ein Wort kann Germans Next Top Word werden", wiederholt sie sich.

"Liebe Liebe“, sagt Heide. „du bist es leider nicht. Ich habe heute leider kein Foto für dich.“
„Macht nichts“, sagt die Liebe und umarmt die Jurymitglieder, die Konkurrenten und die ganze Welt. „Danke, dass ich dabei sein durfte. Ich liebe euch alle.“ Mit dem Ärmel wischt sie sich ein paar Tränen aus den Augenwinkeln und gratuliert der Zeit zu ihrem verdienten Sieg.

Die strahlt stolz und freut sich wie verrückt. Noch mehr als über den Sieg freut sie sich darüber, dass sie Woche für Woche das Cover einer großen, deutschen Wochenzeitschrift ziert.

Montag, 14. April 2014

Konfliktherd

In der Ecke
meiner Herzkammer
steht ein alter Konfliktherd
Ein Erbstück

In den rostigen Töpfen
wallen meine Widersprüche
dampfen die Kämpfe
zwischen Moral und Wollust
brutzeln meine Ängste
und werfen Blasen
Sie sind noch immer nicht gar

Ich rühre in meinen Wunden
lege Holz nach
und schüre das Feuer

Es wärmt so schön

Dienstag, 8. April 2014

Frühlingserwachen

Draußen erwacht der Frühling
Drinnen nur dunkelblaue Nacht

Die Schere
zwischen Innen und Außen
lässt sich nicht schließen
deshalb rammt er sie
in seine Brust

Samstag, 5. April 2014

Schon wieder ein erstes Mal...

Mein erstes eBook.

Die meisten von euch kennen den Inhalt ja schon, aber ihr dürft es gern noch mal lesen oder rezensieren oder was auch immer ihr schon immer damit tun wolltet.

Sonntag, 16. März 2014

Messie-Hirn

„Puh“, was für eine Messie-Wohnung“, sagt die Sozialarbeiterin der Bezirksverwaltungsbehörde und hält sich die Nase zu, als sie mein Gehirn betreten hat.

Gedanken, Gefühle, Erinnerungen, Tag- und Nachtträume liegen hier herum. „Völlig ungeordnet“, wie die Sozialarbeiterin sagt, was aber so nicht stimmt. Natürlich ist da eine Ordnung drin, diese Dulcinea kann sie nur nicht erkennen. In ihrem Hirn überwiegen wahrscheinlich Checklisten und Formulare. Sie setzt einen professionell empathischen, aber unehrlichen Blick auf. „Sie müssen verstehen, dass wir das nicht mehr mitansehen können“, sagt sie, verrät mir aber nicht, wer „wir“ ist. „Hier besteht akute Seuchengefahr. Aufgrund des sanitären Übelstandes muss ich leider den Amtsarzt und die Baubehörde verständigen. Es kann Ihren Mitmenschen nicht länger zugemutet werden, von diesem Gehirnmüll umgeben zu sein. Sie brauchen Hilfe, Frau Lehner.“

Zu meinen Gefühlen und Ambivalenzen gesellt sich die Angst, dass man mir wegnehmen will, was ich seit Jahrzehnten sammle und aufbewahre. Was mir wichtig und wertvoll ist. Was mein Leben ausmacht. „Ich kann das selbst“, beeile ich mich zu sagen, „ich bin heute nur noch nicht zum Aufräumen gekommen.“
„Sie sind seit Jahrzehnten nicht zum Aufräumen gekommen.“ Was für eine elende Besserwisserin! „Ich schlage vor“, schlägt sie vor, „wir mieten ein nettes Zimmer in einem leeren Kopfmotel und sie nehmen die wichtigsten Gedanken und ein paar Erinnerungsstücke mit, während wir uns darum kümmern, dass hier saubergemacht wird. In ein paar Wochen können Sie dann wieder zurückkommen und betreten ein schönes und aufgeräumtes Gehirn.“ Sie strahlt vor fremdem Glück und ich will mir ihr steriles Hirn voller Aktenschränken, in denen die abgestaubten Gedanken und Gefühle - auf denen sich trotzdem der Amtsschimmel abgelagert hat - als Akten kategorisiert und abgelegt sind, säuberlich beschriftet und nach Jahren und Alphabet sortiert, gar nicht vorstellen.
„Ich geh hier erst weg“, sage ich, „wenn ich nicht mehr gehen kann, sondern man mich mit einer Bahre hinaustragen muss.“ Ich lasse mich doch nicht aus meinem eigenen Leben schmeißen.

Sie organisiert gegen meinen Willen und angeblich zu meinem Wohl einen Putztrupp, der in meinem Hirn sauber machen soll. Gemeinsam mit zwei Kerlen von der Adventmission haben sie meinen Kopf aufgebrochen, weil ich - so behaupten sie - trotz Klopfens und Läutens nicht freiwillig aufgesperrt hätte. Dabei habe ich das Klingeln einfach nicht gehört, wegen der Stimmen. Das hab ich nicht gesagt, aus Angst, dass sie mich sonst in die Psychiatrie einweisen und mit Neuroleptika vollpumpen.

„Nicht die dreckigen Gedanken wegnehmen“, schreie ich, als sich der Mitarbeiter der Adventmission an meiner Pornosammlung zu schaffen macht, und klopfe ihm auf den Finger. Er blättert ein Heft durch, schüttelt verständnislos den Kopf und murmelt: „Und das in diesem Alter.“
„Die halten mich ja lebendig und jung!“ Ich reiße ihm meine Fantasien aus der Hand und setze mich schützend auf sie.

„Sie werden sehen“, sagt die mitfühlende Sozialarbeiterin mit Latexhandschuhen und sanfter Stimme, „wenn hier erst einmal gründlich ausgemistet ist, werden sie sich in ihrem Hirn wieder viel wohler fühlen.“
„Danke“, sage ich zynisch, „dass sie mir sagen, wann ich mich wohl fühle. Sie haben das bestimmt gelernt, als diplomierte Sozialarbeiterin.“

Sie hat Angst, sich trotz der Handschuhe schmutzig zu machen, greift mit den Fingerspitzen nach den Alben mit meinen Erinnerungen und schüttelt den Staub von ihnen. Ein paar davon fallen heraus. Ich bin nie dazugekommen, sie zu sortieren und einzukleben. „Das mach ich, wenn ich erst mal in Pension bin“, rechtfertige ich mich, als ich ihren vorwurfsvollen Blick sehe.

Die Erinnerung an Brian, einen englischen Freund – jetzt nenne ich ihn lieber Bekannten - ist unter denen, die aus dem Album gefallen sind. Ich war mit meiner Tochter und ihrer Freundin bei ihm und seiner Frau Denise zu Gast. Er hat mit den Mädels im Garten gespielt , mit mir lange Spaziergänge gemacht und mir von seinen Eheproblemen erzählt, mit uns gegrillt, war witzig und liebenswert. „Alles wird gut“, hat er gesagt, als er sich von uns verabschiedet hat, im Bademantel.
Nichts ist gut geworden. Drei Tage später hat er seine Frau erwürgt, weil sie sich scheiden lassen wollte. Er hat ihre Leiche in den Kofferraum ihres Cabrios gepackt und ist mit ihr nach Frankreich gefahren. „Denise war gern in Frankreich“, erzähle ich der Sozialarbeiterin, die das Bild in einen braunen Sack wirft.

„Da sehen Sie, wohin dieser Saustall führt“, sagt sie, „Sie beginnen schon Traum und Wirklichkeit zu verwechseln.“ Als sie kurz in der Küche ist, bei den Gerüchen und Gerüchten, wühle ich im Müllsack und hole diese Erinnerung wieder heraus. Bei Gelegenheit erzähle ich euch die Geschichte. Aber jetzt muss ich aufpassen, dass sie mir nicht alles wegnehmen.

„Ich schlage vor“, schlägt sie schon wieder etwas vor und ich zucke zusammen, weil ich mich von ihren Vorschlägen erschlagen fühle, „ich schlage vor, Sie stapeln den Kram in Ihrem Gehirn auf drei Häufchen... nun ja, Haufen. Auf dem einen das Zeug, das auf den Müll kann, auf den zweiten das Zeug, bei dem Sie noch nicht wissen, wohin damit, und auf den dritten den Kram, den Sie unbedingt behalten wollen.“
Die Arme, denke ich. Die hat zu viele schlechte Reality-TV-Sendungen gesehen, die mit Realität ungefähr so viel zu tun haben wie Lionel Messi mit einem Messie. Soll sie doch die Scheiße in ihrem eigenen Gehirn auf Häufchen stapeln. Trotzig verschränke ich die Arme vor dem Körper und setze mich in eine Ecke.

Der zweite Mann aus dem Putztrupp findet in verschlungenen Hirnwindungen unnützes Wissen und einen Stapel Wörter und Sätze, die er nicht lesen kann. Russisch, Chinesisch, Griechisch, Niederländisch. „Das brauchen Sie bestimmt nicht mehr.“
„Jetzt nicht, aber ich könnte es brauchen. Für den Fall, dass die Chinesen einmarschieren. Oder die Russen. Oder die Holländer.“
„Verdacht auf Paranoide Persönlichkeitsstörung“, kritzelt die Sozialarbeiterin in ihren Kalender und glaubt, ich sehe das nicht.

Ich bin erschöpft. Der Eingriff in meine Intimsphäre macht mich nicht nur wütend und ohnmächtig, sondern auch müde. Irgendwann schlafe ich über meinen Emotionen und Affekten, meinen Aufregungen und meiner Angst ein.

Ich werde wach, als die Sozialarbeiterin sich bei den Männern der Adventmission verabschiedet und sie hinausbegleitet.
Ich ergreife die Chance und mein Stanley-Messer und schlitze einen nach dem anderen Sack auf. Alles, was sie hineingestopft haben, alle Ideen, Gedanken, Visionen, Fantasien, purzeln heraus. Ich leere die Säcke aus. Ich werde wochenlang damit beschäftigt sein, alles wieder an seinen Platz zu stellen.

„Wir meinen es ja nur gut mit Ihnen“, sagt die Sozialarbeiterin, die sich zu mir auf den Boden gesetzt hat und zu ihrem Handy greift. „Sie brauchen Hilfe, Frau Lehner. Professionelle Hilfe. Ich rufe jetzt die Rettung an, ja?“

Ich schaue auf die aufblitzende Klinge des Stanley-Messers in meiner Hand.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
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viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

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