Kurkolumne, die Achte

Heute habe ich von Heike geträumt.
Sie marschiert in hohen Lederstiefeln und mit Peitsche am Beckenrand auf und ab und gibt Kommandos. Ihre Kollegin Kathrin ist auch im Wasser und will immer in die Hocke gehen, obwohl sie kleiner ist als ich.
„Linkes Knie zum rechten Ellbogen“ schreit Heike im Tonfall von Seargant Gunnery Emil Foley aus dem Film Ein Offizier und Gentleman.
„Yes!“ antworten wir.
„Wie bitte?“
„Yes, Ma’am!“, tönt es unisono aus dem Wasser.
„Lauter!“
„YES, MA’AM!“
„Mehr Tempo!“, „Der Herr mit dem einen Bein läuft im Kreis, aber Dalli!“. Und dann sagt sie: „Beine grätschen. Arme zur Seite. Wir machen einen Hampelmann!“
„YES MA’AM!“
Als alle Kurgäste hampeln, ordnet Ma’am Heike an: „Und jetzt brüllen wir alle ganz laut: „Ich bin depressiv!“
„Ich bin depressiv!“
„Ich bin depressiv!“
„Ich bin depressiv!“
„Ich auch!“ Dabei ist es in Wahrheit total schwer, depressiv zu sein, wenn man dabei lachen muss.
Kathrin verschluckt sich am Schwefelwasser und erstickt daran. „Liebe Katrhin, dir fehlt es an der Attitude“, lächelt Heike, „ich habe heute leider kein Foto für dich.“

*

In Ermangelung eigener amourösen Kurerfahrungen nehmen wir großen Anteil an den Erlebnissen von Kurküken Laura, 30 (metabolische 40). Die Frau, die das Haus mehr liebt als ihren Freund. Vor ein paar Tagen wollte sie auf der Stelle nach Hause fahren. Nicht, weil das Verlangen nach ihrem Freund sie in die Heimat trieb, sondern weil die neuen Fenster eingebaut worden sind. „Ich hab so Sehnsucht nach der Baustelle“, hat sie uns bei einem Glas geschwefelten Rotwein anvertraut.

Laura ist ja in die türkisblauen Augen von Kurgast Wolfgang gefallen, dessen Kur aber schon vorbei ist und der wieder mit seiner Frau am Frühstückstisch sitzt, über das weiche Ei, das nicht weich genug ist, meckert und ihr aus der Zeitung vorliest. Weil seine Frau heute Dienst hat, besucht er Laura am Vormittag in der Kuranstalt. Durch den Hintereingang, damit man ihn an der Rezeption nicht sieht und fragt, ob er vorige Woche etwas vergessen hat. So lange Wolfgang gekurt hat, blieb es zwischen den Beiden beim Reden und Kuscheln, weil Laura das alles viel zu schnell ging. Weil sie sich nach Romantik gesehnt hat, die sie von ihrem biertrinkenden Freund nicht kriegt, und nicht nach Sex. Nach Zärtlichkeit, einfühlsamen Gesäusel und leuchtendverliebten Augen.

Gespannt warten Susanne und ich, bis Laura endlich auftaucht.
„Und, wie war’s?“, fragen wir wie aus einem Mund.
„Geht so. Schinkenfleckerl. Wie Schinkenfleckerl halt so schmecken“, sagt Laura.
„Boahh... Nicht das Essen! Du weißt schon!“
„Ach so. Erzähl ich euch am Abend.“
Ich erwisch sie grade noch am Zipfel ihres Shirts. Wir wollen nicht länger warten. „So sag doch wenigstens "ja" oder "nein"."
„Ja“, sagt sie und grinst. Weg ist sie und lässt uns mit unseren Fragen und Fantasien alleine.

*

Gestern wollte ich mir eine Nagelschere kaufen. Ich war in der Drogerie, in der Apotheke und in der Billigparfümerie... nichts. Alle ausverkauft.
Später, beim Norditschwalking ist mir klargeworden, warum das so ist. Die Leute im Tal brauchen sie zum Rasenschneiden. Hier wächst nichts in den Himmel, keine Sehnsüchte und schon gar kein Unkraut. In der linken Hand haben sie das Lineal, in der rechten die Nagelschere.
„Du Hermann?“, fragt Adolf, der auf seinem gepflegten Rasen auf dem Bauch liegt und Grashalme abschneidet. „Wia fül sein sie denn bei dir?“
„Lei 4 Millimeter“, antwortet Hermann, „und bei dir, Dolfi?“
„I hon 3,5. Oba da Heini drübn hot lei 3,3! Do miass ma uns onstrengan!“

Dort, wo kein Gras mehr wächst, sind Kieselsteine geometrisch angeordnet und gefärbter Rindenmulch verteilt. Das Auge isst schließlich mit. Hier hat alles seine Ordnung. Ordnung und Disziplin sind hohe Werte im Tal.
Die Gärten sind allesamt aus der Zeitschrift "Mein schöner Garten" abgepaust. Keine Nistplätze für Igel, keine Wildkräuter, keine Unregelmäßigkeiten. Vor allem aber keine Faulheit und Schlamperei.
Die Kärntner sind ein fleißiges Volk und ein bisschen anders. Sogar die Nudeln hier sind keine langen, dünnen Teigfäden, wie wir sie aus Italien und China kennen, sondern mit Topfen und Minze gefüllte ovale Taschen mit gekrendeltem Rand. (Als Krendeln wird das Abdichten durch zackenartiges Zusammendrücken der gegeneinander liegenden Teigränder beschrieben.) Hier gilt immer noch: „A Dirndl, dås nit krendeln kån, kriegt kan Månn“.

*

Sehnsüchtig erwarten wir Laura, wollen mitnaschen an ihrer Aufregung und ihrem Glück.
„Keine Details, welches Stück?“, fragt Susanne, dabei hätte ich durchaus Interesse an Details.
„Ja, wir haben es getan“, sagt Laura. „Zuerst waren wir eine Stunde im Kaffeehaus quatschen, um uns wieder anzunähern, und dann sind wir in mein Zimmer.“
So lass uns doch nicht so zappeln, Mädel!
„Auf einer Skala von 1 bis 10, wie war er?“
Laura muss nicht lange nachdenken. „Minus 1“, sagt sie. Die türkisblauen Augen haben sich als schlammtrüb entpuppt. „Rein, hin und her, er ist gekommen, dann hatte er plötzlich keine Zeit mehr und ist unter die Dusche. Grad als ich endlich ein bisschen geil geworden bin. Als er weg war, musste ich aufpassen, nicht den nächstbesten Kerl in mein Bett zu zerren.“
„Arschloch!“, sage ich, „das geht ja gar nicht. Er hätte auch dafür sorgen können, dass du kommst und dann keine Zeit mehr haben.“

Ich umarme Laura mitfühlend und tröstend. Ich weiß nicht was ich sagen soll. Als mein Blick auf den wöchentlichen Kurnewsletter fällt, lese ich einfach das Zitat ab: „Erfahrung ist nicht das, was mit einem Menschen geschieht, sondern das, was er daraus macht... Aldous Huxley“, füge ich noch hinzu.
„Boahh, bist du klug", bewundert Heike meine Fülle an Weisheit. Das ist das Gute an solchen Zitaten, man kann sie für jede Lebenslage anwenden. Laura aber braucht keinen Trost. „Wisst ihr, was das Schöne daran ist?“
Zwei geschüttelte Köpfe.
„Das Schönste daran ist, dass ich überhaupt kein schlechtes Gewissen hab.“
„Und wenn es nicht minus eins, sondern ein Sechser oder gar ein Zehner gewesen wäre?“
„Da ginge es mir jetzt total schlecht, ich hätte Schuldgefühle und würde alles in Frage stellen, mein Leben und meine Beziehung und ich würde mir überlegen, es meinem Freund zu beichten. Aber diese Lächerlichkeit von Sex ist nicht beichtenswert.“

Darüber muss ich noch sinnieren.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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