Sex and the Country

Donnerstag, 27. August 2009

Sex and the Country 5

C. macht grad eine Ausbildung, C. macht - wie in der ersten Folge von Sex & the Country bereits erwähnt - ständig eine Ausbildung, meistens für Berufe, in denen sie aufgrund von körperlichen Mängeln wie Kurzsichtigkeit oder chronischen Rückenschmerzen nicht arbeiten kann. Aber das macht nichts, denn danach lässt sie sich einfach vom Arbeitsamt umschulen.
Diesmal zum Beispiel zur Altenpflegerin. In die Lebens- und Gedankenwelt von alten Menschen kann sie sich gut einfühlen, denn ihre Patienten und Patientinnen sind – wie sie – fast blind und leiden unter chronischen Kopf-, Rücken- und sonstigen Schmerzen. Beste Voraussetzungen also.

Diese Woche macht C. ein Praktikum.

„Guten Tag, Frau Friedrich“, sagt sie. „Sie haben doch nichts dagegen, dass ich Sie für heute ein bisschen schön mache?“
Frau Friedrich hat nichts dagegen, deshalb beginnt C. behutsam, ihr schütteres Haar zu bürsten und daraus einen Zopf zu flechten. „Sie sind ja ganz blass“, stellt sie fest und greift zu Make-up und Rouge, „ich werde Sie schminken, damit die Kinder zufrieden sind.“ Sogar, Wimperntusche, Lippenstift und türkisblauen Lidschatten trägt sie auf, es ist schließlich ein besonderer Tag.
Wahrscheinlich wird die Tochter trotzdem meckern, denkt C., und ein paar Krokodilstränen vergießen, aber das sagt sie nicht laut, obwohl sie natürlich weiß, dass Frau Friedrich sie nicht hören kann. Und der Sohn – ein arbeitsloser Herr Doktor der Philosophie – wartet bestimmt schon auf das Zahngold, denkt sie weiter.
C. wäscht Frau Friedrichs zerfurchten Körper und rasiert ihr die Achselhaare und Beine. Darauf hat die alte Dame immer viel Wert gelegt.
Sie schneidet ihr die Finger- und Zehennägel und zieht ihr ein dunkelrotes Samtkleid über den Kopf. „Oh. Entschuldigung“, murmelt C., als sie bemerkt, dass sie die Frau etwas unsanft angefasst hat. Sie lächelt, „so machen Sie sich doch nicht gar so steif.“ Frau Friedrich schweigt.

„Herr Rudi?“, fragt sie Ihren Vorgesetzten, „könnten Sie mir vielleicht beim Umbetten helfen. Ich schaff das nicht alleine, wegen dem Kreuz.“
Herr Rudi hilft, trotzdem stößt C. mit dem Ellbogen gegen das schwere Möbelstück. „Au! Scheiße“, vergisst sie die anderen Anwesenden und die guten Manieren und lässt Frau Friedrich beinahe fallen.
„Birnenholz“, sagt Herr Rudi in einer Mischung aus Mitleid für C. und Bewunderung für den Sarg, „ein ziemlich hartes Holz. Und ziemlich teuer.“
Die Anarchistin in C. kriecht aus ihren Schlupflöchern. „Scheiß reiches Pack, verdammtes. Als ob es ein Fichtensarg zum Verbrennen nicht getan hätte.“
Herr Rudi nickt verständnisvoll. „Sicher“, sagt er, „ist aber gut fürs Geschäft.“
Schweigend arbeiten sie weiter. C. legt der Toten den Schmuck um und eine riesige Sonnenblume in die Hände. Die Lieblingsblume von Frau Friedrich, das weiß sie aus dem Heim.
„Wissen Sie, was mich beruhigt, Herr Rudi?“
„Nein.“ Herr Rudi ist kein Schwätzer. Das mag C. so an ihm.
„Dass im Tod alle gleich sind. Zumindest gleich blass, gleich steif und gleich tot. Trotz Birnensarg und kiloweise Gold im Mund.“

C. gefällt es an ihrer Praktikumsstelle. Sie mag die Menschen dort, den Frieden im Gesicht des lebendigen Herrn Rudi und den im Gesicht der toten Leichen. (Nun gut, der Alkoholiker, den man erst nach vierzehn sommerlich-heißen Tagen gefunden hatte, der roch nicht mehr so gut und auch der Friede war ihm abhandegekommen.)
Sie mag die Stille, die würdevolle Atmosphäre und die Achtung, die man den Toten entgegenbringt. Auch die Tatsache, dass die nicht schreien und fluchen, wenn sie gekämmt und gepflegt werden. Die einzige, die hier hin und wieder flucht, ist sie selbst.

Wenn Sie die Ausbildung zur Altenpflegerin abgeschlossen hat, wird sie sich umschulen lassen. Sie weiß auch schon, wozu. Zur Bestattungsunternehmerin.

Freitag, 21. August 2009

Sex and the Country 4

„Stell dir vor, ich bin geflogen“, sagt B. zu C.
„Scheiße.“ C. zieht an der Zigarette. „Hast du Geld unterschlagen? Hat es sich wenigstens gelohnt?“ Sie hält die Hand auf.
„Nicht so geflogen. Ich bin ja noch im Urlaub. Da kann man kein Geld unterschlagen. Richtig geflogen. Ich hab das Weinviertel von oben gesehen, voll idyllisch. Den Hofer, das Kalkwerk, mein Auto, meinen Garten mit den Holzhaufen.“
„Ich träum auch öfter vom Fliegen. Ist geil, oder?“

Rückblende:

„Hast du Lust zu fliegen?“, fragt Ch.
„Au ja. West Samoa?“
„Na ja, ich dachte eher an Stockerau“, macht Ch. die große Seifenblase kaputt und bläst eine neue, kleinere. „Weißt du, der Typ mit dem Mercedes, er bumst nicht nur gut, er hat auch einen Pilotenschein. Und er lädt uns zum Fliegen ein.“
„Bist du sicher, dass er Fliegen nicht mit Vögeln verwechselt? Weil Vögel fliegen ja..."
"Also, fliegst du mit?"
"Nur, wenn ihr versprecht, im Flieger nicht zu vögeln.“
B. verkleidet sich auf mondän, ganz in weiß und schminkt sich. „Ich will wenigstens im Tod so richtig schön sein.“ Ihren Sohn, der überhaupt noch nie geflogen ist, nimmt sie mit.
Der Mercedes hält vor dem Häuschen. Die Beifahrerseite ist völlig zerkratzt. In B. regt sich ehrliches Mitleid. Zum Glück hat ihren Lupo niemand so zugerichtet. „Oh je. Wann ist das denn passiert?“
„Vor zehn Wochen“, sagt der Mercedes-Fahrer und tröstet B., "es ist nur ein Auto." Er trägt Jeans. Anscheinend ist ihm nicht wichtig, dass er im Tod so richtig gut aussieht.
B. rechnet nach. Shit. Anfang Juni war C. da. Und C. liebt die Anarchie und hasst scheißprotzige Autos. Sie hasst auch Manolo Blahniks, wie die anderen Frauen aus Sex and the Country, die beschlossen haben zu verachten, was sie sich selbst nicht leisten können.
„Ist der Stern noch dran?“, fragt B.
„Ja.“
Sie atmet auf. Dann war es also nicht ihre Freundin C. Die hätte den Stern niemals drangelassen.

„Oh, wir fliegen mit einer Cessna?“ B. tut, als würde sie sich auskennen, als sie vor dem kleinen Flieger stehen. In Wahrheit ist die Cessna das einzige Flugzeug, das sie beim Namen kennt. Beinahe, denn sie verrät ihre Unwissenheit, indem sie Cessna wie Tschesna ausspricht anstatt wie es sich gehört Tsesna.
Ch. schweigt nobel, ebenfalls in Weiß, und zündet sich vor dem Einsteigen eine Zigarette an.

Es explodiert.
Oder besser: Er explodiert. Der Mercedesfahrer.
Trotzdem hebt er mit ihnen ab, schließlich stehen die Frauen aus Sex and the Country für die gelungenen Mischung aus Horror und Humor, Spaß und Schrecken, Leid und Leidenschaft. Und schließlich will er mit einer von ihnen - der neben ihm - heute noch vögeln. Im Mercedes, vielleicht.

Unter B. das malerische Weinviertel. Neben ihr der kotzende Sohn, der lieber in einem der Mähdrescher da unten säße.
B. blickt neidisch auf die vielen Swimmingpools in ihrem Ort. „Unglaublich“, schnaubt sie, „sogar die Schmieds, die Maiers und die Müllers haben eins. Nur wir haben keins.“ B. hasst protzige Swimmingpools, selbstverständlich.
Der Mercedesfahrer hält die Knüppel der Maschine und freut sich am Fliegen. Ch. hält den Mund und freut sich auf seinen Knüppel. Der sohn hält den Kopf in die Tüte und freut sich auf festen Boden unter seinen Füßen. B. hält die Kotztüte und freut sich am Leben.
Unter ihnen Burgen und Schlösser mit Burghöfen und Schlossgärten. „Kotz da hinunter“, sagt die B. zu ihrem Sohn, „die gehören den Reichen und Mächtigen.“

„Was tun wir eigentlich, wenn wir uns verirren?“ B. ist besorgt. Die Kotztüten neigen sich dem Ende. Hoffentlich der Mageninhalt des Sohnes auch.
„Entweder die Raiffeisen- oder die Billa-Methode“, sagt der Cessna-Flieger-Mercedes-Fahrer trocken.
„Und die wäre?“
Bei der Raiffeisenmethode fliegen wir runter zum nächsten Lagerhaus und schauen, was draufsteht.“ Beim Wort Lagerhaus blickt der Sohn kurz auf, widmet sich dann aber wieder seiner Hauptaufgabe des Fluges.
„Und bei der Billa-Methode?“
„Da fliegen wir noch ein bisschen tiefer und schauen, was auf den Billa-Sackerln steht.“

B. ist nicht wirklich beruhigt.
„Schau“, tröstet der Pilot sie und telefoniert zum wiederholten Mal mit Charly. Charly dürfte sein Freund sein. „Es gibt schlechte Landungen, gute und sehr gute. Bei der schlechten überlebt niemand, bei der guten kommen die Insassen mit dem Schrecken davon und bei der sehr guten kann man die Maschine noch einmal fliegen.“

Montag, 29. Juni 2009

Sex and the Country 3

„Du hast vergessen, den Slip anzuziehen“, sagt B. zu Ch., die sich nervös auf ein Date vorbereitet und wie ein Mantra vor sich hersagt: Ich verliebe mich nicht. Ich verliebe mich nicht. Nicht beim Ficken. Auch sonst nicht.
„Und ungeschminkt bist du auch noch.“
„Schminken brauch ich mich heute nicht, der Typ nimmt beim Küssen immer die Brille ab und da sieht er mich ohnehin nur verschwommen und verschmiert mir den billigen Lippenstift“.
„Verstehe“, versteht B. „Außerdem kannst du dann vielleicht mit dem Geld, das du bei der Unterwäsche und beim Make-up sparst, die Telefonrechnung zahlen.“
„Schau ich cool aus?“, will Ch. wissen, „cool und souverän? Wie eine Frau, die sich beim Ficken nicht verliebt?“
„Sicher. In etwa so cool wie ein tropischer Sommerregen.“

Ich empfinde nichts für ihn. Ich verliebe mich nicht. Ich fühle nichts für ihn. Ich verliebe mich nicht ihn, murmelt Ch. auf dem Weg zu seinem Mercedes. Noch weiß sie nicht, in welche Schublade sie ihn stecken soll. Bindungsängste? Eine verflochtene Mutterbeziehung? Hochstapler? Macho?
Mehrfachantworten möglich.

„Vorne oder hinten?“, fragt er vor der Kür, nachdem sie die Pflicht (ein Loblied auf den romantischen Sonnenuntergang, den schönen Ausblick – noch trägt er die Brille - und die fruchtbaren Weinreben) hinter sich gebracht haben.
„Vielleicht erst mal ganz normal von vorne“, grinst sie und klettert nach hinten.

Ich bin nicht verliebt, murmelt sie zwischen den brillenlosen Küssen. Kein bisschen bin ich verliebt. Ich will dich nicht binden.
Wilde Küsse, verschlungene und verdrehte Beine, Anfangsschwierigkeiten. Kichern. Stöhnen.
Und schließlich – weil die Drama Queen das Drama liebt - die Katastrophe.

Socken. Er hat die Socken angelassen. „Ich hasse Männer mit Socken im Bett“, kreischt sie und wird ohnmächtig.
„Das ist ein Mercedes“, korrigiert er und schüttelt den Kopf, „kein Bett.“



*

Viele feine Damen. Viele feine Cocktails. Feine Häppchen. Alles gratis. Mittendrin B., wie ein Kürbis, der sich in einem Erdbeerfeld verirrt hat. Sie stopft sich ein paar Brötchen in die Handtasche, für die Kinder.
„Caipirinha, Tequila Sunrise, Pina Colada?“
B. nimmt dem hübschen Ober das schwere Tablett ab. „Ja. Ich nehm sie alle drei.“

„Kennen wir uns nicht von der Golf-Charity“, beginnt eine der seidenen Damen das schmale Gespräch. Die Damen sind nicht nur fein, sie sind auch gut.
B. sieht zwar den aufgelegten Elfmeter, zielt aber absichtlich und aus Diskretion am Tor vorbei und verkneift sich die Antwort „sicher nicht, ich habe noch Sex“. Stattdessen sagt sie: „Ich fürchte nicht, ich fahre zwar einen VW, aber keinen Golf, sondern einen Lupo.“

B. stellt sich mal an den einen, mal an den anderen Stehtisch und versucht, sich in die Unterhaltungen zu verwickeln. Sie verwickelt sich wie immer nur in Widersprüche.
„Mein Mann und ich haben uns beim Schilaufen in der Schweiz kennengelernt“, erzählt eine feine Dame und auch B. schildert aus ihrem Liebesleben. „Mein Mann und ich haben uns im Gefängnis kennengelernt“, erzählt sie die Wahrheit, die niemand hören will. Leise zählt B. mit. Das war das fünfzehnte Fettnäpfchen. Bei dreiundzwanzig wird sie nach Hause gehen.

„Netzwerken“ nennt man diese inhaltsleeren Gespräche hier, und weil B. gern eine berühmte Schriftstellerin werden möchte, versucht sie anzuknüpfen. Aber ihre zusammengestückelten, verfilzten Fäden passen nicht zu dem feinen Garn der anderen Knüpferinnen. Sie sehnt sich nach C., nach den D’s, nach Ch., nach ihren White-Trash-Freundinnen der Lower Class. Die wissen, wie es sich anfühlt, wenn man Angst haben muss, dass einem der Strom abgedreht wird.

Es ist schwül hier drin, die teuren Parfums der teuren Damen vermischen sich mit dem Duft von Lavendel und Rosen.
B. will ein Papiertaschentuch aus der recycelten Handtasche ziehen, um sich kultiviert die Stirn abzutupfen und erwischt irrtümlich die Serviette mit den Lachs-Ei-Brötchen.
Dreiundzwanzig. Und tschüs.


„Scheiß dich nicht an“, sagt D1 später zu B. „Wenn ich in ein reinliches Haus komm, hab ich auch Angst, ich könnte es allein mit meinem Lachen verschmutzen.“
Dazu lacht sie dreckig, und ein paar Sonnenstrahlen schwindeln sich in B’s Küche.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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loving it :-)
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