26. Tag - Markttag
Heute ist Markttag. Also schlendere ich langsam die Fußgängerzone hinunter zum Marktplatz.
Am Jahrmarkt meiner Eitelkeiten bleibe ich stehen und bewundere, wie eine von ihnen mit bunten Bällen jongliert. Mit zwei Bällen, einem roten und einem blauen. Allerhand. Hin und wieder fällt einer der zwei Bälle zu Boden. Das kann passieren, sagt die Jongleurin schnippisch und schupft munter weiter. Ich applaudiere frenetisch und denke darüber nach, warum man sonst nichts im Leben frenetisch macht außer so zu applaudieren. Die andere Eitelkeit steht auf einer Bühne, verbeugt sich theatralisch und trägt ein Gedicht vor. Ein schlechtes Gedicht, aber sie blickt derart überzeugt in die Menge, dass niemand sich traut, ihr das zu sagen. Ich schaue flehend in den Himmel und hoffe, dass irgendjemand diese peinlichen Vorführungen unterbindet. Der Regen zum Beispiel.
Unten an der Ecke kehre ich in die kleine Geheimniskrämerei ein. In dem dunklen und engen Laden haben sich Staub und Spinnweben breit gemacht und es riecht muffig. Tausend Tiegel stehen herum, mit tausend kleinen Geheimnissen, die längst niemanden mehr interessieren.
„Wo sind die großen, wichtigen, spannenden?“, frage ich und meine Blicke suchen die Bude nach den sperrigen Teekisten ab, die früher hier in der Ecke standen. In einer Kiste waren die schönen, in der anderen die gefährlichen Geheimnisse. Fest verschlossen war diese Kiste, und gut bewacht.
„Ach, die wurden schon vor längerer Zeit abgeholt. Wir können keine großen Geheimnisse bei uns behalten. Erstens sind sie zu schwer, ich bin eine alte Frau und kann sie nicht mehr tragen. Außerdem sind nicht sicher hier. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, was auf dem Markt getratscht wird. Und geklaut. Die klauen sogar Geheimnisse.“
Wieder draußen, am Obst- und Gemüsestand tausche ich Meinungen aus und möchte abgetragenen Klatsch und Tratsch kaufen, doch meine Geschwätzigkeit und Redseligkeit lassen mich nicht zu Wort kommen. "Haltet doch endlich die Klappe", sage ich, als ich den Gestank rieche. Oder stinkt man den Gestank und riecht nur den Geruch? Egal. Es stinkt.
Ist etwas faul in mir?, schnuppere ich an meiner Bluse. Bin ich in den vergangenen Jahren nicht gereift, sondern verdorben? Ist meine Seele endgültig verloren?
„Ach, machen Sie sich keine Sorgen, das kommt nur aus der Gerüchteküche“, beruhigt mich die Marktfrau, „heute kocht der Verrat. Er bricht das Vertrauen und mischt Lügen dazu.“ Angewidert halte ich mir die Nase zu, schleiche aber langsam in die Richtung, aus der mir der Geruch entgegenschlägt. Ich schäme mich für meine Neugierde und presse ein Ohr gegen die dünne Holzwand.
Sie reden über mich. Ich habe es geahnt. Schade, dass man nicht zwei Ohren gleichzeitig an eine Wand pressen kann, denke ich, denn ich verstehe nur ein paar Brocken: „... schon gehört? ... die Barbara ... und der ... nicht weitersagen - großes Geheimnis ... so was von ... pervers ...“
Widerlich. Klatsch ist wirklich widerlich, vor allem, wenn er mich betrifft. Ich spucke auf den Boden.
Kehre zurück zu meinen Eitelkeiten. Die eine hat den blauen Ball zur Seite gelegt und spielt selbstverliebt mit dem roten. Der anderen fällt kein Gedicht mehr ein, aber sie verbeugt sich trotzdem ständig.
Sie sind harmlos, denke ich, als ich sie eine Weile beobachte. Tollpatschig, lieb irgendwie und harmlos. Nicht so hinterhältig wie der Verrat.
Ich kaufe noch eine Ansichtskarte und spaziere zum Bahnhof. Dort geht meine Reise morgen weiter. Nur noch vier Tage, denke ich und das Heimweh vermischt sich mit Wehmütigkeit, dass die Reise bald zu Ende ist.
Ich hoffe, ihr kriegt die Karte, bevor ich zu Hause bin.
Was ich euch jetzt sage, ist nämlich wichtig.
Passt gut auf eure Geheimnisse auf.
Am Jahrmarkt meiner Eitelkeiten bleibe ich stehen und bewundere, wie eine von ihnen mit bunten Bällen jongliert. Mit zwei Bällen, einem roten und einem blauen. Allerhand. Hin und wieder fällt einer der zwei Bälle zu Boden. Das kann passieren, sagt die Jongleurin schnippisch und schupft munter weiter. Ich applaudiere frenetisch und denke darüber nach, warum man sonst nichts im Leben frenetisch macht außer so zu applaudieren. Die andere Eitelkeit steht auf einer Bühne, verbeugt sich theatralisch und trägt ein Gedicht vor. Ein schlechtes Gedicht, aber sie blickt derart überzeugt in die Menge, dass niemand sich traut, ihr das zu sagen. Ich schaue flehend in den Himmel und hoffe, dass irgendjemand diese peinlichen Vorführungen unterbindet. Der Regen zum Beispiel.
Unten an der Ecke kehre ich in die kleine Geheimniskrämerei ein. In dem dunklen und engen Laden haben sich Staub und Spinnweben breit gemacht und es riecht muffig. Tausend Tiegel stehen herum, mit tausend kleinen Geheimnissen, die längst niemanden mehr interessieren.
„Wo sind die großen, wichtigen, spannenden?“, frage ich und meine Blicke suchen die Bude nach den sperrigen Teekisten ab, die früher hier in der Ecke standen. In einer Kiste waren die schönen, in der anderen die gefährlichen Geheimnisse. Fest verschlossen war diese Kiste, und gut bewacht.
„Ach, die wurden schon vor längerer Zeit abgeholt. Wir können keine großen Geheimnisse bei uns behalten. Erstens sind sie zu schwer, ich bin eine alte Frau und kann sie nicht mehr tragen. Außerdem sind nicht sicher hier. Sie können sich ja gar nicht vorstellen, was auf dem Markt getratscht wird. Und geklaut. Die klauen sogar Geheimnisse.“
Wieder draußen, am Obst- und Gemüsestand tausche ich Meinungen aus und möchte abgetragenen Klatsch und Tratsch kaufen, doch meine Geschwätzigkeit und Redseligkeit lassen mich nicht zu Wort kommen. "Haltet doch endlich die Klappe", sage ich, als ich den Gestank rieche. Oder stinkt man den Gestank und riecht nur den Geruch? Egal. Es stinkt.
Ist etwas faul in mir?, schnuppere ich an meiner Bluse. Bin ich in den vergangenen Jahren nicht gereift, sondern verdorben? Ist meine Seele endgültig verloren?
„Ach, machen Sie sich keine Sorgen, das kommt nur aus der Gerüchteküche“, beruhigt mich die Marktfrau, „heute kocht der Verrat. Er bricht das Vertrauen und mischt Lügen dazu.“ Angewidert halte ich mir die Nase zu, schleiche aber langsam in die Richtung, aus der mir der Geruch entgegenschlägt. Ich schäme mich für meine Neugierde und presse ein Ohr gegen die dünne Holzwand.
Sie reden über mich. Ich habe es geahnt. Schade, dass man nicht zwei Ohren gleichzeitig an eine Wand pressen kann, denke ich, denn ich verstehe nur ein paar Brocken: „... schon gehört? ... die Barbara ... und der ... nicht weitersagen - großes Geheimnis ... so was von ... pervers ...“
Widerlich. Klatsch ist wirklich widerlich, vor allem, wenn er mich betrifft. Ich spucke auf den Boden.
Kehre zurück zu meinen Eitelkeiten. Die eine hat den blauen Ball zur Seite gelegt und spielt selbstverliebt mit dem roten. Der anderen fällt kein Gedicht mehr ein, aber sie verbeugt sich trotzdem ständig.
Sie sind harmlos, denke ich, als ich sie eine Weile beobachte. Tollpatschig, lieb irgendwie und harmlos. Nicht so hinterhältig wie der Verrat.
Ich kaufe noch eine Ansichtskarte und spaziere zum Bahnhof. Dort geht meine Reise morgen weiter. Nur noch vier Tage, denke ich und das Heimweh vermischt sich mit Wehmütigkeit, dass die Reise bald zu Ende ist.
Ich hoffe, ihr kriegt die Karte, bevor ich zu Hause bin.
Was ich euch jetzt sage, ist nämlich wichtig.
Passt gut auf eure Geheimnisse auf.
testsiegerin - 29. Mai, 23:19