An meine Freundin
„Manisch-depressiv“ lautet die Diagnose und zum Glück gilt sie nicht mir. Ich bin höchstens „damisch-menstruativ“, periodisch. Zum Pech gilt sie dir, vielleicht ist das aber gar kein Pech.
„Glaubst du auch, dass ich manisch-depressiv bin?“, fragst du.
„Ja.“
„Seit wann?“
„Wie lange kennen wir uns schon?“
Nimm bitte diese verdammten Pulverl, denke ich mir. Oder hab ich es laut gesagt? Nein, es geht mir nicht nur um dich. Auch um mich. Ich will dich nicht mehr so leiden sehen. Und ich will nicht mehr sehen, wie du regelmäßig abhebst und dir die Flügel brichst.
Du hast Angst, dass du nicht mehr kreativ arbeiten kannst, wenn sie dir mit den Medikamenten die Spitzen und die Tiefen wegsägen.
„Und jetzt, jetzt kannst du arbeiten?“, will ich wissen, „jetzt, wo du es nur mit Mühe schaffst, das Bett zu verlassen und Brot und Butter zu kaufen?“
Ich kann Beruf und Freundschaft gut trennen, normalerweise. Jetzt nicht. Jetzt brauchst du nicht nur eine Freundin, die dir zuhört und dich versteht, jetzt brauchst du Hilfe. Ich riskiere unsere Freundschaft, überschreite Grenzen, nehme dich an der Hand und begleite dich zur Ärztin. Es ist mehr ein Schleppen als ein Begleiten, wenn ich ehrlich bin.
Manisch-depressiv. Ein Stempel. Aber mehr Stempel als „völlig durchgeknallt“? Mehr Stempel als himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt? Rennen wir nicht alle mit unseren Stempeln durchs Leben?
„Hab keine Angst“, sage ich, obwohl ich weiß, dass du große Angst hast. Ich ja auch. Die Medikamente heilen dich nicht. Sie nehmen dir deine Schluchten nicht. Sie sorgen nur dafür, dass da unten eine Matte liegt, die deinen Sturz ein bisschen abfedert. Und dass eine Leiter an der Wand lehnt, die du benutzen kannst oder auch nicht. Die Tabletten nehmen dir auch die Gipfel und die dünne Luft da oben nicht. Sie geben dir nur Halt. Vielleicht verhindern sie, dass du abhebst und sorgen dafür, dass du wieder sicher ins Tal kommst.
Du schämst dich. Würdest du dich auch schämen, wenn du Diabetes hättest? Würdest du ernsthaft überlegen, ob es sinnvoll ist, den Blutzuckerspiegel zu messen und Diät zu halten?
Beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass es für mich nicht anders wäre? Dass ich mich schämen würde, dass ich das Gefühl hätte, versagt zu haben, es alleine nicht zu schaffen? Dass ich Panik hätte davor, dass die Medikamente mich verändern. Und gleichzeitig die Sehnsucht, dass sie genau das tun?
Du kannst wieder schlafen, erzählst du mir. Seit du regelmäßig die Tabletten nimmst. Ich weiß, welche Überwindung das für dich bedeutet. Du kannst wieder arbeiten, sagst du und lädst mich zu deiner Ausstellung ein.
Dein schönstes Werk schenkst du mir.
Danke. Dafür. Und für alles.
Auch dafür, dass ich noch immer deine Freundin sein darf.
„Glaubst du auch, dass ich manisch-depressiv bin?“, fragst du.
„Ja.“
„Seit wann?“
„Wie lange kennen wir uns schon?“
Nimm bitte diese verdammten Pulverl, denke ich mir. Oder hab ich es laut gesagt? Nein, es geht mir nicht nur um dich. Auch um mich. Ich will dich nicht mehr so leiden sehen. Und ich will nicht mehr sehen, wie du regelmäßig abhebst und dir die Flügel brichst.
Du hast Angst, dass du nicht mehr kreativ arbeiten kannst, wenn sie dir mit den Medikamenten die Spitzen und die Tiefen wegsägen.
„Und jetzt, jetzt kannst du arbeiten?“, will ich wissen, „jetzt, wo du es nur mit Mühe schaffst, das Bett zu verlassen und Brot und Butter zu kaufen?“
Ich kann Beruf und Freundschaft gut trennen, normalerweise. Jetzt nicht. Jetzt brauchst du nicht nur eine Freundin, die dir zuhört und dich versteht, jetzt brauchst du Hilfe. Ich riskiere unsere Freundschaft, überschreite Grenzen, nehme dich an der Hand und begleite dich zur Ärztin. Es ist mehr ein Schleppen als ein Begleiten, wenn ich ehrlich bin.
Manisch-depressiv. Ein Stempel. Aber mehr Stempel als „völlig durchgeknallt“? Mehr Stempel als himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt? Rennen wir nicht alle mit unseren Stempeln durchs Leben?
„Hab keine Angst“, sage ich, obwohl ich weiß, dass du große Angst hast. Ich ja auch. Die Medikamente heilen dich nicht. Sie nehmen dir deine Schluchten nicht. Sie sorgen nur dafür, dass da unten eine Matte liegt, die deinen Sturz ein bisschen abfedert. Und dass eine Leiter an der Wand lehnt, die du benutzen kannst oder auch nicht. Die Tabletten nehmen dir auch die Gipfel und die dünne Luft da oben nicht. Sie geben dir nur Halt. Vielleicht verhindern sie, dass du abhebst und sorgen dafür, dass du wieder sicher ins Tal kommst.
Du schämst dich. Würdest du dich auch schämen, wenn du Diabetes hättest? Würdest du ernsthaft überlegen, ob es sinnvoll ist, den Blutzuckerspiegel zu messen und Diät zu halten?
Beruhigt es dich, wenn ich dir sage, dass es für mich nicht anders wäre? Dass ich mich schämen würde, dass ich das Gefühl hätte, versagt zu haben, es alleine nicht zu schaffen? Dass ich Panik hätte davor, dass die Medikamente mich verändern. Und gleichzeitig die Sehnsucht, dass sie genau das tun?
Du kannst wieder schlafen, erzählst du mir. Seit du regelmäßig die Tabletten nimmst. Ich weiß, welche Überwindung das für dich bedeutet. Du kannst wieder arbeiten, sagst du und lädst mich zu deiner Ausstellung ein.
Dein schönstes Werk schenkst du mir.
Danke. Dafür. Und für alles.
Auch dafür, dass ich noch immer deine Freundin sein darf.
testsiegerin - 14. Dez, 23:25