Jagen, sammeln und picken
Ganz Europa jagt, sammelt und pickt.
Kleine und große Menschen kaufen kleine Päckchen mit Bildern von großen Stadien und kleinen und großen Fußballspielern.
Die einen sammeln spar- und langsam. Sie gönnen sich hin und wieder eines dieser Päckchen, öffnen es behutsam und freuen sich über Ballack, Milan Baros oder die französische Mannschaft. Sie blättern im Album nach der richtigen, noch leeren Stelle und kleben das Bildchen sorgsam ein. Sie seufzen still, wenn ihnen beim Öffnen der dritte Stranzl entgegenlächelt. Vielleicht ist Henri ja morgen dabei. Oder übermorgen.
Andere wieder kaufen die Sticker stapelweise, überlegen sich ein eigenes Sortiersystem und wickeln die Angelegenheit ausgesprochen professionell ab.
Weil ganz Europa jagt, sammelt und pickt, jage, sammle und picke auch ich.
Erfahrungen, Eindrücke, Bilder und Gefühle klebe ich in mein Album. Ich reiße die Päckchen gierig auf, denn ich kann es nicht erwarten, von meinen Emotionen überrascht zu werden.
Die Mannschaft Das erste Mal ist schon ziemlich voll, der erste Kuss klebt neben dem ersten Schultag und unter dem ersten Toten, den ich gesehen hab. Sie spielen im Stadion Erinnerungen. Das erste Mal Sex hab ich doppelt, weil ich mich nicht entscheiden konnte, welches der beiden erste Male das richtige erste Mal war. Das schönere, hab ich beschlossen, aber wegwerfen kann ich die Erinnerung ans nicht so schöne erste Mal auch nicht.
Die Erinnerung an die erste Geburt nimmt viel Platz ein, wesentlich mehr als die erste eigene Wohnung oder das erste selbstverdiente Geld. Irgendwie bin ich beruhigt, dass noch nicht alle ersten Male belegt sind. Welche wohl noch auf mich zukommen?
Das Team Schuldgefühle und Ängste ist mein Angstgegner. Vielleicht, weil die Mannschaft aus so vielen gefährlichen und unberechenbaren Spielern besteht. Sie spielen oft foul und unbarmherzig, es ist ihnen völlig egal, ob sie ihren Gegenspieler verletzen. Einer neben dem anderen grinst aus dem Album. Angst vor Verlust, Angst vor Versagen, Angst vor dem Tod. Das schlechte Gewissen, fett und trotzdem durchtrainiert. Das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein. Das Gefühl, den anderen und mir selbst nicht gerecht zu werden. Angst vor Versagen. Sie alle picken da Schulter an Schulter. Neben der Existenzangst. Die hab ich schon viermal. Ich würd sie gern eintauschen, drei Existenzängste gegen eine Lust und eine Liebe, aber niemand will tauschen. Die Angst ist nicht so viel wert, mit ihr verhält es sich wie mit den österreichischen Spielern für die ausländischen Sammler.
Es bereitet mir Unbehagen, dass diese Seite noch immer nicht voll ist. Wann ist genug endlich genug?
Ich blättere um und streiche zärtlich über das Team Hoffnungen und Träume. Ein bunt zusammengewürfeltes Team, das zwar mit viel Spaß und Fantasie, aber ohne Trainer und reichlich unkoordiniert spielt. Seine Chance, das Tournier zu gewinnen, ist gleich Null. Ich mag diese Mannschaft trotzdem und verliere mich im Anblick der Spieler, die das Spiel genießen, ohne an den Sieg zu denken.
Man kann die Sticker auch einzeln kaufen, meint ein Pragmatiker, dann erspart man sich das mühsame Tauschen.
Ich lächle geduldig, dabei hab ich die Geduld noch immer nicht. Sie spielt für die Tugenden und die haben sich nicht qualifiziert.
Meine Lieblingsmannschaft hab ich mir für den Schluss aufgehoben. Das Album wird nur wertvoll, wenn man nicht schief klebt, hat meine Freundin gesagt. Vorsichtig ziehe ich die Folie ab und klebe die Zuversicht konzentriert neben das Lachen. Die Lust am Leben neben die Liebe.
Ob ich eine von denen doppelt habe, will jemand wissen. Erst schüttle ich den Kopf und horte die wertvollen Torschützen in der Schachtel mit dem Optimismus, aber dann schenke ich die überzähligen Glücksmomente einfach her. Hier – ein bisschen Genuss für dich. Und da – Lustschreie für dich. Wir könnten sie ja auch gemeinsam... Darf ich Ihnen ein Lächeln schenken?
Herschenken gilt nicht, schreit einer der fundamentalisitschen Sammler, das ist geschummelt, nur tauschen gilt. Er bietet mir wahlweise Neid oder Eifersucht an. Aber die hab ich doch schon, sage ich, die spielen im Sturm der Mannschaft Hass und Hässlichkeit.
Außerdem will das Leben manchmal beschummelt sein für ein schönes Spiel.
Ziemlich abgegriffen ist es schon, mein Album. Den Schutzumschlag lehne ich trotzdem ab.
Kleine und große Menschen kaufen kleine Päckchen mit Bildern von großen Stadien und kleinen und großen Fußballspielern.
Die einen sammeln spar- und langsam. Sie gönnen sich hin und wieder eines dieser Päckchen, öffnen es behutsam und freuen sich über Ballack, Milan Baros oder die französische Mannschaft. Sie blättern im Album nach der richtigen, noch leeren Stelle und kleben das Bildchen sorgsam ein. Sie seufzen still, wenn ihnen beim Öffnen der dritte Stranzl entgegenlächelt. Vielleicht ist Henri ja morgen dabei. Oder übermorgen.
Andere wieder kaufen die Sticker stapelweise, überlegen sich ein eigenes Sortiersystem und wickeln die Angelegenheit ausgesprochen professionell ab.
Weil ganz Europa jagt, sammelt und pickt, jage, sammle und picke auch ich.
Erfahrungen, Eindrücke, Bilder und Gefühle klebe ich in mein Album. Ich reiße die Päckchen gierig auf, denn ich kann es nicht erwarten, von meinen Emotionen überrascht zu werden.
Die Mannschaft Das erste Mal ist schon ziemlich voll, der erste Kuss klebt neben dem ersten Schultag und unter dem ersten Toten, den ich gesehen hab. Sie spielen im Stadion Erinnerungen. Das erste Mal Sex hab ich doppelt, weil ich mich nicht entscheiden konnte, welches der beiden erste Male das richtige erste Mal war. Das schönere, hab ich beschlossen, aber wegwerfen kann ich die Erinnerung ans nicht so schöne erste Mal auch nicht.
Die Erinnerung an die erste Geburt nimmt viel Platz ein, wesentlich mehr als die erste eigene Wohnung oder das erste selbstverdiente Geld. Irgendwie bin ich beruhigt, dass noch nicht alle ersten Male belegt sind. Welche wohl noch auf mich zukommen?
Das Team Schuldgefühle und Ängste ist mein Angstgegner. Vielleicht, weil die Mannschaft aus so vielen gefährlichen und unberechenbaren Spielern besteht. Sie spielen oft foul und unbarmherzig, es ist ihnen völlig egal, ob sie ihren Gegenspieler verletzen. Einer neben dem anderen grinst aus dem Album. Angst vor Verlust, Angst vor Versagen, Angst vor dem Tod. Das schlechte Gewissen, fett und trotzdem durchtrainiert. Das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein. Das Gefühl, den anderen und mir selbst nicht gerecht zu werden. Angst vor Versagen. Sie alle picken da Schulter an Schulter. Neben der Existenzangst. Die hab ich schon viermal. Ich würd sie gern eintauschen, drei Existenzängste gegen eine Lust und eine Liebe, aber niemand will tauschen. Die Angst ist nicht so viel wert, mit ihr verhält es sich wie mit den österreichischen Spielern für die ausländischen Sammler.
Es bereitet mir Unbehagen, dass diese Seite noch immer nicht voll ist. Wann ist genug endlich genug?
Ich blättere um und streiche zärtlich über das Team Hoffnungen und Träume. Ein bunt zusammengewürfeltes Team, das zwar mit viel Spaß und Fantasie, aber ohne Trainer und reichlich unkoordiniert spielt. Seine Chance, das Tournier zu gewinnen, ist gleich Null. Ich mag diese Mannschaft trotzdem und verliere mich im Anblick der Spieler, die das Spiel genießen, ohne an den Sieg zu denken.
Man kann die Sticker auch einzeln kaufen, meint ein Pragmatiker, dann erspart man sich das mühsame Tauschen.
Ich lächle geduldig, dabei hab ich die Geduld noch immer nicht. Sie spielt für die Tugenden und die haben sich nicht qualifiziert.
Meine Lieblingsmannschaft hab ich mir für den Schluss aufgehoben. Das Album wird nur wertvoll, wenn man nicht schief klebt, hat meine Freundin gesagt. Vorsichtig ziehe ich die Folie ab und klebe die Zuversicht konzentriert neben das Lachen. Die Lust am Leben neben die Liebe.
Ob ich eine von denen doppelt habe, will jemand wissen. Erst schüttle ich den Kopf und horte die wertvollen Torschützen in der Schachtel mit dem Optimismus, aber dann schenke ich die überzähligen Glücksmomente einfach her. Hier – ein bisschen Genuss für dich. Und da – Lustschreie für dich. Wir könnten sie ja auch gemeinsam... Darf ich Ihnen ein Lächeln schenken?
Herschenken gilt nicht, schreit einer der fundamentalisitschen Sammler, das ist geschummelt, nur tauschen gilt. Er bietet mir wahlweise Neid oder Eifersucht an. Aber die hab ich doch schon, sage ich, die spielen im Sturm der Mannschaft Hass und Hässlichkeit.
Außerdem will das Leben manchmal beschummelt sein für ein schönes Spiel.
Ziemlich abgegriffen ist es schon, mein Album. Den Schutzumschlag lehne ich trotzdem ab.
testsiegerin - 24. Apr, 20:32