Elfriede
„Haben Sie die WM verfolgt? War das geil, nicht wahr?“
Es war der Sommer 2006, es war in Berlin. Und es waren die ersten Worte, die Elfriede an mich gerichtet hat.
Die Worte an und für sich fand ich ja nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich fand ich nur, dass sie aus dem Mund einer damals 84-jährigen kamen.
Am Wochenende hab ich Elfriede wieder gesehen. Sie ist jetzt – bingo! – siebenundachtzig. Ihren Freund von damals hat sie immer noch. Aber vom Zusammenziehen hält sie nichts. „Da geht man sich nur auf die Nerven", sagt sie aus Erfahrung, und: "Ich brauch meine Freiheit, weißt du?" Ich weiß. Mittlerweile sind wir natürlich längst per Du, denn ich hab die Frau – und ich glaub, auch sie ein bisschen mich – ins Herz geschlossen. Sie lacht verschmitzt, sie weint, weil sie so gerührt ist über die Hochzeit ihres Enkelkindes, sie wirkt lebendiger als manch 20-jährige auf dem Fest.
Im Alter von siebzig hat sie den Führerschein gemacht, weil die Freiheit - Elfriede ist aus Thüringen, in der ehemaligen DDR - ihr so wichtig ist.
Nicht nur mit mir ist sie auf Du und Du, sondern auch mit der Technik. Digitalkamera? Aber natürlich. Mit Fotos auf Papier kann ja heutzutage keiner mehr was anfangen. Nur über die winzige Schrift in der Bedienungsanleitung hat sie sich geärgert.
Internet? Selbstverständlich. Dort hat sie ja ihren Freund kennengelernt, im Chat. Elfriede hat ein bisschen geschummelt und sich im Chatraum „70+“ registriert, dabei war sie damals schon über achtzig. Aber auch der „junge Mann“, den sie dort aufgerissen hat, hat geschummelt, er ist zwei Jahre älter als sie.
Für die Hochzeit ihres Enkelkindes, der ihr beinahe wie ein eigenes Kind war und bei ihr aufgewachsen ist, hat sie Fotos aus seiner Kindheit auf eine CD gebrannt und die CD schön bedruckt. „Da hab ich mir extra einen Brenner gekauft, der das kann“, erzählt sie, „weil wenn man die beklebt, das ist ja nicht so gut für die Scheiben. Und die alten Bilder hab ich eingescannt und im Photoshop bearbeitet.“
Es ist schon weit nach Mitternacht, als Elfriede sagt: „Weißt du, es ist ja nicht so, dass mir nix weh tut. Manchmal ist es ganz schön schlimm, wenn der Körper nicht mehr so will wie der Geist. Vor ein paar Wochen war ich in Polen, an der Ostsee, das war ziemlich anstrengend. Es gibt Momente, da wünsche ich mir, ich würde den körperlichen Verfall geistig nicht mehr so mitkriegen.“ Ich möchte Elfriede an mich drücken, und ich tu es auch. Sie hält meine Hand. „Andererseits würde ich auch nicht tauschen wollen. Und das Jammern, das bringt einen sowieso nicht weiter. Das macht alles nur noch schlimmer.“ (Elfriede, könntest du das bitte unserer Sekretärin erzählen?)
„Gibst du mir noch deine E-Mail-Adresse?“, fragt Elfriede zum Abschied und ich drücke sie noch mal an mich. Hoffentlich nicht das letzte Mal.
Es war der Sommer 2006, es war in Berlin. Und es waren die ersten Worte, die Elfriede an mich gerichtet hat.
Die Worte an und für sich fand ich ja nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich fand ich nur, dass sie aus dem Mund einer damals 84-jährigen kamen.
Am Wochenende hab ich Elfriede wieder gesehen. Sie ist jetzt – bingo! – siebenundachtzig. Ihren Freund von damals hat sie immer noch. Aber vom Zusammenziehen hält sie nichts. „Da geht man sich nur auf die Nerven", sagt sie aus Erfahrung, und: "Ich brauch meine Freiheit, weißt du?" Ich weiß. Mittlerweile sind wir natürlich längst per Du, denn ich hab die Frau – und ich glaub, auch sie ein bisschen mich – ins Herz geschlossen. Sie lacht verschmitzt, sie weint, weil sie so gerührt ist über die Hochzeit ihres Enkelkindes, sie wirkt lebendiger als manch 20-jährige auf dem Fest.
Im Alter von siebzig hat sie den Führerschein gemacht, weil die Freiheit - Elfriede ist aus Thüringen, in der ehemaligen DDR - ihr so wichtig ist.
Nicht nur mit mir ist sie auf Du und Du, sondern auch mit der Technik. Digitalkamera? Aber natürlich. Mit Fotos auf Papier kann ja heutzutage keiner mehr was anfangen. Nur über die winzige Schrift in der Bedienungsanleitung hat sie sich geärgert.
Internet? Selbstverständlich. Dort hat sie ja ihren Freund kennengelernt, im Chat. Elfriede hat ein bisschen geschummelt und sich im Chatraum „70+“ registriert, dabei war sie damals schon über achtzig. Aber auch der „junge Mann“, den sie dort aufgerissen hat, hat geschummelt, er ist zwei Jahre älter als sie.
Für die Hochzeit ihres Enkelkindes, der ihr beinahe wie ein eigenes Kind war und bei ihr aufgewachsen ist, hat sie Fotos aus seiner Kindheit auf eine CD gebrannt und die CD schön bedruckt. „Da hab ich mir extra einen Brenner gekauft, der das kann“, erzählt sie, „weil wenn man die beklebt, das ist ja nicht so gut für die Scheiben. Und die alten Bilder hab ich eingescannt und im Photoshop bearbeitet.“
Es ist schon weit nach Mitternacht, als Elfriede sagt: „Weißt du, es ist ja nicht so, dass mir nix weh tut. Manchmal ist es ganz schön schlimm, wenn der Körper nicht mehr so will wie der Geist. Vor ein paar Wochen war ich in Polen, an der Ostsee, das war ziemlich anstrengend. Es gibt Momente, da wünsche ich mir, ich würde den körperlichen Verfall geistig nicht mehr so mitkriegen.“ Ich möchte Elfriede an mich drücken, und ich tu es auch. Sie hält meine Hand. „Andererseits würde ich auch nicht tauschen wollen. Und das Jammern, das bringt einen sowieso nicht weiter. Das macht alles nur noch schlimmer.“ (Elfriede, könntest du das bitte unserer Sekretärin erzählen?)
„Gibst du mir noch deine E-Mail-Adresse?“, fragt Elfriede zum Abschied und ich drücke sie noch mal an mich. Hoffentlich nicht das letzte Mal.
testsiegerin - 15. Jun, 09:23