Freitag, 16. Mai 2014

Nachts im Spiegel

Nachts im Traum im Spiegel war ich wunderschön. Der Spiegel war auf einem Auge blind. Nachts sind alle Spiegel blind.
Am Morgen vor dem Spiegel bin ich blind. Mein Blick in den Spiegel ist ein liebender, annehmender, einer, der Makel verschluckt und nicht die Oberfläche spiegelt, sondern in die Tiefe geht. Der Blick ist einer, der die Erfahrung und Schönheit hinter der älterwerdenden Fassade sieht. Wenn der gleiche Blick aber Fotografien von mir sieht, oder Videos, wird er kritisch und grantig; hat an allem etwas auszusetzen und motzt blöd herum.

Wer hat Recht? Der Blick in den Spiegel, der verklärt und liebt oder der Blick auf das Foto, das für die Dauer eines Wimpernschlags das abgebildet hat, was die Kamera für Realität hält. Oder der Fotograf, der seinen Finger auf den Abzug legt. Die Kamera als Waffe. „Hände hoch, oder ich schieße ein Bild.“ Der Schuss trifft mitten ins Herz und tut weh. Weil das Selbst- und das Fremdbild immer weiter auseinanderdriften.

Gott ist es wie mir gegangen.
Vor langer Zeit musste man von ihm auch 1000 Fotos schießen, bis er sich auf einem halbwegs attraktiv fühlte, bis der Bart richtig fiel, die Schultern nicht hochgezogen waren, der Blick in die Kamera gelassen und gütig wirkte; sinnbildlich natürlich nur. Damals, als es noch Götter gab, waren weder Kameras noch Photoshop erfunden, weshalb Gott - ein Narziss vor dem Herrn– sich malen ließ. „Auf dem hier hab ich die Augen zu“, beklagte er sich, als der Maler ihm das fertige Bild zeigte, „und hier sieht man das Muttermal am Ohrläppchen, du Stümper!“ Gott wütete, zerfetzte das Bild und schickte dem Maler eine Heuschreckenplage. Er ließ einen neuen, noch besseren Maler kommen und malen. Aber auch mit dessen Bildern war er nicht zufrieden. Die Augenbrauen waren zu dicht, das Lächeln zu gewollt. Er bestrafte den Schöpfer der Bilder mit dreitägiger Finsternis. So gingen die Maler bei ihm ein und aus. So lange, bis alle biblischen Plagen erschöpft waren – und Er auch.
Er hatte es nämlich satt, Stunden, Tage und Monate lang Modell zu sitzen, liegen oder zu hängen, wenn von tausend Bildern dann doch nur eines dabei war, auf dem er sich gefiel.

Gott hat im Gegensatz zu mir aber die Konsequenzen gezogen und einfach ein Gebot in Stein gemeißelt, das den Menschen verbat, ihn zu zeichnen, fotografieren oder zu filmen. „Du sollst dir kein Gottesbild machen und keine Darstellung von irgendetwas am Himmel droben, auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde.“

Nachts im Traum im Spiegel war ich wunderschön.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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