Donnerstag, 7. Januar 2016

S wie Strumpfhose

Das ist mein Beitrag zum Projekt Kleider machen Leute, in dem es darum geht, Geschichten zu Kleidungsstücken von A - Z zu schreiben.
Mitmachen und teilen ist ausdrücklich erwünscht.


Robin Hood hatte eine.
Batman hatte auch eine. Ich hab hundert. Strumpfhosen. Helden tragen Strumpfhosen.

Strumpfhose - ʃtʀʊmpfˌhoːzə

Kleidungsstück, welches Kinder anziehen müssen, wenn es Mama und/oder Papa kalt ist, würde Mechatroniker analog zum Pullover sagen.

15 Grad Celsius. Das war in meiner Kindheit die ominöse Marke, an der wir uns orientieren mussten. Unter 15 Grad hieß es: Strumpfhosenalarm! Und die Strumpfhosen, die wir als Kinder anziehen mussten, waren nicht mit den heutigen vergleichbar, sondern kratzige, unangenehme Beinkleider in Beige und Braun. Strickstrumpfhosen.
Ich gestehe, ich habe den Thermometer manchmal in den heißen Kamillentee getaucht, denn dann waren die geringelten Kniestrümpfe erlaubt. Ich hab diese grauslichen Strumpfhosen gehasst, wie die meisten Mädchen. Und meinen Bruder gleich mit, weil der keine (mehr) anziehen musste.

Nicht alle fühlen sich jedoch durch solche Erinnerungen abgeschreckt. In einem Forum las ich folgendes: Hallo, kennt von euch jemand einen Shop oder eine Marke, welche super kratzige Wollstrumpfhosen verkaufen? Meine Freundin hatte mal eine aus DDR-Zeiten, die war echt unerträglich kratzig :-) Finde dies sehr anregend, wenn man den ganzen Tag erinnert wird, was man trägt.

Er war nicht allein und bekam zahlreiche Tipps von zahlreichen Strumpfhosenfetischisten.

Eine Freundin, die die Erfahrungen mit kratzigen Strumpfhosen mit mir teilt und deren Liebe zu diesem Kleidungsstück sich auch später nie entwickelt hat, meinte: „Wenn ich mal dement bin und im Heim, klau ich allen Mitbewohnern ihre Strumpfhosen und schneide sie in Streifen! Das wird meine Rache.“
„Wenn ich mal dement bin und du klaust meine, bring ich dich um“, hab ich gesagt und es ernst gemeint.


Am 15. Mai 1940 wurden übrigens die ersten Nylons verkauft. Der Tag ging als N-Day in die Geschichte ein.

Mein Onkel, der Fernfahrer, hat sie in den Sechzigerjahren nach Russland mitgenommen. Er fuhr mit ein paar Nylonsackerl (Kunststofftüten) Nylons von zu Hause weg und kam mit Matrjoschkas, einem hölzernen Bären mit Honigtopf, einem Schachspiel, einem geschnitzten Fischer mit Boot und Kaviar zurück. Die Nylonsackerl, die garantiert kein Nylon enthielten, waren übrigens ähnlich begehrt wie die Strumpfhosen.

Heute werden Nylons weggeschmissen, wenn sie eine Laufmasche oder ein Loch im Zeh haben. Meine Mama hat sie noch mit dem hölzernen Stopfschwammerl gestopft. „Unter der Hose kannst du die noch anziehen“, hat sie gesagt.
Mittlerweile gibt es laufmaschenresistente Strumpfhosen. Aber die haben so viel Charme wie unzerbrechliche chinesische Porzellanvasen. Die Gefahr, dass etwas Kostbares kaputtgehen kann, macht seinen Wert aus.

Ich war schon als Kind ziemlich schlampig und hängte nicht, wie es sich gehört, am Vorabend die Kleidung für den nächsten Tag fein sortiert über den Stuhl, sondern schlüpfte schlaftrunken so hinein, wie ich sie ausgezogen und auf den Boden geschmissen hatte. Auf dem Weg zum Bahnhof fühlte sich in meiner Hose etwas komisch an. Ich griff in den Hosenbund und zog und zog und zog... eine Strumpfhose heraus. Das war mir ziemlich peinlich, denn ich war nicht allein, sondern mit ein paar Schulkollegen unterwegs.
Ich hätte also genug Gründe, um Strumpfhosen zu hassen... aber ich liebe sie. Die Strumpfhosen von heute, anschmiegsam, weich, sanft, die Beine umschmeichelnd, haben nichts mit den Angstgegnern aus meiner Kindheit zu tun.


Ich war 14 oder 15 und das erste Mal in London. Da hab ich mich verliebt. Nein, nicht in einen James oder John. Es geschah irgendwo in der Oxford Street. Eine schwarze Strumpfhose mit weißen Straßen und roten Bussen drauf. Es war der Beginn einer großen Liebe.
Ich besitze Strumpfhosen unter anderem aus Paris, Berlin, Amsterdam und New York. Dabei war ich noch nie in New York. Die hat Freund A. mir mitgebracht. Ich weiß nicht, ob es für die Exfreundin Grund für die Trennung war, dass er für mich in New York Strumpfhosen kaufte.

Ja, ich hatte auch eine kurze Phase mit Halterlosen, nichts Ernstes, nur eine Affäre. Das Problem war nämlich, die waren irgendwie auch so haltlos. Und verwandelten sich kurzerhand - oder kurzerbein? - in Overknees, Kniestrümpfe oder im schlimmsten Fall in schlabbrige Socken. Wir sind nie ein Liebespaar geworden, die Halterlosen und ich.

Bei einer Lesung oder einem Poetry-Slam finde ich in der Bezirkszeitung kein Foto von meinem Gesicht... sondern von meinen Beinen. Und das liegt bestimmt nicht an meinen schönen Beinen, sondern an dem, worin sie stecken. In Erdölfasern. Die könnten bald durch Zucker ersetzt werden. Ob man mit diesen Strumpfhosen dann noch im Regen singen kann?

Zu meinem runden Geburtstag gab es natürlich einen Dresscode für Frauen. Es war ein wunderbares Bild auf der Berghütte. Und so viele Strumpfhosen als Geschenke.

Ich hab viele Lieblingsstrumpfhosen. Solche, bei denen ich weinen muss, wenn sie kaputtgehen. (Der Schmerz währt meistens nur kurz, weil ich dann natürlich sofort welche nachkaufen muss) Die nahtlose Fatale, oder die Wolford mit Rüschen an den Fesseln, die regulär 150,- Euro gekostet hätte und die ich zum Schnäppchenpreis erstanden hab. Die man besser nur mit Strumpfhosenhandschuhen anziehen sollte. Oder die, auf der steht: Fucking is the only fucking word that can be fucking used fucking in any fucking place in any fucking sentence. Oder die, die ich mir extra drucken lassen hab, auf der „Toll3ste Weiber, Lippenstift, Lust“ steht. Die mit den ägyptischen Zeichnungen. Oder die, die aussieht, als wären meine Beine mit Flammen und Schmetterlingen tätowiert.

Die mit den Bussen von London hab ich schweren Herzens nach 30 Jahren weggeschmissen. Meine Mama hätte sie bestimmt gestopft.


Wenn ich morgens aufwache und im Bett liege, überlege ich mir, welche Strumpfhose ich anziehe und welchen Ring ich nehme, und dann erst, welches Kleid dazu passt. Und ich gestehe: Manchmal steh ich vor den Schubladen mit den Strumpfhosen - sortiert nach Farben und Mustern - uni oder bunt, gestreift, kariert, klassisch, sportlich, schräg, sexy oder einfach schön - und denk: Scheiße, ich hab keine Strumpfhosen!

Und dann kauf ich welche.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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