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Sonntag, 2. Februar 2014

L wie Lavendel

Exkurs (Oder ist ein Exkurs, der gleich am Anfang beginnt, ein Präkurs?):
Es gibt da eine Übung, die ich in Seminaren gerne durchführe, die nennt sich ZRM. Zürcher Ressourcen Modell. Man kann sie googeln, ich werde aber kurz drüber erzählen. Mit dieser Übung kann man sich über eigene Themen klar werden, Ziele entwickeln und Ressourcen aktivieren.
Wir erreichen Ziele oft nicht, weil wir sie mit dem Verstand formulieren und nicht mit dem Bauch. Weil der Bauch sich aber so viel schneller entscheidet als der Verstand. Und weil der Verstand manchmal keine Rücksichte auf unsere wahren Bedürfnisse nimmt, der Bauch aber schon.
Die Übung funktioniert so: Jeder sucht sich eine Bildkarte aus. (Auf den Karten sind Landschaften, Menschen, Gegenstände...) Und zwar eine Karte, die für ihn ausschließlich positiv besetzt ist. Eine Karte, die zu ihm will. Die ihn berührt. Die sich gut anfühlt, körperlich. (Diesen Prozess finde ich immer lustig, weil die meisten Leute die Karten sehen und sofort auf "ihre" zustürmen. Manchmal kann man sich nicht so gut entscheiden, was aber auch o.k. ist)
Dann geht man in Gruppen zu dritt oder viert zusammen, der erste legt seine Karte in die Mitte, die anderen („Fremdgehirne“) assoziieren 4 Minuten lang zu dieser Karte, Farben, Formen, Gefühle, Gedanken (auch ausschließlich positiv, es geht schließlich um Ressourcen), einer schreibt alles mit. Aus diesen mitgeschriebenen Wörtern formuliert man dann ein Mottoziel für sich. Ein Mantra. Positiv, kurz und knackig, selbst erreichbar. (Also nicht „ich möchte, dass Kollegin S. mir nicht mehr auf die Nerven geht“)
Ich habe das letzte Mal bei dieser Übung auch mitgemacht. Meine Karte (bis dahin hat sie mich nie angesprochen) zeigte ein Lavendelfeld, und mein Motto lautete: „Ich wandere mutig und frei durch mein Lavendelfeld und spüre die Wärme“. Sogar, wenn ich das aufschreibe, merke ich, wie mir ganz warm und frei wird.
Exkurs 1 Ende.


Exkurs 2.
Bisher war mir der Lippenblütler Lavendel ziemlich egal. Ich hatte weder eine positive noch eine negative Beziehung zu ihm. Nicht einmal verwechselt hab ich ihn mit irgendetwas, wie Petersilie und Schnittlauch. Er wuchs einfach im Garten und roch gut und manchmal hängte ich ein Sträußchen in den Kleiderschrank, wegen der Motten. .

Im vergangenen Jahr fing ich an, Lavendelbrot zu backen, führte ein kleines Säckchen Lavendel, das eine Freundin mir geschenkt hatte, in meiner Tasche herum und griff zur Lavendelfeldkarte. Von den Motten zum Motto
Exkurs 2 Ende.



Jetzt kommen wir zur eigentlichen Geschichte.

Nach 19 Jahren habe ich beschlossen, dass es Zeit für neue Matratzen wird. Meine ist mir zu hart geworden oder ich ihr zu weich und empfindlich. Nun ist es ja mit Matratzen nicht so wie mit Strumpfhosen, dass man die einfach so kauft und wenn sie nicht gefällt oder passt kauft man sich neue. Oder zieht sie halt ein paar Mal an, dann erledigt sich das Problem von selbst. Matratzen sind eine Lebensentscheidung. Die Testsiegerin stöberte also im Internet, las Testberichte, die besagten, dass es auch unter den preiswerten sehr gute gab und die Entscheidung keine leichte ist. Überraschung! Rosshaarmatratzen und solche, wo man die Metallfedern im Kreuz spürte, gab es kaum noch.


„Diese hier besticht durch hohe Punktelastizität, extreme Atmungsaktivität und beste Eignung für Hausstauballergiker“, erklärte die Beraterin einem Ehepaar. „Und dieses Modell hier passt sich Ihrer Körperform an und gibt Ihnen ein Gefühl der Schwerelosigkeit.“
Ich will das auch, Schwerelosigkeit.

„Bittesehr?“ wandte sich die Bettberaterin, eine Deutsche (aber das tut nichts zur Sache) an mich.
„Nichts, nichts, ich hör einfach zu, wenn es nicht stört“, sagte ich und da es nicht störte, lernte ich alles über Memoryschaum oder viskoelastischen Schaum, 7-Zonen-Matratzen, Wellenprofil und Würfelschnitten und Geltex. Ich war völlig überfordert.

„Was suchen Sie denn?“, fragte sie mich, als sie mich Stunden später zusammengekauert weinend in einer Ecke fand.
„Eine Matratze.“
Sie lächelte lieb. „Welche Bedürfnisse soll sie denn erfüllen?“
„Na ja, sie soll so zum Schlafen sein. Zum Lesen auch. Zum Schreiben in der Früh. Hin und wieder Sex, vielleicht.“
Sie lächelte immer noch lieb. Also erzählte ich ihr, dass in letzter Zeit oft die Hüfte und das Knie schmerzte, auch nachts.

„Kommen Sie mit“, sie nahm mich an der Hand und führte mich in einen entlegenen Teil des Geschäftes. „Hier. Für Sie.“
Ich stand vor einem Bett. Über dem Bett ein riesiges Plakat mit Lavendelfeldern drauf. Ich legte mich in mein Lavendelfeld. Fühlte mich mutig und frei und spürte die Wärme.
Ich hörte nicht, was sie mir über die neue Mischpore EvO2 und die natürlichen Zusätze aus Alpenkräutern und Lavendel erzählte. Ich lag einfach da und träumte.

„Ich muss mich erst entscheiden“, sagte ich später zu ihr, als sie mir ausrechnete, um wie viel mein Budget dadurch überschritten würde, „es ist ja nicht so, als würde ich eine Strumpfhose kaufen.“ Sie lächelte immer noch lieb. „Lassen Sie sich ruhig Zeit. Die Aktion gilt bis Ende Februar.“

In Wahrheit habe ich mich in dem Moment entschieden, als ich das Lavendelfeld sah.

Schere schlägt Papier, Stein schlägt Schere, Bauch schlägt Verstand.

Freitag, 31. Januar 2014

Und-Oder und die Liebe / Version mit Happy End

Es war einmal ein Und. Das Und verliebte sich in ein Oder. Das Oder verliebte sich zurück, zum Glück. Zumindest zum anfänglichen Glück. Sie waren ein seltsames, ungleiches Paar. Das Und konnte nicht genug kriegen, während das Oder sich nicht entscheiden konnte. Das Oder grübelte beim ersten Date, ob es die Krautfleckerl oder das Steinpilzrisotto nehmen sollte. So lange grübelte es, bis sowohl das eine als auch das andere vom Wirt auf der Schiefertafel ausgelöscht wurde. Zum Glück hatte das Und beides bestellt und teilte. Bald teilten sie nicht nur das Essen, sondern auch Bett und Tisch.

Das Lieblingswort von Und war: Beides. Bier und Wein. Duschen und Baden. Freiheit und Sicherheit.
„Du musst dich entscheiden“, sagte das Oder eines Tages, als es beobachtete, wie das Und begehrliche Blicke auf das Sowohl warf, „du kannst nicht alles haben.“
„Verlang nichts Unmögliches von mir“, bat das Und. „Ich liebe dich doch. Und ich kann doch neben dir auch noch andere Wörter lieben.“
Das Oder aber verlangte das Unmögliche und blieb hartnäckig. „Ich oder das Sowohl“, sagte es und das Und gab nach.

Es war eine schöne, schlichte Hochzeit. Als der Standesbeamte die Worte „lieben und achten und die Treue halten“ sprach, zwinkerte das Und dem Oder zu. „Oder?“, grinste das Und. Das Oder stieß ihm den Ellbogen in die Rippen. „Und, ausnahmsweise.“
„Wie soll denn der Name lauten?“, fragte der Standesbeamte, als sie die Urkunde unterschrieben. Das Oder dachte nach. Darüber hatten sie sich noch nicht unterhalten. „Also, entweder jeder behält seinen , oder wir nehmen Oder als gemeinsamen Familiennamen?“, schlug es unsicher vor. "Oder vielleicht Und, ich weiß nicht, was meinst du?"

„Wir nehmen einfach beide“, sagte das Und. „Einen Doppelnamen. Und-Oder, das klingt hübsch.“
Sie einigten sich auf Oder-Und.


„Machen wir die Hochzeitsreise ans Nordkap oder ans Kap der guten Hoffnung?“, fragte das Oder, nachdem sie sich in der Hochzeitsnacht heftig geliebt hatten. Das Und presste das Oder an sich und lachte. „Wieso oder? Wir machen einfach eine Weltreise! Erst zum Nordkap und dann zum Kap Hoorn und dann zum Kap der guten Hoffnung.“
Trotz ihrer Gegensätze waren sie guter Hoffnung.

Guter Hoffnung war auch das Oder wenig später. Seine Rundungen wurden runder, seine Stimmung gereizter und es wollte entweder Essiggurkerl oder Chilischokolade. Zum Glück hatte das Und beides und noch viel mehr gekauft.

„Wie soll das Kleine denn heißen?“, fragte die Hebamme die strahlenden, aber erschöpften Eltern. "Sowie", sagte das Und. "Entweder", das Oder. Die Hebamme rollte mit den Augen. Das würde ja noch schwieriger werden als die Geburt.
„Na gut, dann eben wie wir“, sagte das Ehepaar Oder-Und.
„Doppelnamen sind für Kinder verboten“, murmelte die Hebamme, schon etwas genervt. „Sie müssen sich schon für einen entscheiden.“

So bekam das Kleine mit dem zerknautschten Gesicht den Namen Beziehungsweise. „Das kann entweder Und oder Oder bedeuten“, erklärten sie. „Und man kann es gut abkürzen. Bzw.“

Beziehungsweise hatte es nicht leicht im Leben. Es wurde von den anderen Kindern wegen seines komplizierten Namens gemobbt und wegen seiner Identitätsstörung zur Schulpsychologin geschickt.

Ach das Ehepaar Oder-Und hatte es nicht leicht im Leben. Was sie am Anfang so anziehend aneinander fanden, war mit der Zeit nur noch mühsam. Immer wieder schlich sich ein Aber in ihre Beziehung und vergiftete sie.

„Ich kann nicht mehr“, sagte das Oder eines Abends, Beziehungsweise lag schon im Bett und schlief. Zumindest dachte das Ehepaar Und-Oder das. „Entweder du bleibst oder ich gehe“, sagte das Oder.

„Wohl besser so“, antwortete das Und und begann seine Sachen zu packen.

„Und was ist mit mir?“, brüllte das Beziehungsweise, das auf der Treppe stand und den Streit mitgehört hatte. „Ich will nicht auch noch Beziehungswaise werden! Ich hab’s ohnehin schon schwer genug.“ Sein Schluchzen kam tief aus seinem Inneren.
Das Und und das Oder schauten erschrocken erst ihr Kind und dann einander an. „Es hat recht“, fanden sie und nahmen das Beziehungsweise behutsam in ihre Arme. "Wir dürfen nicht so egoistisch sein".
„Die Eltern vom Vielleicht machen eine Paartherapie“, schniefte das Beziehungsweise, „Das fiel ihnen nicht leicht, aber mittlerweile ist alles viel leichter. Möglicherweise wäre das etwas für euch?“

„Was haben wir für ein kluges Kind“, zwinkerte das Oder. Das Und wuschelte ihm zärtlich durchs Haar und fügte hinzu: „So klein und schon so beziehungs-weise.“

Mittwoch, 29. Januar 2014

Preisverleihung

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Stundenlange Diskussionen, genaues Ab- und Hin- und Herwägen und eine intensive Auseinandersetzung mit den Texten, ihrer Syntax, Grammatik, Semantik und Semiotik liegen hinter uns.

Unter den Besten:
Wortmischer mit "Aus Gordon Shumways Instagram-Account" (ich gebe zu, ich musste googeln, aber dann fand ich es extrem witzig)

Das Bee mit "Nudeln mit Catschapp"

Spätlese trocken"Idioten! Erstens mag ich keine Pasta und zweitens ist das Badewasser schon wieder zu kalt!"

Hier aber der Sieger, von der zweistimmigen Jury einstimmig gewählt:

Nömix mit "Symbolbild: Auf der Nudelsuppe dahergeschwommen"

Applaus, Applaus an Herrn Nömix, der den nächsten Bewerb ausrichten darf/muss/kann/soll.

Sonntag, 26. Januar 2014

P wie Pfirsich...

... und peinlich und überhauPt.

Als Kind hab ich Pfirsiche und Marillen immer verwechselt. Für mich waren sie beide rund und hatten eine pelzige Haut – eine Haut wie ein Babypopo – und waren matschig zu essen. Ich mag Obst nicht, das matschig zu essen ist. Deshalb hab ich auch das O wie Orange gerne jemand anderem überlassen, weil das Essen einer Orange für mich eine Zumutung ist. Es ist nicht so, dass ich mir generell im Leben nicht gerne die Hände und die Phantasie dreckig mache, aber wenn der Obstsaft über die Finger rinnt, wenn man dann trotzdem noch die weißen Fasern mit den pickigen Fingern rauskletzeln muss, bevor man die Frucht schmecken darf, dann hört sich der Spaß auf. Es ist nicht so, dass mir Orangen nicht schmecken, ich mag nur das Essen einer Orange nicht, im Obstsalat oder gepresst mag ich das gern. Sonst bevorzuge ich Bananen, die zerrinnen einem nicht zwischen den Fingern.

Zurück zu den Pfirsichen. Zu den Pfirsichen hab ich keine so emotionale Beziehungen wie zum Beispiel zu Äpfeln oder Himbeeren oder Feigen. Feigen sind für mich immer mit meiner ersten großen Liebe verbunden. Mit Griechenland, wo wir sogar in Gärten eingebrochen sind, um an die violetten, frischen Feigen zu gelangen. Aber wir waren ja bei den Pfirsichen. Sie sehen schon, werte Leser, Pfirsiche lenken mich ab von den Pfirsichen. Vielleicht hab ich deshalb Marillen gebracht, wenn meine Mama mich um Pfirsiche geschickt hat, weil ich abgelenkt war.

Beim Schnittlauch und beim Petersil verhielt es sich genauso. Mama hat mich in den Garten geschickt – und dazu muss man wissen, dass wir im 10. Stock eines Hochhauses gewohnt haben, und Hochhäuser für gewöhnlich keinen Obst- und Gemüsegarten haben; das heißt, unser Garten war unendlich weit weg, so fühlte es sich zumindest damals an. Zehn Minuten Fußweg, mindestens. Vielleicht sogar zwölf. Ich stand also im Garten, streichelte Hoppel, den Hasen und murmelte vor mich hin: „Du darfst den Schnittlauch nicht mit dem Petersil verwechseln, das eine ist das mit den Stangen, das andere das mit den Blättern“ und... nahm überzeugt das falsche. Obwohl die Chance, das richtige Kraut abzuschneiden, ohnehin bei 50:50 lag. Damals hatten wir noch nicht so exotische Kräuter wie Basilikum, Thymian, Salbei, Rosmarin und Minze. Vermutlich hätte das aber nichts daran geändert. Gegen meine Petersil-Schnittlauch-Schwäche war kein Kraut gewachsen.
Ich schämte mich dafür, dass ich Petersilie (wenigstens fängt das wie Pfirsiche auch mit P an) so konsequent mit Schnittlauch verwechselte. Das gab ich aber nicht zu, sondern aß ebenso konsequent Butterbrot mit Petersilie und zum Schnitzel Schnittlaucherdäpfel und behauptete noch konsequenter, dass das doch keinen Unterschied machte.

Ich verwechselte Marillen mit Pfirsichen, Schnittlauch mit Petersilie und Kristallzucker mit Kandiszucker. Ich fand, dass Kandiszucker viel schönere und größere Kristalle hatte als Kristallzucker. Und ich schämte mich dafür, es war mir total peinlich. Das hätte ich aber nie zugegeben. Ich war ein stolzes Kind und ein wenig störrisch. Wenn Mama schimpfte, weil ich Petersilie statt Schnittlauch gebracht hab, behauptete ich „aber du hast doch Petersilie gesagt!“
Ich liebe weder Pfirsich noch Marillen und ich nehme lieber Rohrzucker und Honig als Kristall- oder Kandiszucker. Vielleicht hat das mit dieser schweren emotionalen Kränkung in der Kindheit zu tun.

Ich liebe allerdings Schnittlauch genauso sehr wie Petersilie. Eine Suppe ohne Grün drin ist für mich keine Suppe. Erdäpfel ohne was Grünes drauf sind für mich keine Erdäpfel.

Vielleicht sollte ich doch eine Psychoanalyse machen, um dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.

Mittwoch, 22. Januar 2014

F wie Freitagstexter

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Ich bin völlig überwältigt von meinem neuerlichen Triumph (Testsiegerin halt).

Regeln erkläre ich auf Rückfrage gerne, gehe allerdings davon aus, dass sie bekannt sind.

Nachdem Katzenfotos sich im Internet ja ungemeiner Beliebtheit erfreuen, nehmen wir dieses hier:

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Also dichtet, textet, reimt, fantasiert...

Ich such mir dann das aus, das mir ganz objektiv am besten gefällt. Und meine Co-Jurorin wird mich bei meiner Entscheidung begleiten.

Sonntag, 19. Januar 2014

K wie ...

Ich habe in beinahe jeder Jackentasche eine. Und in meiner Handtasche viele. Nein, keine angeschnäuzten Taschentücher, die beginnen ja nicht mit K. Auch keine Kondome. Keine Kirschen, denn die wären irgendwann geschimmelt. Kleingeld ja, aber das meine ich nicht, das haben viele Leute in ihren Jackentaschen.

Ich habe da Kastanien. Natürlich nicht irgendwelche Kastanien. Ganz besondere. Eine aus Paris, aus 2009 – oder war es 2008? Eine aktuelle aus Dänemark. Eine aus 2012 aus Strobl am Wolfgangsee.

Kastanien bringen Klück. Mir zumindest. Ich bin ja so ein haptischer Typ, müsst ihr wissen. Ich kann an keinem Markt vorbeigehen, ohne in den Linsen und Käferbohnen zu wühlen (man liebt mich auf Märkten), ich lege im Büro die Hand auf die Kaffeemaschine, während die den Kaffee mahlt, ich streiche über jeden Stoff, den man mir anbietet. Ich muss Dinge be-greifen, bevor ich sie be-schreiben kann.

Ich liebe es, wie sich frische Kastanien anfühlen. Wie glatt und braun und individuell, wie unterschiedlich in Form, Oberfläche, Gewicht und Farbe. Nun werdet ihr – nicht ganz zu unrecht – anmerken, dass sich eine Pariser Kastanie aus dem Jahr keineswegs mehr frisch, glatt und schwer anfühlt, sondern verrunzelt, hohl und vertrocknet.

Was ihr aber nicht wisst: Wenn man sie ans Ohr hält und schüttelt, knubbelt es. Dann hört man die Kastanienbäume flüstern. In diesem Fall singen sie ein französisches Chanson.

Einmal, vor vielen Jahren, als das Wünschen noch geholfen hat, hat meine Tochter mich dabei beobachtet, dass ich eine Kastanie aufhebe, sie erst durch meine Finger und dann in meine Jackentasche gleiten lasse. „Was tust du da?“, hat sie mich gefragt.
„Die erste Kastanie, die ich jedes Jahr finde, stecke ich ein, sie bringt mir Glück.“

Ihr müsst wissen, ich bin keineswegs abergläubisch. Es ist allerdings wissenschaftlich nachgewiesen, dass mir die Kastanien Glück bringen. Ich bin absolut glücklich in meinem Leben, ich bin von Menschen umgeben, die ich liebe, und ein paar davon lieben mich auch, ich habe einen Beruf, der mir immer noch Berufung ist, das Leben (oder die Kastanienbäume) haben mich mit ein paar Talenten gesegnet, ich genieße das Leben und bin wirklich glücklich. Meistens zumindest. Jetzt wisst ihr auch, warum. Die Kastanien...

Seit meine Tochter weiß, dass ich die ersten Kastanien jedes Jahres einstecke und ein Jahr bei mir trage, schenkt auch sie mir jedes Jahr die erste Kastanie, die sie findet. Und ehrlich, könntet ihr die erste Kastanie aus Paris, der Stadt der Migräne, einfach so wegwerfen? Oder die erste Kastanie des gemeinsamen Kurspaziergangs? Die erste Kastanie, die sie in Dänemark für mich aufgehoben hat, obwohl ihre Gedanken und Gefühle im Land, in dem sich Dänen wähnen, ganz sicher nicht bei knubbelnden Kastanien für ihre Mutter waren?

Außerdem... die ersten Kastanien sind nicht irgendwelche Kastanien. Sie erzählen Geschichten. Unter ihrer Schale bewahren sie Geheimnisse auf, die knubbeln, wenn man sie ans Ohr hält. Aufregende Geheimnisse sind das. Aber weil es Geheimnisse sind, darf ich sie nicht verraten.



Nachtrag: I und J täten noch fehlen.

Freitag, 17. Januar 2014

G wie ...

Ich hab ihn nicht gefunden, den G-Punkt. Wie aber über etwas schreiben, das man nicht gefunden hat, das es vielleicht gar nicht gibt. Obwohl... andere schreiben dicke Bücher über Gott und da bin ich mir auch nicht sicher, ob es den überhaupt gibt. Ich bin mir eigentlich sogar ziemlich sicher, dass es ihn nicht gibt. Aber ich bin tolerant genug, denen, die glauben, dass es ihn gibt, ihren Glauben zu lassen.


Gurken gibt es definitiv. Erst letztens hat jemand, als ich ihm den Parkplatz weggenommen hab, gebrüllt: „Du blöde Gurke!“
Ich weiß nicht, warum Gurken blöd sind. Vermutlich sind sie nicht dümmer (siehe D wie Dummheit) als Paradeiser oder Melonen. Zuckermelonen sind übrigens eng mit Gurken verwandt. Obwohl eines in die Familie der Öbster und das andere in die Familie der Gemüser gehört.

Ich bin also eine blöde Gurke. So nennt man eine etwas einfältige Frau. Ich bin aber nicht einfältig, das war ich mal, ich bin vielfältig, oder wenigstens vielfaltig.

Ich habe also mit meiner Gurke (so bezeichnet man ein nicht sehr rasant fahrendes Auto) dem Mann mit der Gurke im Gesicht den Parkplatz weggenommen. Später bin ich dann ziellos durch die Gegend gegurkt und hab nachgedacht. Über Gurken und so. Übers Leben. Über Krümmungen im Leben und bei Gurken, und warum es eine Verordnung gibt, die die Gurkenkrümmung regelt, aber zulässt, dass das Leben sich hierhin und dorthin krümmt.

Mein erstes Handy war übrigens auch eine Gurke. Dabei war es nicht grün, sondern gelb. Aha. Ich habe eine Erkenntnis. Eine Gurke ist alles, was unförmig ist. Ein unförmiges Auto, eine unförmige Nase, ein überdimensionales Telefon. „Blöde Gurke“ hat der Typ zu mir gesagt... Darüber muss ich noch mal nachdenken. Vielleicht am Würstelstand, wenn ich mir eine Wurstsemmel mit Extrawurst und Gurkerl kaufe.

Dem Essiggurkerl war übrigens sogar eine eigene Ausstellung gewidmet: http://sbgv1.orf.at/stories/458284. Weil das Essiggurkerl ein fixer Bestandteil unserer Kultur ist. Ich hol das Gurkerl ja ganz ordinär mit zwei Fingern aus dem Gurkenglas. Es gibt aber einen eigens entwickelten Gurkenlift. Von Tupperware. Ah ja, das war ein Neujahrsvorsatz von mir. Das erste Mal im Leben auf eine Tupperparty zu gehen. Vielleicht kauf ich dann einen Gurkenlift.

Kennt ihr eigentlich Gurkerlflieger? Die können nicht mal fliegen.


Das Gurkerl ist übrigens auch ein fixer Bestandteil im Fußball. (Erklärung: ein zwischen den Beinen des Gegners durchgeschossener Ball - als besonders demütigend gilt im Amateurfußball das „angekündigte Gurkerl“)
Was wollt ich noch mal sagen? Keine Ahnung. Ich geb mir jetzt die Gurke.

Mittwoch, 15. Januar 2014

A wie Apfel

„Stell dir mal vor“, sagt der A. bei unserem wöchentlichen Abendessen, „ich hab einen Apfelbaum.“
„Aber du hast ja nicht mal einen Garten“, werfe ich Worte und den Gruß der Küche ein, „wie kommst du zu einem Apfelbaum?“
„Du sollst dir das ja nur vorstellen“, sagt A. und ich stelle mir also seinen Apfelbaum vor, ohne Garten. „Der Apfelbaum wirft Äpfel ab“, fährt er fort und auch das stelle ich mir vor. „Wenn ich mehr Äpfel habe, als ich selber essen kann, und jemand, den ich mag, mag gern Äpfel, dann schenke ich eben einen Kübel her“, sagt er.
„Ja, das kenn ich“, nicke ich, denn ich hab einen Birnenbaum, der regelmäßig mehr abwirft, als ich brauchen kann. Obwohl man Äpfel bekanntlich mit Birnen nicht vergleichen kann.
„Die Leute nehmen den Kübel mit den Äpfeln und backen Apfelkuchen und freuen sich und als Dank bringen sie mir ein Stück Apfelkuchen mit, und ich freue mich, obwohl ich keinen Dank dafür brauche, weil mir ihre Freude Dank genug ist.“
Ich nicke wieder, denn ich habe den Mund grad mit der geräucherten Forelle auf Wildkräutern voll, und frage mich, warum A. sich grad so intensiv mit Äpfeln beschäftigt.
„Überlegst du dir, ein Apfelbäumchen zu pflanzen?“, frage ich, als ich geschluckt habe.
„Wenn die Leute sich bei Äpfeln so normal verhalten, warum werden sie dann beim Geld so komisch?“, fragt A., sich und mich. „Was ist der Unterschied zwischen Äpfeln und Geld.“
Ehe ich meine rudimentären Biologiekenntnisse loswerden kann, erzählt er
von seiner Kollegin K., die er mag, als Mensch und als Kollegin, und die so gern eine Ausbildung machen möchte. Sie hat das Talent dafür und die Leidenschaft, das einzige, was sie nicht hat, ist das notwendige Geld. „Und wenn einer mehr von etwas hat, als er brauchen kann, jemand anderer aber weniger, als er brauchen würde, ist es dann eigentlich nicht das normalste auf der Welt, ihm das einfach zu geben?“
„Nun ja“, sage ich und das Kalb zergeht wie Butter auf meiner Zunge.

Er erzählt mir, dass er Angst hat, K. das Geld für die Ausbildung anzubieten, weil er befürchtet, es würde sich alleine durch dieses Angebot etwas in ihrer kollegialen Beziehung verändern, und das möchte er nicht. Er will kein Machtgefälle, er will nicht, dass sie sich unterlegen fühlt und klein, weil sie sich die Ausbildung nicht leisten kann. Er will nicht, dass sie glaubt, sie müsse sich dafür irgendwie erkenntlich zeigen. Er will sich nicht in dem Glanz sonnen, ein großzügiger Gönner zu sein. Und drum weiß er nicht, wie er ihr sagen soll, dass sie sich bitte einfach für die Ausbildung anmelden soll, ehe verstrichen die Frist.
„Biete ihr einen nicht rückzahlbaren Kredit an“, schlage ich beim geschäumten grünen Apfel im Glas vor, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass kaum jemand Schuldgefühle hat, Geld von einer Bank anzunehmen, auch wenn er es nicht zurückzahlen kann.

Er hat Recht, wir Leute sind komisch, wenn es um Geld geht.

A. lädt mich jede Woche zum Essen ein, seit ein paar Jahren. Ich genieße seine Gesellschaft, unsere Gespräche und das feine Essen. Nie gibt er mir das Gefühl, ihm etwas schuldig zu sein, es ist eine Essbeziehung auf gleicher Augenhöhe. Beide nehmen und geben wir. Aufmerksamkeit. Geschichten. Lachen. Nähe. Dank will er nicht und er freut sich wie ein kleines Kind, als eine Freundin meiner Tochter, die er zu deren Geburtstag zum Essen ausführt, beim Abschied nicht artig „danke“ sagt, sondern „ich schätze dich wert, A.“ Und zwar nicht wegen der Einladung, sondern einfach so.

Wenn ich über A. und unsere gemeinsamen Essen erzähle, passiert es immer wieder, dass Menschen mutmaßen, er würde mich nur ins Bett kriegen wollen (das wäre mittlerweile eine ziemlich teure Angelegenheit) oder aber, ich wäre berechnend und würde mich von ihm aushalten lassen. Dass wir einfach eine Freundschaft haben, in der jeder gibt, was er kann, verstehen die wenigsten.

Mit Äpfeln wäre alles ein bisschen einfacher.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

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