Liebes Leben

Ja, das ist kein Zufall, dass da ein Abstand ist zwischen den beiden Wörtern deiner Anrede. Mir wäre ja lieber, da wäre keiner. Obwohl – andererseits wäre mir Abstand wieder ganz recht. Ganz viel Abstand wäre mir ganz recht. Samoa zum Beispiel. Das wäre ziemlich viel Abstand, zumindest von hier. Von mir und von dir wahrscheinlich nicht, ich nehme mal an, du verfolgst einen sowieso überall hin.
Warum ich dir heute schreibe?
Weil du mir grad total auf die Nerven gehst und es mir manchmal so schwer machst. Weil du alles andere als gerecht bist. (Und wehe du säuselst jetzt wieder dein typisches „ja, ja, das Leben ist halt nun mal nicht fair“!)
Nicht nur den Reichtum hast du völlig ungerecht verteilt und mich und meine Familie dabei einfach übersehen, auch die Talente. Es gibt Menschen, die können genial Geige spielen, andere singen, andere wieder Schach spielen. An mir bist du vorbeigegangen, hast da und dort ein paar Talentsternchen auf mich herabgeworfen und bist weitergezogen. Ich bin Expertin in Einbisschenwasvonallem. Nein, das wäre übertrieben. Ich kann nämlich weder Geige spielen noch Schach spielen. Ich bin Expertin in Einbisschenwasvoneinbisschenwas. Ich kann ein bisschen kochen, ein bisschen schreiben, ein bisschen kreativ sein, ein bisschen blöd sein, ein bisschen politisch aktiv sein, ein bisschen ein guter Mensch sein. Aber damit bringt man es nicht weit im Leben. Ah ja. Expertin im Verwalten des Wahnsinns bin ich auch, davon werde ich höchstens selbst wahnsinnig.
Weißt du, ich hab mich ja schon oft bei dir bedankt für das, was du mir geschenkt hast. Meine Zellulitis und – wie meine Kollegin immer betont – mein Schlupflid am rechten Auge, zum Beispiel. Danke noch einmal dafür. Auch für meinen Zynismus, er hilft mir nämlich oft dich überhaupt auszuhalten.
Ich finde also, es steht mir auch einmal zu, mich bei dir zu beschweren. (Auf www.salzamt.at habe ich es schon versucht, die schreiben aber auch nicht zurück.)
Ich hab dich oft genug verteidigt, wenn Menschen an deinem Sinn gezweifelt haben. Der Sinn des Lebens ist es einfach zu leben, hab ich gesagt und auf all das Schöne verwiesen, auf die Blumen und den Himmel und die Liebe und ein gutes Erdäpfelgulasch.
Aber jetzt mag ich dir endlich auch einmal sagen, dass ich es nicht o.k. finde, wenn du mir ständig Prügel vor die Füße wirfst und glaubst, ich brauche eine Rund-um-die-Uhr-Herausforderung. Ich mag’s auch manchmal einfach nur fein und leicht haben. Ohne Schulden und –gefühle, ohne Sorgen und –falten, einfach NETT halt. NETT, verstehst du? Wenn es sein muss, mit Schutzbezügen und einer Schrankwand, wenn das der Preis dafür ist.

Komm mir jetzt bitte nicht mit dem Zwitschern der Vögel und dem Duft von frischem Kaffee. Weißt du, was mit der Amsel passiert ist, die ich gestern zwitschern gehört hab? Heute früh war sie im Badezimmer und im Vorzimmer. Ja, eine Amsel in zwei Zimmern. Von meinen Katzen zerfetzt. Rat mal, wie viele Federn so eine Amsel hat? Reichlich Federn hat die. Und reichlich Blut auch. Ja, ich weiß. So ist das Leben. So bist du. Ganz schön brutal manchmal.
Und wenn wir schon dabei sind: Hast du eine Ahnung davon, was ich durchmache, bevor ich den Duft frischen Kaffees riechen darf?
Satzbehälter leeren. Wasser nachfüllen. Maschine entkalken. Gerät reinigen. Spülen. Bohnenbehälter leer.
Da scheiß ich auf den frischen Kaffee, liebes Leben! (Noch immer mit Abstand). Da warte ich lieber ab und trink Tee.

So, jetzt hab ich es dir aber reingesagt, oder?
Schreibst du mir trotzdem zurück?
Du kannst deine Antwort gern auch ohne Abstand schicken.


Deine Barbara
Das Leben (Gast) - 19. Feb, 16:21

Du wolltest eine Antwort

Liebe Barbara,

da hast Du es mir aber ganz schön reingesagt! Ich will Dir ja jetzt nicht total Alt Klug daher kommen, aber meine Lebens Erfahrung sagt mir, dass es Menschen gibt, die haben noch nicht einmal eine Kaffeemaschine, aber auch keinen Tee...
Die haben nicht einmal Einbisschenwasvoneinbisschenwas und viele haben ihre Federn in mehr als zwei Zimmern lassen müssen.
Nein, ich gebe zu, ich bin gar nicht gerecht, aber froh, wenn es Menschen gibt, die noch über mich nachdenken und mir Briefe schreiben!
Dann passiert plötzlich so etwas - dann setze ich mich hin und schreibe zurück, einfach so, weil Du es ja wolltest und dann schicke ich Dir Einbisschenwasvoneinbisschenwas: ein Lächeln. Übers Internet ein Lächeln? Passt aber auch nicht in ein SMS... hmmm, schau Dich um, dann schicke ich es Dir aus dem Gesicht eines Fremden...
Schönen Tag!
Das Leben

datja - 19. Feb, 17:33

ich hab kein blog.
bitte bitte: gilt das trotzdem auch für mich?
ps: ich hab eh keine kafeemaschine.
testsiegerin - 19. Feb, 18:21

Liebes Leben,

Du hast wohl anscheinend sonst nichts zu tun, dass du so schnell antwortest auf mein Schreiben, wie?
Trotzdem danke. Ich muss gestehen, ich war ein bissl gerührt. Und ich merk grad, ich kann dir gar nicht wirklich böse sein.

An manchen Stellen hab ich aber schon die Augen gerollt.
Schon als Kind hab ich mich nicht wirklich damit getröstet gefühlt, dass in Afrika Kinder verhungern, wenn ich meine Suppe nicht aufesse. Und auch heute beruhigt es mich nicht, dass es Menschen gibt, denen es wirklich dreckig geht, während es mir nur ein bissl schlecht geht. Ganz im Gegenteil, das macht mich nur noch wütender.

Sag mal, Leben: Warst du das vorhin in Gestalt der Hofer-Kassiererin, die mich angelächelt und mir einen schönen Abend gewünscht hast?
Das Leben (Gast) - 20. Feb, 14:55

Wahrnehmen

Liebe Barbara,

Du darfst ruhig mit den Augen rollen, Du darfst ruhig wütend sein, traurig, böse, enttäuscht... aber auch fröhlich, glücklich, dankbar.
Alles was ich Dir sagen wollte war: Ich, das Leben, bin voller Überraschungen - jede Minute!
Eine Überraschung, war, dass ich Dir geantwortet habe, die nächste war mein Wink mit der Hofer Kassiererin - die sicher kein Zaunpfahl ist :-)
Schau Dich um und nimm es wahr, ich bin da in all meiner Vielfalt - zum Augen rollen und zum Lächeln.
Lass Dich jeden Tag aufs Neue von mir überraschen - das kann ich am aller besten! Ach ja, eines noch - Du entscheidest, ob Du zurücklächelst!

Das Leben
datja - 19. Feb, 17:36

buchempfehlung

elfriede hammerl:
mausi oder das leben ist ungerecht, deuticke

hab mir mit vergnügen ein paar lachfalten wachsen lassen!

ps: du hast es wieder einmal sehr sehr treffend auf den punkt gebracht!
:)

salzamt (Gast) - 19. Feb, 19:14

liebe testsiegerin,

wir bekommen leider derartig viel post, dass die rückstände mittlerweile den ganzen ruprechtsplatz verstellen, die stiegen hinunter anfüllen und teilweise sogar im kanal versinken. wir können nur hoffen, dass unserer klientel alleine durchs motschgern selbst schon ein wenig erleichterung verschafft wurde, wir fühlen uns nämlich sowieso nicht zuständig;-)

testsiegerin - 20. Feb, 13:34

Liebes Salzamt,

schön, dass du mein Schreiben in der Flut des Donaukanals trotzdem gefunden hast und mir sogar antwortest.
Und das mit der Nichtzuständigkeit ist nicht so schlimm, das sind wir Österreicherinnen bei den Behörden ja gewöhnt. Da ist nie jemand zuständig.

Traurig ist es aber schon irgendwie, dass man sich nicht mal mehr beim Salzamt beschweren kann.
datja (Gast) - 20. Feb, 18:48

WO KANN ICH MICH BESCHWEREN ?
das salzamt antwortet nicht wegen überlastung, ja wo kommen wir denn da hin?
ich will mich beschweren dass ich mich nicht beschweren kann - aber wo?
wer kann mir helfen?
wondering - 20. Feb, 22:28

bloß schön

Hey, ich weiß gar nicht, sind es zwei, drei oder fünf Jahre her, dass ich dein unglaubliches Lachen gehört habe? (In Bad Honnef oder wo war das noch?) Egal, wen interessiert die Zeit, wenn es die déjà vu gibt, oder?
Von mir gibts gerade bloß Fachbücher, aber auch schön (zumindest zum schreiben) ;)
Liebe Grüße an dich und den Herrn Stinki
wondering

testsiegerin - 20. Feb, 22:32

Ohhh. Welch Überraschung! Und welch Freude!
Schön, dass du dich hierher verirrt hast. Worum gehts in den Fachbüchern?
wondering - 20. Feb, 22:56

Traum, Imagination, Suggestion, Höheres und Niederes (ganz mein Ding) - und wenn ich nicht kurz vor den Prüfungen stehen würde, dann hätte ich mich schon längst auch mal weniger ernsthaft dazu ausgelassen - noch ca. zwei Monate (hoffentlich) dann schreib ich auch wieder anders! ich erinnere mich noch an unser Gespräch über deinen Job - bist du noch feste dabei?
gerda (Gast) - 21. Feb, 17:10

sorry, barbara, dass ich deinen blog benutze, um gemeinsame bekannte zu grüßen.

hi wondering,
kennst du mich auch noch?
ich finds schade, dass wir uns alle so aus den augen verloren haben.

ich schicke euch beiden ein ganz warmes lächeln.

gerda
testsiegerin - 21. Feb, 21:03

@ wondering: eh mach ich noch immer das selbe. ich hab ja nix anständiges gelernt ;-)
und ich drück die daumen für die beiden prüfungen.
und wünsche gute träume.

@ gerda: no problem. ich mag es, wenn mein blog kommunikationsplattform ist.
irishwolfhound - 21. Feb, 20:51

ja, ja, jaaaa!

der text trifft mich heute so richtig breitseite. wobei - ich hab das liebes leben auch ohne abstand. und es macht sogar morgens den kaffee! ich werde das in zukunft besser würdigen! versprochen.

und etwas ganz tolles ist mir heute in die mailbox geflattert! ein kollege stellt sein buch vor. und wer liest? meine lieblingsblogautorin! da erscheint mir landei sogar ein besuch in wien erträglich!

testsiegerin - 21. Feb, 21:17

mir landei ja auch.
ich bin neugierig, ob die landeier einander sofort erkennen.
ich freu mich auf dein kommen!

und das leben hat mir heute früh einen guten kaffee serviert. in gestalt des bankbeamten.
la-mamma - 21. Feb, 21:33

ist das eine dumme frage,

wenn ich jetzt frage, welcher kollege gemeint ist?
irishwolfhound - 21. Feb, 22:15

dafür …

… hat unser banker keinen kaffee ausgegeben beim letzten termin.

sind wir landeier hier unter uns? dann kann ich´s sagen. landeier erkennen einander am entspannteren gesichtsausdruck und dem lächeln im gesicht.

@ la-mamma: ein graphiker-kollege ist´s, von dem ich nicht wusste, dass er photographiert. wobei - wenn ich mir´s recht überlege, ist es eher ein berufsleiden, als graphikerIn auch zu photographieren … ;)
la-mamma - 22. Feb, 00:10

jetzt bin ich aber nicht

wirklich klüger als zuvor -
aber die frage scheint mir weniger dumm;-)
steppenhund - 22. Feb, 01:42

Dem Leben kann man nur auf eine Art begegnen ...

in Dankbarkeit.
Auch wenn die Tante Jolesch sagt, dass Gott allem abhüten soll, was noch ein Glück ist, so ist das Leben etwas Gegebenes.
Manche sollten halt noch ein bisschen dankbarer sein. Aber statt dessen erwischt sie die Steuerfahndung:)

testsiegerin - 22. Feb, 18:36

aber du musst zugeben, dass es momente im leben gibt, wo einem die dankbarkeit dem leben gegenüber ganz schön schwerfällt.
steppenhund - 22. Feb, 19:34

Es gab einmal einen Witz aus Israel, zusammenhängend mit dem ersten Ministerpräsidenten.
Zwei Israelis steigern sich, um die größte Zahl zu nennen.
"Eine Million"
- "Hundert Millionen"
- "Tausend Millionen"
- "Hunderttausend Millionen"
- "Ben Gurion" verkündet schließlich der eine triumphierend.
-
So ähnlich wird es wohl mit dem Leben sein. Es ist nicht quantifizierbar. Das zeigt sich ja auch an der Eigenschaft "schwanger sein".
Da ist wohl manche Frau nicht immer dankbar. Aber es ist ein entweder oder. Es ist Leben.
-
Wenn ich dich richtig verstanden habe, geht es dir ja nicht um eine eigene Situation sondern mum das Mitleiden und im Speziellen um das Gefühl der absoluten Ungerechtigkeit, die zu herrschen scheint.
-
Aber ich glaube, dass das Leben nichts für die Ungerechtigkeit kann. Das ist ein Dämon, der aus einer anderen Ecke kommt. In einem metaphysischen Sinn könnte ich darunter eine Erbsünde verstehen.
"Eritis sicut deus, scientes malum et bonum!" sagt die Schlange. Vielleicht kam das Unrecht erst damit in die Welt, weil wir Gutes und Böses unterscheiden wollten.
Vielleicht passiert die Erbsünde gerade in diesem Augenblick, weil wir sehen können und trotzdem nichts unternehmen. Da kann man ganz schön viel spekulieren.
Manche schaffen es, sich in der Religion ein Plätzchen zu sichern. Unangenehmer ist man dran, wenn man mit der Ungerechtigkeit allein fertig werden muss.
-
Aber das Leben kann da nichts dafür, glaube ich.
-
Natürlich verstehe ich deine Stimmung.
chrissie (Gast) - 2. Mär, 03:21

ach, liebe testi, lange nicht geregt hab ich mich.
aber die eine amsel in zwei zimmern,heul, und überhaupt.
das leben ist ne sau. aber dass du nur ein bischen schreiben kannst - da tuste ihm aber echt unrecht. im gegenteil - dahingehend hat es dich richtig feste geknutscht.

liebste grüsse von
chrissie

testsiegerin - 2. Mär, 10:11

Du hast mir jetzt auch ein Lächeln geschenkt, allein mit der Tatsache, dass du hier liest und heute auch kommentierst.
Ich glaub, wenn jemand weiß, dass das Leben manchmal ist, wie es ist, dann du, oder?
Das mit den Amseln war zwar schlimm, aber die drei Kätzchen (Bonadea, Lado und Hermes) täten dich bestimmt wieder versöhnen.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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Wie geht es unserer Testsiegerin?
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Lo - 5. Feb, 17:25
Vielen Dank! Du findest...
Vielen Dank! Du findest mehr von mir auf facebook ;-)
testsiegerin - 30. Jan, 10:40
Kurschatten ' echt keinen...
auch wenn diese deine Kur schon im Juni...xx? war,...
kontor111 - 29. Jan, 09:13
zum entspannen...Angel...meint
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kontor111 - 29. Jan, 08:44
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bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
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testsiegerin - 13. Jan, 11:30
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bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
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OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36

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