Donnerstag - Die Aufgabe
Jasmin Käfer hatte nicht viel von ihrem Großvater geerbt, nicht einmal den Nachnamen. Und jetzt lag sie mit einem wildfremden Kerl in einem wildfremden Bett. Der wildfremde Kerl hieß Ole Leander, Student der Altsemitischen Philologie und der Raumfahrttechnik. Das wildfremde Bett gehörte Edwin Huber, Seniorchef der Firma Schlafmöbel Huber. Heute auf den Tag genau vor hundert Jahren hatte sein Urgroßvater Adolf Huber die Firma gegründet. Aus Adolf Huber war nach dem Krieg A. Huber und nach dessen Tod einfach Huber geworden. Schlafmöbel Huber.
Es war nicht die Liebe, die Ole Leander und Jasmin gemeinsam ins Bett getrieben hatte, sondern die nackte Gier. Fünftausend Euro waren schließlich nicht zu verachten, wenn man jung war und das Geld brauchte. Soviel bekam nämlich der Gewinner des Wettbewerbes Ein Tag im Bett, den die Firma Huber zu ihrem hundertjährigen Jubiläum veranstaltete. Zwei andere Paare lagen in zwei weiteren Betten im Schaufenster des traditionsreichen Möbelhauses. Sie waren zuvor als Teilnehmer aus- und als Paare zusammengelost worden.
„Jasmin und Oleander, das klingt hübsch“, hatte Jasmin gescherzt, als sie einander vorgestellt wurden.
„Ole Leander“, hatte Ole Leander sie etwas beleidigt verbessert. Sie war offensichtlich nicht die erste, die mit seinem Vornamen Schabernack trieb.
Er war ohnehin etwas gereizt, denn so früh stand er sonst nicht auf. Eigentlich nie vor zwölf. Aber was tut man nicht alles für Geld? Sie hatten noch den fünfseitigen Vertrag unterschreiben und sich damit einverstanden erklären müssen, dass das Möbelhaus ihre Fotos für Werbezwecke benutzen durfte, für eventuell auftretende Verletzungen jedoch nicht haftete. Jasmin hatte zusätzlich die Unterschrift ihrer Eltern benötigt, da sie noch minderjährig war. Dann wurden ihnen feierlich geschmacklos karierte Flanellpyjamas ausgehändigt, die die Erotik jener Zeit ausstrahlten, als das Möbelhaus noch Adolf Huber hieß. Mit den Worten „Ich schlafe aber nackt“, hatte Leander Entsetzen in Jasmins Gesicht gemeißelt. Zu ihrer Erleichterung gehörte das Tragen der Schlafanzüge zu den vertraglich geregelten Vereinbarungen.
Nun lagen die Beiden in einem Doppelbett aus gewachster Birne und warteten. Pünktlich um neun gingen die Rollläden hoch und die ersten Zuschauer drückten sich am Schaufenster die neugierigen Nasen platt.
„Muss man Betten aus gewachster Birne erst schälen, bevor man hineinbeißt?“, versuchte Jasmin erneut das Eis zu brechen.
„Birnbaumholz ist ein besonders formstabiles Holz. Grund dafür sind die so genannten Steinzellen, die im Holz filzartig verflochten sind. Deshalb lässt es sich auch hervorragend schnitzen. Wegen seiner geringen Dauerhaftigkeit kann es aber nur für den Innenbereich genutzt werden.“
Immerhin hatte er geantwortet, wenn auch nicht auf der gleichen Wellenlänge. Der Typ war ja ein wandelndes Lexikon, da hatten sie gute Chancen, das Quiz zu gewinnen.
„Ich erkläre Ihnen jetzt die Spielregeln.“ Edwin Huber überreichte jedem Paar ein Stück Kreide und eine Schiefertafel. Das Computerzeitalter war ohne Zweifel an der Schlafmöbelindustrie vorbeigegangen.
„Sie haben für jede Frage eine Minute Bedenkzeit, dann ertönt ein Gong und Sie halten bitte die Tafel mit der hoffentlich richtigen Antwort in Richtung der Zuschauer vor dem Schaufenster. Das Paar, das zuerst zwölf richtige Antworten hat, ist Sieger. Aber bevor es losgeht, servieren wir Ihnen noch ein köstliches Frühstück im Bett!“
Das köstliche Frühstück entpuppte sich als eine Mischung aus trockenen Semmeln, Butter, Marillenmarmelade und dünnflüssigem, durchsichtigen Kaffee.
„Ich hab schon gefrühstückt“, log Jasmin, „außerdem kann ich Brösel im Bett nicht leiden. Vergiss nicht, dass wir hier den ganzen Tag verbringen.“
„Wer nie sein Brot im Bette aß, weiß nicht, wie Krümel pieken.“
„Ich muss eh nicht alles wissen.“
„Wenn du die 5.000 Euro gewinnen willst, dann schon. Komm, lächle, wir werden fotografiert“, Ole biss in die Semmel und auf einmal strahlte er wie ein Hutschpferd, „die Frau da draußen, neben dem Typen von der Presse, das ist meine Oma.“ Er winkte und Oma Leander winkte begeistert zurück. Jasmin biss sich nur auf die Lippen und strahlte nicht. Fotograf. Presse. Hoffentlich kamen nicht zufällig Klassenkameraden vorbei, oder ihr Klassenvorstand. Aufgrund eines Todesfalles in der Familie kann Jasmin am Donnerstag nicht am Unterricht teilnehmen, hatte ihre Mutter ins Mitteilungsheft geschrieben.
Ganz gelogen war das nicht, denn schließlich war gestern der Dackel ihres Großvaters gestorben.
Während sich Ole das zweitklassige Frühstück in den Mund stopfte, beäugte Jasmin neidisch die Paare in den Nachbarbetten. Scheinbar hatten die beiden anderen Frauen mehr Losglück gehabt, denn sie unterhielten sich mit ihren Spielpartnern großartig. Endlich wurde das Geschirr abgeräumt und der Gong zur ersten Runde ertönte.
„Zum Auftakt eine ganz leichte Frage, damit Sie ein bisschen warm werden. Wo stand das Bett, das Jürgen Drews 1976 besang?“
„Jürgen wer?“ Ole litt offensichtlich unter Schwerhörigkeit.
„Jürgen Drews“, wiederholte Jasmin.
„Das habe ich verstanden. Wer soll das sein?“
„Sag mal, bist du blöd? Das ist der König von Mallorca.“
„Soweit ich weiß, gehört Mallorca zu Spanien. Und der König von Spanien ist Juan Carlos Alfonso Victor Maria de Borbón y Borbón.“
„Bonbon?“
„Borbón.“
Gong!
„Die richtige Antwort lautet Kornfeld. Das bedeutet je einen Punkt für die Paare Nussbaum und Ahorn. Das Paar Birne hat leider nichts auf die Tafel geschrieben.“
„Jetzt hast du es, du Depp“, zischte Jasmin. „Mann, ist das peinlich.“
„Warum hast du es denn nicht aufgeschrieben?“, ging er zum Angriff über.
„Weil du mit einer Hand die Tafel umklammerst und mit der anderen die Kreide, du Birne!“
Er reichte ihr beides. „Bitte sehr. Wer ist nun dieser König?“
„Jürgen Drews. So ein Schlagerfuzzi. Meine Tante hört so was gern“, erklärte sie.
Ole winkte noch einmal seiner Oma. „Nicht traurig sein, Oma. Wir holen schon noch auf“, brüllte er und die anderen Kandidaten lachten.
„Womit war laut Homer das Bett des Odysseus bespannt?“
„Na, Fräulein Besserwisser?“
Jasmin wurde blass. „Sag schon. Ich kenne nur Homer Simpson.“
Ole rezitierte er aus der Ilias, während die Sekunden verrannen.
Schnitzt' ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt' ihn rings mit dem Bohrer,
Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,
Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war;
Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut ...
Jasmin kritzelte hastig die Lösung auf die Tafel und hielt diese mit dem Gongschlag in die Höhe. Die Menschenmenge vor dem Schaufenster applaudierte.
„Stierhaut! Der Punkt geht an das Paar Birne.“
„Danke“, flüsterte Jasmin.
„Wer spielt die weibliche Hauptrolle in dem amerikanischen Spielfilm Der Feind in meinem Bett?“
Diesmal verkniffen sich die Beiden eine Diskussion. Siegessicher schrieb Jasmin Julia Roberts auf die Tafel. „Ich habe all ihre Filme gesehen.“
Das hatte Frau Nussbaum allerdings auch getan und sicherte ihrem Team ebenfalls einen Punkt. Herr und Frau Ahorn gingen diesmal leer aus, lächelten sich aber inzwischen vieldeutig an, wie Jasmin mit Kennerblick feststellte. Das war natürlich unprofessionell und eine schlechte Vorraussetzung für den Gesamtsieg. Folgerichtig gerieten die Ahorns schnell in Rückstand, weil sie weder wussten, von welcher Sängerin die Dokumentation In Bed With Madonna handelt, noch welches winzig kleine Gemüse eine echte Prinzessin im Andersenschen Märchen durch zwanzig Matratzen hindurch gespürt haben soll.
Wie erwartet hatte Ole keine Ahnung, wer Madonna ist, wusste aber, dass zwischen der Erbse und der Prinzessin außer den Matratzen noch zwanzig Eiderdaunendecken lagen.
„Wie heißt der amerikanische Spielfilm mit Doris Day und Rock Hudson aus dem Jahr 1959?“ Ole starrte Jasmin an und Jasmin starrte aus dem Fenster. Da draußen stand ein Mann im Trenchcoat mit schulterlangen, dunklen Haaren und tiefbraunen Augen. Ein Mann mit den schönsten Fingern der Welt. Das wusste sie, obwohl er die Hände in den Manteltaschen vergraben hatte. Da draußen stand Paul, ihr Klavierlehrer.
Ole hielt ein Kurzreferat über die Machtübernahme durch Fidel Castro am 1. Jänner des Jahres 1959. Jasmin vergrub sich unter der Decke und schämte sich. Nicht, weil sie die ganze Woche nicht zum Klavierüben gekommen war, sondern weil da draußen Paul stand, der Mann, mit dem sie alle Jungs verglich. Der Mann, dem sie Liebesbriefe schrieb, die sie nie abschickte. Dieser Mann stand jetzt vor den Schaufenstern des Möbelgeschäftes und betrachtete Schlafzimmer.
Das Klavier ist Wiege und Bahre, Wanne und Sarg, ist Bett - und als Bett nichts weniger als Alles, hatte er gesagt, als sie in der letzten Stunde wütend auf den Flügel eingehämmert hatte.
Warum zum Teufel betrachtete Paul Schlafzimmer, wenn er doch ein Klavier hatte? Ein richtiges Bett hatte er vermutlich auch, warum also brauchte er noch eines? Ein größeres womöglich. Wahrscheinlich ruhten seine Augen in diesem Moment auf dem Doppelbett mit dem schmiedeeisernen Metallrahmen rechts hinten. Und ein paar Zentimeter hinter seinen Augen spielten sich soeben Liebesszenen mit einer vollbusigen Musikstudentin ab, wobei sowohl die Matratze wie auch Rahmen erheblich strapaziert wurden.
Mit einem Auge schielte Jasmin unter der Bettdecke hervor und sah, wie sich Paul vor Lachen bog.
„Die richtige Lösung lautet Bettgeflüster - und damit geht der einzige Punkt an das Paar Nussbaum, das jetzt mit sieben Punkten führt, vor dem Paar Birne mit sechs Punkten.“
Während Paul, der sich noch immer lachend schüttelte, zu Jasmins Erleichterung das Weite suchte, riss sie ihrem Spielpartner die Tafel aus der Hand. Die Bettwurst, stand da.
„Ein anderer Film ist mir nicht eingefallen“, entschuldigte sich Ole.
Immerhin hatte Paul sie nicht als Bettwurst im Birnenbett gesehen, tröstete sich Jasmin.
Fortsetzung folgt...
Es war nicht die Liebe, die Ole Leander und Jasmin gemeinsam ins Bett getrieben hatte, sondern die nackte Gier. Fünftausend Euro waren schließlich nicht zu verachten, wenn man jung war und das Geld brauchte. Soviel bekam nämlich der Gewinner des Wettbewerbes Ein Tag im Bett, den die Firma Huber zu ihrem hundertjährigen Jubiläum veranstaltete. Zwei andere Paare lagen in zwei weiteren Betten im Schaufenster des traditionsreichen Möbelhauses. Sie waren zuvor als Teilnehmer aus- und als Paare zusammengelost worden.
„Jasmin und Oleander, das klingt hübsch“, hatte Jasmin gescherzt, als sie einander vorgestellt wurden.
„Ole Leander“, hatte Ole Leander sie etwas beleidigt verbessert. Sie war offensichtlich nicht die erste, die mit seinem Vornamen Schabernack trieb.
Er war ohnehin etwas gereizt, denn so früh stand er sonst nicht auf. Eigentlich nie vor zwölf. Aber was tut man nicht alles für Geld? Sie hatten noch den fünfseitigen Vertrag unterschreiben und sich damit einverstanden erklären müssen, dass das Möbelhaus ihre Fotos für Werbezwecke benutzen durfte, für eventuell auftretende Verletzungen jedoch nicht haftete. Jasmin hatte zusätzlich die Unterschrift ihrer Eltern benötigt, da sie noch minderjährig war. Dann wurden ihnen feierlich geschmacklos karierte Flanellpyjamas ausgehändigt, die die Erotik jener Zeit ausstrahlten, als das Möbelhaus noch Adolf Huber hieß. Mit den Worten „Ich schlafe aber nackt“, hatte Leander Entsetzen in Jasmins Gesicht gemeißelt. Zu ihrer Erleichterung gehörte das Tragen der Schlafanzüge zu den vertraglich geregelten Vereinbarungen.
Nun lagen die Beiden in einem Doppelbett aus gewachster Birne und warteten. Pünktlich um neun gingen die Rollläden hoch und die ersten Zuschauer drückten sich am Schaufenster die neugierigen Nasen platt.
„Muss man Betten aus gewachster Birne erst schälen, bevor man hineinbeißt?“, versuchte Jasmin erneut das Eis zu brechen.
„Birnbaumholz ist ein besonders formstabiles Holz. Grund dafür sind die so genannten Steinzellen, die im Holz filzartig verflochten sind. Deshalb lässt es sich auch hervorragend schnitzen. Wegen seiner geringen Dauerhaftigkeit kann es aber nur für den Innenbereich genutzt werden.“
Immerhin hatte er geantwortet, wenn auch nicht auf der gleichen Wellenlänge. Der Typ war ja ein wandelndes Lexikon, da hatten sie gute Chancen, das Quiz zu gewinnen.
„Ich erkläre Ihnen jetzt die Spielregeln.“ Edwin Huber überreichte jedem Paar ein Stück Kreide und eine Schiefertafel. Das Computerzeitalter war ohne Zweifel an der Schlafmöbelindustrie vorbeigegangen.
„Sie haben für jede Frage eine Minute Bedenkzeit, dann ertönt ein Gong und Sie halten bitte die Tafel mit der hoffentlich richtigen Antwort in Richtung der Zuschauer vor dem Schaufenster. Das Paar, das zuerst zwölf richtige Antworten hat, ist Sieger. Aber bevor es losgeht, servieren wir Ihnen noch ein köstliches Frühstück im Bett!“
Das köstliche Frühstück entpuppte sich als eine Mischung aus trockenen Semmeln, Butter, Marillenmarmelade und dünnflüssigem, durchsichtigen Kaffee.
„Ich hab schon gefrühstückt“, log Jasmin, „außerdem kann ich Brösel im Bett nicht leiden. Vergiss nicht, dass wir hier den ganzen Tag verbringen.“
„Wer nie sein Brot im Bette aß, weiß nicht, wie Krümel pieken.“
„Ich muss eh nicht alles wissen.“
„Wenn du die 5.000 Euro gewinnen willst, dann schon. Komm, lächle, wir werden fotografiert“, Ole biss in die Semmel und auf einmal strahlte er wie ein Hutschpferd, „die Frau da draußen, neben dem Typen von der Presse, das ist meine Oma.“ Er winkte und Oma Leander winkte begeistert zurück. Jasmin biss sich nur auf die Lippen und strahlte nicht. Fotograf. Presse. Hoffentlich kamen nicht zufällig Klassenkameraden vorbei, oder ihr Klassenvorstand. Aufgrund eines Todesfalles in der Familie kann Jasmin am Donnerstag nicht am Unterricht teilnehmen, hatte ihre Mutter ins Mitteilungsheft geschrieben.
Ganz gelogen war das nicht, denn schließlich war gestern der Dackel ihres Großvaters gestorben.
Während sich Ole das zweitklassige Frühstück in den Mund stopfte, beäugte Jasmin neidisch die Paare in den Nachbarbetten. Scheinbar hatten die beiden anderen Frauen mehr Losglück gehabt, denn sie unterhielten sich mit ihren Spielpartnern großartig. Endlich wurde das Geschirr abgeräumt und der Gong zur ersten Runde ertönte.
„Zum Auftakt eine ganz leichte Frage, damit Sie ein bisschen warm werden. Wo stand das Bett, das Jürgen Drews 1976 besang?“
„Jürgen wer?“ Ole litt offensichtlich unter Schwerhörigkeit.
„Jürgen Drews“, wiederholte Jasmin.
„Das habe ich verstanden. Wer soll das sein?“
„Sag mal, bist du blöd? Das ist der König von Mallorca.“
„Soweit ich weiß, gehört Mallorca zu Spanien. Und der König von Spanien ist Juan Carlos Alfonso Victor Maria de Borbón y Borbón.“
„Bonbon?“
„Borbón.“
Gong!
„Die richtige Antwort lautet Kornfeld. Das bedeutet je einen Punkt für die Paare Nussbaum und Ahorn. Das Paar Birne hat leider nichts auf die Tafel geschrieben.“
„Jetzt hast du es, du Depp“, zischte Jasmin. „Mann, ist das peinlich.“
„Warum hast du es denn nicht aufgeschrieben?“, ging er zum Angriff über.
„Weil du mit einer Hand die Tafel umklammerst und mit der anderen die Kreide, du Birne!“
Er reichte ihr beides. „Bitte sehr. Wer ist nun dieser König?“
„Jürgen Drews. So ein Schlagerfuzzi. Meine Tante hört so was gern“, erklärte sie.
Ole winkte noch einmal seiner Oma. „Nicht traurig sein, Oma. Wir holen schon noch auf“, brüllte er und die anderen Kandidaten lachten.
„Womit war laut Homer das Bett des Odysseus bespannt?“
„Na, Fräulein Besserwisser?“
Jasmin wurde blass. „Sag schon. Ich kenne nur Homer Simpson.“
Ole rezitierte er aus der Ilias, während die Sekunden verrannen.
Schnitzt' ihn zum Fuße des Bettes, und bohrt' ihn rings mit dem Bohrer,
Fügete Bohlen daran, und baute das zierliche Bette,
Welches mit Gold und Silber und Elfenbeine geschmückt war;
Und durchzog es mit Riemen von purpurfarbener Stierhaut ...
Jasmin kritzelte hastig die Lösung auf die Tafel und hielt diese mit dem Gongschlag in die Höhe. Die Menschenmenge vor dem Schaufenster applaudierte.
„Stierhaut! Der Punkt geht an das Paar Birne.“
„Danke“, flüsterte Jasmin.
„Wer spielt die weibliche Hauptrolle in dem amerikanischen Spielfilm Der Feind in meinem Bett?“
Diesmal verkniffen sich die Beiden eine Diskussion. Siegessicher schrieb Jasmin Julia Roberts auf die Tafel. „Ich habe all ihre Filme gesehen.“
Das hatte Frau Nussbaum allerdings auch getan und sicherte ihrem Team ebenfalls einen Punkt. Herr und Frau Ahorn gingen diesmal leer aus, lächelten sich aber inzwischen vieldeutig an, wie Jasmin mit Kennerblick feststellte. Das war natürlich unprofessionell und eine schlechte Vorraussetzung für den Gesamtsieg. Folgerichtig gerieten die Ahorns schnell in Rückstand, weil sie weder wussten, von welcher Sängerin die Dokumentation In Bed With Madonna handelt, noch welches winzig kleine Gemüse eine echte Prinzessin im Andersenschen Märchen durch zwanzig Matratzen hindurch gespürt haben soll.
Wie erwartet hatte Ole keine Ahnung, wer Madonna ist, wusste aber, dass zwischen der Erbse und der Prinzessin außer den Matratzen noch zwanzig Eiderdaunendecken lagen.
„Wie heißt der amerikanische Spielfilm mit Doris Day und Rock Hudson aus dem Jahr 1959?“ Ole starrte Jasmin an und Jasmin starrte aus dem Fenster. Da draußen stand ein Mann im Trenchcoat mit schulterlangen, dunklen Haaren und tiefbraunen Augen. Ein Mann mit den schönsten Fingern der Welt. Das wusste sie, obwohl er die Hände in den Manteltaschen vergraben hatte. Da draußen stand Paul, ihr Klavierlehrer.
Ole hielt ein Kurzreferat über die Machtübernahme durch Fidel Castro am 1. Jänner des Jahres 1959. Jasmin vergrub sich unter der Decke und schämte sich. Nicht, weil sie die ganze Woche nicht zum Klavierüben gekommen war, sondern weil da draußen Paul stand, der Mann, mit dem sie alle Jungs verglich. Der Mann, dem sie Liebesbriefe schrieb, die sie nie abschickte. Dieser Mann stand jetzt vor den Schaufenstern des Möbelgeschäftes und betrachtete Schlafzimmer.
Das Klavier ist Wiege und Bahre, Wanne und Sarg, ist Bett - und als Bett nichts weniger als Alles, hatte er gesagt, als sie in der letzten Stunde wütend auf den Flügel eingehämmert hatte.
Warum zum Teufel betrachtete Paul Schlafzimmer, wenn er doch ein Klavier hatte? Ein richtiges Bett hatte er vermutlich auch, warum also brauchte er noch eines? Ein größeres womöglich. Wahrscheinlich ruhten seine Augen in diesem Moment auf dem Doppelbett mit dem schmiedeeisernen Metallrahmen rechts hinten. Und ein paar Zentimeter hinter seinen Augen spielten sich soeben Liebesszenen mit einer vollbusigen Musikstudentin ab, wobei sowohl die Matratze wie auch Rahmen erheblich strapaziert wurden.
Mit einem Auge schielte Jasmin unter der Bettdecke hervor und sah, wie sich Paul vor Lachen bog.
„Die richtige Lösung lautet Bettgeflüster - und damit geht der einzige Punkt an das Paar Nussbaum, das jetzt mit sieben Punkten führt, vor dem Paar Birne mit sechs Punkten.“
Während Paul, der sich noch immer lachend schüttelte, zu Jasmins Erleichterung das Weite suchte, riss sie ihrem Spielpartner die Tafel aus der Hand. Die Bettwurst, stand da.
„Ein anderer Film ist mir nicht eingefallen“, entschuldigte sich Ole.
Immerhin hatte Paul sie nicht als Bettwurst im Birnenbett gesehen, tröstete sich Jasmin.
Fortsetzung folgt...
testsiegerin - 2. Sep, 08:15
herrliches buch!
ach! was für eine schöne woche, deine woche im bett.
dafür lohnt es sich aufzustehen!