Strafe muss sein?

Mit ausgestreckten Armen stand ich in der Ecke. Auf den ausgestreckten Armen lag die mit Büchern vollgestopfte Schultasche. Die Übung war nicht Teil eines perversen Fitnesstrainings, sondern eine perverse Strafe. So lange müsse ich dort stehen, verlangte die Lehrerin, bis ich mich entschuldigte.
Ich entschuldigte mich nicht, weil ich mir keiner Schuld bewusst war. Irgendwann ging mir die Kraft aus und die Schultasche fiel zu Boden. Zu Hause schimpfte meine Mama, weil eines der Bücher eine abgestoßene Ecke hatte.
Ich weiß nicht mehr, was ich angestellt habe, bestimmt nicht Schlimmes, ich war ein eher braves, vielleicht ein wenig freches Mädchen. Vielleicht lagen ein paar verschimmelte Apfelbutzen in meinem Bankfach.
Was ich damals gelernt habe?
Dass LehrerInnen mehr Macht haben als Kinder. Dass sie manchmal verdammt ungerecht sind und ihre Fehler nicht einsehen. Dass sie von Kindern Entschuldigungen erwarten, sich selbst jedoch nie entschuldigen.

Was ich durch solche Sanktionen sicher nicht gelernt habe: Respekt vor ihnen zu haben.

Mein Bruder kam mit roten Ohren von der Schule nach Hause. Nicht, weil es draußen so kalt war, sondern weil der Lehrer sie ihm eingedreht hat, so weit es ging. Jeder wusste, dass der Lehrer das machte, keiner unternahm etwas dagegen. Was mein Bruder angestellt hat? Keine Ahnung, sicher nichts Schlimmes.

Aus uns beiden sind rechtschaffene Menschen geworden, mehr oder weniger. Eher mehr. Nicht wegen dieser Unterrichtsmethoden, sondern trotzdem. Wegen unseres starken Rückgrats. Weil wir uns durch Muskelkater in den Armen und verbogenen Ohren nicht verbiegen haben lassen.

Einleitung Ende.

Die Lehrergewerkschaft möchte Straf- und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Schülern ausweiten, hab ich heute gelesen. Sie hätten ein Recht auf Respekt, aber beim Setzen von Grenzen wären ihnen ebensolche gesetzt.
Natürlich haben sie ein Recht auf Respekt. Jeder und jede hat das. Sogar SchülerInnen.

Liebe LehrerInnen,
Respekt ist nichts einseitiges, sondern ein Geben und Nehmen. Lehrerinnen, die ihre Schülerinnen respektvoll behandeln, schreien nicht nach Sanktionsmöglichkeiten. Irgendwie bin ich total entsetzt. Ich arbeite ja auch in der Sozialbranche, und ich hab unter meinen KlientInnen auch welche, die mitunter schwierig, laut, aggressiv sind. Ihr Verhalten hat Konsequenzen. Wenn sie nicht rechtzeitig aufs Arbeitsamt gehen, wird ihnen die Notstandshilfe gestrichen. Das ist keine Sanktion, sondern eine Konsequenz. So ist das Leben. Wenn sie einen Bankbeamten nach dem anderen wüst beschimpfen, werden sie irgendwann kein Konto mehr haben. Blöd, aber eine Konsequenz, keine Strafe.

Wenn ich mit schwierigen KlientInnen nicht zurechtkomme (und das passiert schon mal) bespreche ich die Situation im Team. Reflektiere, wie ich anders hätte mit der Situation umgehen können. Nehme mir ein paar Stunden Supervision. Besuche Fortbildungen und Kurse, um mich besser zu rüsten.

Das vermisse ich bei den LehrerInnen. Oder ist der Schrei nach mehr Fortbildungsangeboten, nach einer besseren Ausbildung, nach Ideen für einen kreativen Umgang mit Konflikten, einer gelingenden Kommunikation etc. nicht bis an mein schwerhöriges Ohr gedrungen?

Fast 80 Prozent der LehrerInnen fordern mehr Straf- und Sanktionsmöglichkeiten. Und wenn wir schon dabei sind, Eltern, die nur mangelhaft kooperieren, die sollen auch bestraft werden. Sind wir bei der Stasi oder in der Schule?

Einen Gehörschutz hätten sie auch gern, die LehrerInnen, weil es in den Klassen so laut ist.
Aber ich will nicht verallgemeinern. Es gibt auch PädagogInnen, die so spannend unterrichten, dass die Kinder automatisch bei der Sache sind. Es gibt Lehrerinnen, die hängen einen Gong in der Klasse auf, und jedes Kind, dem es zu laut ist, schlägt den Gong. Dadurch senkt sich der Pegel wieder auf ein erträgliches Maß, ganz ohne Eingreifen oder Sanktion der LehrerInnen.

Ah ja. Und Verhaltensnoten möchten sie auch gern wieder einführen. Ja, das hilft bestimmt. Ich erinnere mich, dass ab einem gewissen Alter diejenigen mit den schlechtesten Beurteilungen in Betragen für die anderen die coolsten und mutigsten waren. Die wurden von den Strebern bewundert und angehimmelt.

Mich hat niemand angehimmelt. Dafür war ich dann doch wieder zu brav.
david ramirer - 16. Okt, 20:40

die ganze derzeitige bildungspolitik ist eine einbahnstraße.
die ziele zu erreichen wird für schüler und lehrer immer schwieriger, und der immer höhere erwartungsdruck, der den schulen als ganzes immer mehr entgegenschlägt, prallt auch gegen die lehrer. der wunsch der lehrer nach strafmöglichkeiten hat etwas pubertär hilfloses - der wunsch nach mehr körperlichkeit in einer immer abstrakter werdenden anforderungsspirale.
bei den jugendlichen, die diesem druck ausgeliefert sind, macht sich diese energie nicht selten durch gewalttaten luft, die oft in den letzten jahren ausmaße erreichen, die weit über das hinausgehen, was man jugendlichen zutraut (amokläufe, happy slapping, etc. ... ganz im konnex zu dem, was alles von 17jährigen bereits an wissen, erfahrung und reife verlangt wird, um im berufsleben auch nur die unterste sprosse erreichen zu können. wobei das berufsleben ja in den meisten fällen erst nach einem studium begonnen wird, was den anforderungen noch eines draufsetzt, aber das ist eine andere geschichte).

die hilflosigkeit der lehrer - das sehe ich als botschaft hinter diesem wunsch nach gebilligten züchtigungsoptionen, quasi als metainformation. die lehrer wollen auch ein bisserl amoklaufen.
ganz unverständlich ist das nicht - aber auch sicher ein alarmsignal.

SuperWeib - 16. Okt, 21:20

Angst und Respekt sind zwei Paar Schuhe - das müssen einige LehrerInnen offenbar erst lernen.

Als ich in die Schule ging, gab es einen Lehrer bei dem ganz "normal" war, dass er mal eine Kopfnuss austeilt. Oder mit seinem großen, schweren Schlüsselbund aus einiger Entfernung auf einen Schülerkopf zielte. Oder seine SchülerInnen mit einem Stück Kreide beschoss. Auch eine Ohrfeige war ab und zu drinnen. Kaum jemand störte das - der Lehrer war schon älter und viele der Eltern meiner Mitschüler wurden schon von ihm unterrichtet... "Mir hats ja auch nicht geschadet...".
Eines hat dieser Lehrer aber nie und bei keinem Schüler erreicht: Respekt. Das einzige, was wir hatten, war Angst. Pure, riesengroße Angst. Nur nicht zu schnell bewegen. Nicht mit dem Sitznachbarn reden. Und wehe, man vergaß mal etwas... oder noch schlimmer: Man verstand seine ach so weisen Worte nicht auf Anhieb...

Die Lehrer, vor denen ich noch heute Respekt habe, haben solche Methoden nie gebraucht. Die haben nicht mal irgendwelche Strafarbeiten a la "100 mal 'Ich darf meine Hausübung nicht vergessen' schreiben" gebraucht. Und das waren auch die Lehrer, bei denen ich gerne und leicht gelernt habe, die mich für einen Gegenstand, für ein Thema begeistern konnten. Einfach, weil mein Denken nicht von der Angst vor dem Lehrer blockiert war...

Köppnick - 17. Okt, 09:34

Aus uns beiden sind rechtschaffene Menschen geworden, mehr oder weniger. Eher mehr. Nicht wegen dieser Unterrichtsmethoden, sondern trotzdem.

Anlässlich einer Diskussion an einem ganz anderen Ort bin ich in den letzten zwei Tagen auch auf dieses Thema gestoßen. Es könnte sein, dass sich unabhängig von den Unterrichtsmethoden immer (oder meistens) der angeborene Charakter der Kinder durchsetzt. Wenn die Kinder in sich stabil sind, dann kann der Lehrer an den Ohren drehen wie er will, er erreicht damit nichts. Wenn die Lehrkräfte mehr Strenge fordern, zeigen sie bloß ihre Hilflosigkeit (oder ihre Machtlosigkeit).

Es gab an meiner ehemaligen Uni vor langer Zeit eine Untersuchung der Qualität der Seminare. Das verblüffende Ergebnis: Es gab keinen Zusammenhang zwischen der von den Studenten bewerteten Qualität der Veranstaltungen und den Abschlussnoten. Die Erklärung: Wer ein Seminar als mangelhaft empfand, hat die Anstrengungen im Selbststudium verstärkt.

Das könnte bei Kindern auch so sein, eine als ungerecht empfundene Behandlung wird kompensiert. Natürlich rechtfertigt das das kritisierte Verhalten der Lehrkräfte nicht, aber der Schaden könnte kleiner sein, als man im ersten Moment denkt.

Uta-Traveller - 19. Okt, 19:50

ich habe mich vor etlichen Jahren als Nachhilfelehrerin selbstständig gemacht und versuche seither - mehr oder weniger erfolgreich, meist glücklicherweise mehr - meine Schüler mit der Mathematik zu versöhnen

was mir immer wieder aufgefallen ist in all den Jahren:
wenn ich frage, bei welchem Lehrer, welcher Lehrerin der/die Jugendliche Unterricht hat, fallen immer dieselben Namen, obwohl es an den betreffenden Schulen noch mehr Mathematik-LehrerInnen gibt
ich finde das bezeichnend

den Ruf nach mehr Strafmöglichkeiten finde ich erschreckend, kann ihn manchmal allerdings auch nachvollziehen
weil bei einer ganzen Menge von Schülern grundlegende Verhaltensregeln für ein Zusammenleben und -arbeiten schlichtweg fehlen
da ist schon im Elternhaus - meiner Meinung nach - sehr viel falsch gelaufen, dass die Lehrer ausbügeln sollen

trotzdem: die Persönlichkeit eines Lehrers/einer Lehrerin ist ein ganz entscheidender Faktor, ob es im Unterricht läuft oder nicht

Flocki (Gast) - 21. Okt, 07:20

Ich glaube, die Kids von heute sind nicht prinzipiell anders als vor zwanzig, dreißig oder mehr Jahren. Abgesehen davon, dass die oft falsch verstandene oder umgesetzte antiautoritäre Erziehung hier einiges versemmelt hat, glaube ich nicht, dass sich diese Generation grundsätzlich schwieriger handhaben lässt, als andere davor. Was mir aber seit Jahren auffällt, ist, dass die Generation der neuen LehererInnen immer jünger, immer unerfahrener und immer weichgespülter ihren Job antritt, mit Piepsstimmchen, stotternd und den Tränen nahe, wenn nicht alle gleich gespannt lauschen und funkionieren, versucht, Wissen zu vermitteln.
Erziehung dürfte eine Frage von Autorität sein, die der Einzelne ausstrahlt. Kinder sind ja nicht blöde, oder heute nicht blöder als damals, und merken schon, wenn da wer vor ihnen steht, der sich vor Angst bald in die Hosen macht.
Viel mehr als ein Schreien nach mehr Strafmöglichkeiten - so meine Meinung - ein Schrei aus der Gilde derer, die sich eher weniger für diesen anspruchsvollen Beruf eignen, denen es an eben dieser wichtigen Autorität mangelt und deren Persönlichkeit nicht ausgeprägt genug ist, um allein durch Anwesenheit eine Basis von dem zu legen, was eine funktionierende Zusammenarbeit benötigt: Respekt.
Wahrscheinlich wäre es sinnvoller, werdende Lehrkräfte vor dem Berufsantritt einer Art Test zu unterziehen, ob sie sich überhaupt für diesen Job eignen. Müsste ich die Lehrer an unseren Schulen, die ich kenne, nach Eignung benoten, würden mehr als die Hälfte durchfallen. Und das die bald an ihre Grenzen geführt werden, liegt sicher nicht nur an der Jugendgeneration, und auch nicht nur an der Elterngeneration, die schon einiges verbockt hat.

Köppnick - 21. Okt, 20:10

Was mir aber seit Jahren auffällt, ist, dass die Generation der neuen LehererInnen immer jünger, immer unerfahrener und immer weichgespülter ihren Job antritt

Das dürfte ein Beobachtungsbias sein, weil man selbst immer älter und abgeklärter wird. Mir geht es nämlich mit Studenten auch so - die werden immer jünger und kindlicher. ;-)

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