Sonntag, 28. Juli 2013

Herwig und Raphael

Herwig hat mich heute besucht, der Waldviertler Mohnbauer. Mohn hat er mitgebracht, Blaumohn, Weißmohn und Graumohn. Und ganz viele frische Mohnzelten, ich hab ihm ja erzählt, dass ich die so mag. Ich hab ihm Kaffee angeboten und er hat mich angestrahlt. Ich bin erst in seine Augen gefallen und dann über den Stein, der auf dem Weg in den Garten lag. Dabei hab ich mir den Knöchel verstaucht. Umgeknackst, weil ich die hohen Schuhe anhatte, um attraktiv zu sein für ihn.
Herwig und ich haben im Garten Kaffee getrunken. Er hat ziemlich gestaunt, als er Raphael, den Elefanten, im Garten gesehen hat. „Herwig – Raphael, mit ph – weil man Elefant früher auch mit ph geschrieben hat“ hab ich die beiden einander vorgestellt. Herwig hat gestaunt, aber er hat nicht weiter gefragt. Bin ich so durchgeknallt, frage ich mich, dass die Leute nicht mal fragen, warum da ein Elefant in meinem Garten ist?

Als Herwig seine Wunde auf der Pfote, die beim Elefanten nicht Pfote, sondern einfach Fuß heißt, gesehen hat, hat er gemeint: „Versuch es mit Mohnwickeln. Hat meine Mutter auch immer gemacht.“ Nach dem Lindenblütentee mit frischen Ringelblumen, die Raphael ja irrtümlich ausgetrunken hat, versuchen wir es jetzt mit Mohnumschlägen. Ich finde die Mohnmühle nicht. Herwig und ich sind drei Stunden lang damit beschäftigt, Mohn im kleinen Steinmörser zu mahlen. „Ich habe eine Kaffeemühle“, schlage ich vor, aber Herwig ist mohnmäßiger Purist. „Wenn ich wiederkomme, nehme ich dir eine Mohnmühle mit“, sagt er.
„Oh“, ich erröte. Nicht wegen der Mohnmühle, sondern weil er wiederkommen will. Trotz Raphael. Vielleicht auch wegen Raphael.
Herwig hat eine Hand für Elefanten. Behutsam und sicher hebt er den verletzten Fuß, nachdem er den Mohn in ein großes Tuch gewickelt hat, und schlingt es um Raphaels Vorderfuß. Raphael nimmt ihm dafür mit seinem Rüssel seine Kappe weg. Raphael hat viel Humor. Den muss man auch haben in unserer Familie, sonst hält man das nicht aus.
Ich strecke Herwig auch meinen verstauchten Fuß hin und Herwig streicht den Mohn auf ein kleines Tuch und bindet mir den Wickel um den Fuß. Dann küsst er mich.
„Was wird jetzt aus uns“, frage ich Herwig. Herwig lacht. Er hat auch viel Humor. Den muss man bei uns auch haben.
„Nichts wird aus uns“, sagt er. „Ich bin nämlich echt, im Gegensatz zu dem Bezirkshauptmannschaftsherwig, den du dir ausgedacht hast. Mit mir kannst du nicht machen, was du willst und dir deine Geschichte selbst schreiben. Und ich glaub dir nicht, dass du wirklich ins Waldviertel ziehen willst. Aber ich bin da oben daheim, verstehst du? Außerdem suche ich keine Frau. Ich bin glücklich.“
Ich erzähle ihm von meinem Freund, der auch glücklich ist und sich trotzdem immer in Frauen verliebt, die sich nur in Arschlöcher verlieben.
Herwig hört zu. „Das kenn ich“, sagt er, und wischt sich eine Träne aus dem Auge.
„Du auch?“, frage ich.
„Nein“, sagt er. „Aber ich verliebe mich immer nur in verheiratete Frauen. In solche, die ich nicht haben kann, weil sie schon jemand anderem gehören.“
„Ich gehöre niemandem“, sage ich, „auch wenn ich verheiratet bin.“ Meine Tochter singt aus Elisabeth: „Denn ich gehör nur mir.“ Raphael spielt die Trompete dazu.
„Das ist ein Muster“, sage ich zu Herwig. „Das mit dem Verlieben. Du verliebst dich deshalb in verheiratete Frauen, weil sie für dich ungefährlich sind.“ Ich schmiege mich an ihn.
„Gar nicht ungefährlich“, sagt er, und schiebt mich vorsichtig von sich weg. „Spiel nicht mit mir, ja?“
„Ich spiele nicht mit dir“, lüge ich und biete ihm noch einen Kaffee an, weil mir nichts anderes einfällt. Wir essen Mohnzelten. Und dann reden wir über die Politik. „Ich kenn einen“, erzähl ich ihm, „der trifft sich dauernd mit lebenden und toten Menschen und spricht mit ihnen über die Politik.“
„Du kennst Leute“, sagt Herwig.
„Ja“, erzähle ich, „und die streiten dann schon auch mal über Kapitalismus und Realismus und Idealismus und wie die ganzen Ismen heißen. Ich tät mich gern mit Johanna Dohnal treffen und mit Konstantin Wecker und mit Axel Prahl und mit meiner Oma“. Ich erzähle ihm von meiner Oma, die auf dem Schneeberg gearbeitet und mir immer Mannerschnitten mitgebracht hat. „Irgendwie sind wir alle allein, oder?“ Die Hitze macht mir zur Philosophin. „Wir kommen allein und wir gehen allein.“ Ich grinse. „Ganz selten kommen wir gemeinsam, aber auch dabei sind wir oft allein.“

Ich bin nicht allein. Ich habe meine Familie. Ich habe die Katzen. Ich habe Raphael. Ich habe meinen Freund, der sich immer nur in Frauen verliebt, die sich immer nur in Arschlöcher verlieben und jetzt hab ich auch Herwig, der sich immer nur in verheiratete Frauen verliebt. „Magst du mein Freund sein, Herwig?“ frage ich.
„Ich muss darüber nachdenken“, sagt er.
Wir sitzen da und denken nach. Herwig darüber, ob er mein Freund sein will – aber vielleicht denkt er in Wahrheit über etwas ganz anderes nach. Ich denke darüber nach, was sein wird, wenn Raphael älter wird? Während ich nachdenke, frisst Raphael alle Mohnzelten auf. Er wird eine Elefantenkuh brauchen. Elefanten sind Herdentiere. Ich blicke mich im Garten um. So groß ist unser Garten nicht, dass wir hier eine Elefantenherde halten können, denke ich. „Warte kurz“, sage ich zu Herwig und Herwig wartet kurz.

Ich rufe meinen Mann an.
„Raphael ist einsam, oder?“, sagt er.
„Ich weiß nicht. Er mag Mohn“, sage ich, „aber bitte bestell trotzdem keine weiteren Elefanten.“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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