G wie Gymnastikpatscherl

Ein weiteres Geständnis aus der Serie „Kleider machen Leute“: Ich war eine Turnsackerlvergesserin. Wahrscheinlich eine klassische Verdrängung, denn im Turnsackerl befand sich ein klassischer Turnanzug, ärmellos und schwarz (die coolen Mädels trugen einen langärmligen, aber meine Mama kaufte anscheinend aus Prinzip nichts, das cool war).100 Prozent Polyamid, er klebte auf der Haut. Man schlüpfte von unten hinein und zog ihn über die Schultern, und entweder trug man nichts darunter - aber nur, wenn man den Turnanzug schon in der Früh zu Hause anzog - , was dazu führte, dass er noch ein bisschen mehr stank, weil damals ja nicht täglich gewaschen wurde und etwas, bei dem man nichts drunter trägt naturgemäß stinkt, wenn man es öfter trägt und man darin schwitzt. (Im Hochhaus, in dem ich wohnte, gab es eine Waschküche, und da hatte man alle zwei Wochen einen Termin, wo man 4 Stunden lang die Waschküche benutzen durfte. Weil meine Mama als Frau des Hausmeisters aber Meisterin über die Waschküche war, durfte sie öfter waschen. So oft dann aber auch nicht.)
Wenn man etwas unter dem Plastikanzug trug, stank man zwar nicht so schnell, war aber auch peinlich, weil es damals noch keine Arsch-frisst-Unterhose-Slips gab und die Feinrippunterhosen auf der Seite des Turnanzugs nach unfrischer Luft schnappten.

Für kalte Tage in der ungeheizten Turnhalle trug man unter dem sexy Turnanzug eine Strumpfhose, die im besten Fall schwarze Fäden zog oder Laufmaschen hatte und im schlimmsten an sichtbaren Stellen gestopft war.

Und dann waren da die schwarzen Gymnastikpatscherl. Die immer gestunken haben, nach Plastik oder Schweiß oder beidem. Aber nicht nur meine, die der anderen auch. Wie es überhaupt in der Umkleidekabine ziemlich g‘miachtlt hat. Duschen gab es da zwar auch, aber ich kann mich nicht erinnern, jemals jemanden duschen gesehen zu haben. Es gab und gibt ja kaum Mädchen, die mit ihrem Körper zufrieden sind und sich freiwillig einem Vergleich mit all den schöneren, fitteren, begehrenswerteren Körpern der anderen aussetzen.
Ein bisschen wundere ich mich ja immer noch, dass ich, die damals wegen meiner vorstehenden Zähne eher weniger liebevoll „Biberzahn“ genannt wurde, so etwas wie ein halbwegs gesundes Selbstwertgefühl entwickelt habe. Heute fühle ich mich trotz allem attraktiv und wohl in meiner Haut. Aber das war harte Arbeit, nicht nur im Fitnessstudio.

Noch früher, in der Volksschule, musste man mit der Unterhose turnen, wenn man das Turnsackerl vergessen hatte. Was für eine Demütigung.

„Reiß nicht immer so die Hände in die Höhe!“, hat die Turnlehrerin beim Handstand zu mir gesagt.
Also hab ich die Hände beim Handstand unten gelassen. Und bin mit voller Wucht mit dem Kopf in die blaue Turnmatte geknallt. Gehirnerschütterung. Und zwei Wochen Turnverbot.

Yeah!
wortmischer - 17. Jan, 14:28

Mei, was hatte ich für ein Glück! Unser Sportlehrer spielte gleich neben der Schule beim FC Wacker in der Kreisliga Fußball und war dementsprechend auf Sportunterricht mit der Lederkugel fixiert. Wir spielten eigentlich nur Fußball im Sportunterricht, was dazu führte, dass aus uns allen ganz passable Kicker wurden, andererseits zu Komplettversagern beim Geräte- und Bodenturnen.
Blut, Schweiß und Tränen gehörten untrennbar zum Schulsport. Und natürlich gnadenlos schmutzige Sportklamotten, die unweigerlich nach jedem Einsatz gewaschen werden mussten und niemals stanken. Meine Mutter hatte ein deutlich wahrnehmbares Faible für Weichspüler, so dass ich der einzige Fußballer war, der beim Laufen eine dicke Lenorfahne hinter sich herwehen ließ. Auch nicht schön. Aber vielleicht besser als Plastik-Schweiß-Mief?

Deine Gymnastikpatscherl-Geschichte ist jedenfalls ein Highlight in der Kleider-machen-Leute-Rubrik. Ganz herzlichen Dank dafür!

iGing - 17. Jan, 15:15

Das mit der Mutter, die sich gegen neumodisches Zeugs sträubt, und den Feinrippunterhosen unter dem Synthetikanzug kann ich auf jeden Fall noch toppen, liebe Frau Testsiegerin! Hier meine haarsträubende Turnkluft aus den 60ern, mit der meine Mutter glaubte, dem stinkenden Synthetikzeugs, das ja nach jeder Turnstunde hätte gewaschen werden müssen, den Garaus machen zu müssen:

Ein ZWEITEILIGER - man stelle es sich nur vor: zweiteilig! Das Hemd in die Hose gesteckt! - Turnanzug aus SCHWARZEM FEINRIPP !! Darunter musste natürlich die normale Unterwäsche getragen werden, denn sonst ... [siehe oben] und in der Tat hatte sich, bedingt durch relativ häufiges Waschen, das Schwarz bereits in ein wahres GRÄUEL verwandelt. Wie ich mich fühlte unter all den einteilig-dunkelschwarz-synthetikbestückten Hüpfern können Sie sich wohl vorstellen, ich verlasse mich da ganz auf Ihr allseits dokumentiertes Einfühlungs- und Erinnerungs-Vermögen.

diefrogg - 17. Jan, 19:50

Gymnastikpatscherl!

Da habe ich doch wieder ein wunderschönes österreichisches Wort gelernt! Und, oh ja, gestunken hat das Zeug bei uns auch. Und Turnen, überhaupt, wäääh!

Falkin - 18. Jan, 14:13

und ich erinnere mich an diesen durchdringenden Miefgeruch, der entgegen schlug, wenn man in kalten Wintertagen in den ersten zwei Stunden zum Sportunterricht antrat. Brrr.....

Bildet dennoch eine Erinnerung der besseren Art. Ich besuchte ein sich selbst ad absurdum führendes "humanistisches" Gymnasium... Wer diese Anstalt überlebte, den/die konnte im späteren Leben nichts mehr schrecken.
Falkin - 18. Jan, 09:02

..wie liebenswert diese schmerzhafte I-Tüpfelchen. Meine Blödheit war leider nie fremd-verschuldet, sondern selbst ausgebrütet.

Damals... es gab im TV eine Zirkusserie mit Jürgen Bäumler und Marika Kilius. Sie spielten ein Trapez-Künstlerteam. Gefiel mir enorm, wie die sich elegant durch die Lüfte schwangen. Wollte ich auch. Tat ich auch. Salto Mortale. Werd ich nie vergessen. Per Trapez meiner Schaukel. Ich flog. Ergebnis war ein Schulterbruch.

Ich bin verliebt in das Wortmischer-Text-Projekt. Herrlich, was man so über seine Mit-Blogger*innen erfährt.

P(M)S: ich habe Sie in meine Blog Rock 'n' Roll-Liste aufgenommen. Hoffe, es ist okay?! Bei Einspruch wird der Link umgehend entfernt ;-)

Sternenstaub - 25. Jan, 20:06

Ui damals schon fliegen gelernt Frau Falkin ;)))
Sternenstaub - 25. Jan, 20:06

Ach jaaa das warn Zeiten ;))) ich hab den Geruch auch förmlich in der Nase! ;))

Wir hatten eine sehr moderne Lehrerin, die befand Mädls und Bubn gehören gemeinsam umgezogen, das war erst ein Geruchsspektrum ;))

Jochen Walter (Gast) - 19. Feb, 11:03

Off topic: Archivierungsanfrage

Das Deutsche Literaturarchiv verfolgt mit Interesse Ihr Weblog und würde gern mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Über eine Rückmeldung an Jochen.Walter@dla-marbach.de würden wir uns sehr freuen. Grüße aus Marbach, Jochen Walter

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