Sonntag, 23. September 2007

Gerümpel des Alltags

Rosa verließ die Buchhandlung. Trotz der leichten Lektüre war die Tasche schwer. Trotz der schweren Tasche war ihr Herz leicht. Sieben Bücher hatte sie gekauft und freute sich auf vergnügte und belesene Abende in der Badewanne, vorm Kamin und im Bett. Auf eines war sie besonders gespannt. Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags.

„Wie wär’s, wenn du bei deinen Büchern anfängst?“, hatte Bogey, ihr Mann vorgeschlagen, als sie es bestellt hatte. Bogey hieß im richtigen Leben natürlich nicht Bogey wie Par und Birdy, sondern Joachim Bogner. Er spielte auch nicht Golf. Rosa hatte gelächelt und gesagt: „Ich hab’ eher an dein Computergerümpel gedacht.“ Ihre gemeinsame Tochter war auf leisen Sohlen in ihr Zimmer geschlichen und hatte hinter sich zugesperrt, aus Angst, dass die Feng-was-auch-immer-Aktion auch sie und ihr Reich betreffen könnte.

Im Buchladen hatte Rosa ein bisschen geschmökert, und es las sich vielversprechend an. Ich habe das Gefühl, dass ich in den letzten sechs Monaten nicht nur jeden Schrank daheim, sondern auch jeden Bereich meines Lebens durchforstet habe , so eine Frau in einem Dankschreiben an die Autorin. Ich fühle mich bereits jetzt schon so gesund und glücklich wie seit Jahren nicht mehr.
Rosa war zwar gesund und glücklich, aber noch gesünder und glücklicher konnte ja nicht schaden.

Von Dingen, von Menschen und von anderen Belastungen wollte sie sich befreien. Nein, nicht von Bogie, der war mehr Lust als Last.

Sie rührte in ihrem Kaffee und las.
Das Buch inspirierte mich meine Rumpelkammer auszuräumen und zum Flohmarkt zu fahren. Dabei habe ich 600 Euro verdient. Mit dem Geld finanzierte ich meinen ersten Urlaub seit Jahren.
Au ja, das klang gut. Sie sah sich schon am Hotelpool in Kreta liegen. Nicht drei Koffer würden sie begleiten, sondern nur ein kleines Rucksäckchen. Ob sich die 346 Marmeladegläser verkaufen ließen am Flohmarkt? Die 3 Tonnen schwere Holzbearbeitungsmaschine? 34 gebrauchte Lippenstifte?

Ausmisten würde also ihr Leben grundlegend verändern. Wollte sie das? So ganz sicher war Rosa noch nicht, als sie umblätterte.
Gerümpel ist aufgestaute Energie. Aufgestaute Energie ist klebrig. Aha. So klebrig wie ihr Küchenboden. So lustvoll haben Sie noch nie entrümpelt. Das stimmte sogar ganz sicher, Rosa hatte nämlich noch überhaupt nie entrümpelt. Bis jetzt hatte Rosa vorwiegend gesammelt.

Noch spürte sie nichts von der positiven Energie, die von diesem Ratgeber ausgehen sollte. Gerümpel macht depressiv. Es war wohl eher diese Lektüre, die sie da grad depressiv machte. Der Besitz von Krempel hält einen in der Vergangenheit fest. Unordnung verwirrt.
Das schlechte Gewissen fraß sich fest in Rosa. Lag das an ihrem emotionalen Gerümpel? An der Tatsache, dass sie nicht loslassen konnte? Dass sie abhängig war von Menschen, von Dingen, von Kitsch?
Gut, von Tante Annas Vasen und der zerschlissenen Bettwäsche würde sie sich ohne Problem trennen können. Das wäre ein Anfang. Oder die Festplatte ihres Computers. Aber sie konnte doch nicht einfach die ganzen Liebesbriefe wegschmeißen, die sie je bekommen hatte. Die wollte sie irgendwann noch ihren Enkelkindern zeigen. Sentimentaler Schrott , hieß das im Buch. Die Stofftiere ihrer Tochter. All die Bücher, die sie vielleicht doch irgendwann zum zweiten Mal lesen würde.

Es half nichts. Es musste entrümpelt werden. Körperlich und emotional. Wo aber sollte sie anfangen? Im Keller? Auf dem Dachboden? Auf ihrem Schreibtisch?
Sie schlug in ihrem klugen Ratgeber nach. Der Keller symbolisiert ihre Vergangenheit und ihr Unterbewusstes. Dinge, die dort gelagert werden, stehen für unerledigte Angelegenheiten im Leben.
Hm. Rosa dachte nach. Der Wein war ja in der Tat noch unerledigt. Was aber hatte er mit ihrer Vergangenheit zu tun? War sie in ihrem früheren Leben Alkoholikerin gewesen? Sie stöhnte. Sie würde das mit ihrem Therapeuten besprechen. Der Tiefkühlschrank stand auch im Keller. Ein Symbol für ihre unterkühlte Ehe?

Sie beschloss gerade, wieder in die Buchhandlung zurück zu pilgern und ihre Neuerwerbung gegen das neue Buch von Hera Lind umzutauschen, eine wirklich leichte Lektüre, da sprang sie folgende Geschichte an:
Eine Frau wurde von diesem Buch so inspiriert, dass sie bis auf fünf Kleidungsstücke alles aus ihrem Schrank ausräumte, auch die alte Stereoanlage und haufenweise Ramsch. Dadurch wurden Riesenmengen angestauter Energie freigesetzt, die Platz machte für Neues. Eine Woche später bekam sie von ihrer Mutter per Post einen Scheck über 5.000 Euro.
Boahh. Um fünftausend Euro würde Rosa sich eine Menge neuer Kleider kaufen können. Und neue Lippenstifte.

Am besten, sie schob die Sache nicht auf die lange Bank, sondern begann gleich damit.
Packen wir’s an, hieß das erste Kapitel.
Also packen wir’s an, sagte Rosa laut, voll klebriger Energie. Jetzt. Sofort. Auf der Stelle. Sie krempelte die Ärmel auf.

Der Aschenbecher. Er war hässlich und Rosa rauchte seit Jahren nicht mehr. Weg damit. Der antike Salz- und der Pfefferstreuer wären etwas für den Flohmarkt. Sie ließ ihn in ihre Tasche gleiten. Das Tischtuch würde sie der Caritas bringen. Gleich morgen. Die Zeitschrift auf dem Tisch war von vorletzter Woche. Raus damit. Der Sessel alt und gebrechlich. Den könnte man einheizen. Knack, ab mit dem Stuhlbein. Die Stofftulpe in der Vase. Hässlich und völlig unnütz. Ein Staubfänger. Runter vom Tisch und rein in den Mistkübel.
Rosa wunderte sich, wie leicht das alles war. Richtig Spaß machte das Entrümpeln. Es befreite. Und wie es befreite!

Da spürte sie eine Hand auf der Schulter.
„Frau Bogner?“, flüsterte der Ober ihr besorgt ins Ohr. „Alles in Ordnung mit Ihnen?“

Vielleicht hätte Rosa doch nicht ausgerechnet in ihrem Stammkaffeehaus beginnen sollen.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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