Sonntag, 19. Juli 2009

Du kannst nicht immer siebzehn sein...

Bis zwei Uhr früh haben wir heut nacht gefeiert. 70 Leute (darunter viele Kinder) in seltsamen Kostümen sind extra angereist - zum Teil aus dem heiligen Land Tirol - und haben das Geburtstagskind hochleben lassen. Wir - also die Kinder und Kindeskinder des Geburtstagskindes haben es auch hochfliegen lassen, wir haben ihm nämlich einen Urlaub inklusive einer Fahrt im Heißluftballon geschenkt.
Er hat uns nicht nur das Leben, sondern gestern ein (be)rauschendes Fest geschenkt. Und ich ihm unter anderem diesen Text. Ich schwöre, ich habe eine Träne in seinen Augenwinkeln gesehen.

Lieber Papa,

„Das ist wirklich das Letzte“, hast du oft gesagt und nicht mich gemeint, sondern nur das Badezimmer, das du mir installiert hast. „Weißt du, dafür bin ich jetzt zu alt.“
Zum Glück kam nach dem letzten Mal immer ein allerletztes und danach ein allerallerletztes Mal. Tut mir leid, dass ich so oft übersiedelt bin, ich wollte nur nicht, dass du aus der Übung kommst, für das Allerallerallerallerletzte Badezimmer.

Wenn dich jemand fragt, wie alt du bist, sagst du seit Jahrzehnten „Siebzehn“. Deine Enkelkinder haben dich zum Teil schon überholt.
Hoffentlich versteht nicht irgendwann einmal jemand irrtümlich „siebzig“. Das wäre nämlich total peinlich.

A propos peinlich. Wenn ich ganz ehrlich bin, warst du mir in meiner Jugend manchmal ein klitzekleinesbisschen peinlich. (Damals wusste ich natürlich noch nicht, dass es zu den Hauptaufgaben von Eltern gehört, peinlich zu sein.) Zum Beispiel, als du für die Schule einen Fragebogen über Krankheiten in der Familie ausfüllen hättest sollen und quer drübergeschrieben hast: „Das geht Sie einen Scheißdreck an!“ Puh, hab ich mich geschämt. Heute finde ich ja, dass das ziemlich cool von dir war. So cool wie die rote Jeans und das Flinserl, dass du dir zu deinem 50er stechen lassen hast. Ja, so etwas trägt man mit siebzehn.

Ich hab viel geerbt von dir, Papa. Nein, ich spreche jetzt nicht von der Drittel Garage, die vielleicht einmal in meinen Besitz übergehen wird. Übrigens, hat jemand hier Verwendung für eine Drittel Garage? Na ja, mein Lupo würde vermutlich ganz ins Stüberl passen. Vermutlich sogar ganz in den Kamin.
Ich spreche nicht von irdischen Gütern, sondern von Charaktereigenschaften, Talenten, und so weiter, alles was einen halt nicht wirklich weiterbringt im Leben.
Du hast die Bühne immer geliebt und hast jahrelang das Wunschkonzert moderiert. Aber das Leben ist kein Wunschkonzert, das wissen wir alle, und lässt sich manchmal nichts dreinquatschen. Jetzt unterhältst du die Menschen mit deiner Steirischen Harmonika.
Ich hab auch was von einer kleinen Rampensau in mir und genieße Scheinwerferlicht und Applaus. Das Singen überlass ich trotzdem meiner Schwester und ihrer Familie. Ich kann nämlich nicht singen, wie du weißt. Obwohl in der Schule einmal ein Lehrer gemeint hat: „Jeder kann singen.“ Also hab ich gesungen, damals. „Na ja, fast jeder“, hat der Lehrer mich unterbrochen und sich korrigiert.

Wie auch immer, was ich eigentlich sagen wollte: diese Gabe, mit dem was wir lieben und können, Menschen zu unterhalten und zu berühren, die teilen wir. Nicht nur wir beide, sondern auch ein Großteil deiner Enkelkinder. Nur dein Enkelsohn sitzt lieber im Führerhaus eines Traktors, als auf der Bühne zu stehen.

Was ich noch geerbt hab von dir? Deinen Stolz und deinen scharfen Verstand (wir wären ein unschlagbares Team bei der Millionenshow – allein hab ich es ja – Danke, Schneewittchen – nicht mal in die Mitte geschafft). Deine Liebe zur Natur hab ich geerbt, und deine Sturheit, die du abstreitest, da bist du stur. Danke herzlichst.
Ein paar Dinge aber haben – zum Glück für mich und zum Leidwesen für die Menschheit – mich einfach übersprungen. Dein Hang zur Perfektion, deine Ordnung und Sauberkeit. Als der liebe Gott oder wer auch immer da oben sie mir umhängen wollte, ist er gestolpert, er scheint ähnlich ungeschickt wie ich. Alles hat er daneben gekippt. Auch bei deinen Enkelkindern sind diese Talente sehr ungerecht verteilt.

Ich hab nicht nur viel von dir geerbt, sondern auch viel von dir gelernt. Schnapsen, Tarockieren, leidenschaftlich politisieren und diskutieren, und noch leidenschaftlicher fluchen. Du hast nicht „Schade, dass der Wind jetzt eine Spur zu heftig weht zum Surfen“ gesagt, nein. „Do wort ma stundenlang auf den Scheiß-Hurenwind und dann prügelt er so verdammt, dass ma eam net dablost.“

Du warst und bist nicht nur ein wunderbarer Vater, sondern ein sensationeller Berg- und Baumsteiger. Wagemutig, mit Kletterausrüstung und Motorsäge, aber ohne Sauerstoffgerät bezwingst du die höchsten Gipfel der Birnbäume vom alpinen Weinviertel bis zum hochalpinen Südburgenland.

Vor allem aber bist du ein großartiger Großvater. Ganz vernarrt hast du mir die Brut aus der Hand gerissen – zum Glück - und dich um sie gekümmert, sie gebadet und gewindelt.
Ich weiß ja noch immer nicht, was schön daran sein soll, angeschissene Kleinkinder zu wickeln, aber ich muss ja nicht alles wissen.
Von dir haben deine Enkelkinder Evergreens wie die Ennstaler-Polka und aktuelle Pop-Hits wie „Lieserl, kum her“ gelernt, sie haben vor dem Kussräuber und Popsch-Kunibert gezittert, deinen Geschichten von den Kasermandln gelauscht und du hast es damit sogar geschafft, dass sie weiter als bis zum Bäcker gehen. Wir wussten gar nicht, dass sie dazu in der Lage sind.

Es ist aber nicht so, dass nur du für deine Familie Opfer bringst. (Obwohl du uns nie das Gefühl vermittelt hast, dass du dich aufgeopfert hast). Auch ich bin deinetwegen über meinen Schatten gesprungen und habe etwas völlig Verrücktes getan, nur für dich. Etwas, das niemand von mir erwartet hat, am allerwenigsten ich. Ich hab mir dieses seltsame Kleid gekauft und mich für dich volkstümlich kostümiert. „Möchten Sie ein Dirndl?“, hat die Verkäuferin gefragt. „Nein“, hab ich gesagt, „möchten tu ich keins. Aber ich kauf trotzdem eins.“ Was tut frau nicht alles aus Liebe?
Für anständige Schuhe hat das Geld leider nicht gereicht.

Was ich neben all den aufgezählten Dingen am meisten an dir liebe? Deinen unerschütterlicher Optimismus und deine Lebensfreude, auch wenn das Leben es manchmal gar nicht gut gemeint hat mit dir. Die bedingungslose Liebe zu deinen Kindern und deinen Enkelkindern. Und zum Leben.

Herzlichen Glückwunsch zu deinem 17. Geburtstag, Papa. Und alles Gute für die nächsten 17 Jahre.


Das Bild zum seltsamen Kleid wird nachgeliefert.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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