Samstag, 3. August 2013

Mohn & more

Tagebucheintrag
Samstag, der 3. August

„Du leidest immer noch darunter, nicht wahr?“, hat Herwig mich letztens gefragt.
„Wie kommst du da drauf? Worunter soll ich leiden?“, habe ich zurückgefragt.
Dabei weiß ich, dass er weiß, dass ich weiß, was er meint. Wen er meint. Den anderen Herwig. Den Herwig Steiner.
Der mich vor ein paar Jahren aus seinem Herzen delogiert hat. Gut, ich habe ihm wahrscheinlich genügend Gründe gegeben, mich hinauszuschmeißen. Und hab seine Kündigung trotzig ignoriert, mich auf den roten Koffer, den er mir gepackt hat gesetzt und gesagt: Mich wirst du so schnell nicht los.
Aber ehrlich: Ich hab ihn gewarnt. Von Anfang an hab ich ihn gewarnt vor mir. Eine Frau wie mich kann man nicht so einfach lieben, hab ich ihm gesagt, zumindest nicht für länger, aber er wollte mir unbedingt das Gegenteil beweisen.

„Ach, der Herwig“, habe ich lässig abgewunken, als der neue Herwig in meinem Leben mich darauf angesprochen hat.
Der andere Herwig war doch nur ausgedacht, denke ich mich in einen Strudel, den hab ich doch nur erfunden, den gibt es doch gar nicht wirklich. Aber es macht keinen Unterschied, wenn eine Liebe kaputtgeht, ob sie nur ausgedacht war oder ganz real. Vielleicht ist es sogar noch schlimmer, wenn sogar eine Liebe, die es gar nicht gibt, scheitert. Scheitern einer Liebe multipliziert mit dem Scheitern einer Illusion ergibt... ich rechne... ergibt ziemlich viel Schmerz.
Warum bin ich nicht einmal fähig, ein Happy End zu erfinden? Wobei... ich hab ja damals eins erfunden, die Geschichte zwischen Barbara und Herwig ist ja eigentlich gut ausgegangen... damals. Sie stand mit nassem und zerzaustem Haar vor der Bezirkshauptmannschaft und hat sich entschuldigt. Er hat ihr verziehen.

Warum also habe ich es notwendig, diese Liebe nachträglich kaputt zu machen und Herwig, den Ertsten, also Herwig Steiner kleinzureden und schlecht zu machen? Der war schon in Ordnung, wie er war, hat sich bemüht mich zu verstehen und mir immer alles verziehen. Fast alles. Bis auf die Aufforderung: „Du schlappschwänziges Weichei, verlass mich doch endlich!“ Ich weiß nicht, warum er damals wirklich gegangen ist, ich hab das doch nicht so gemeint.

„Warum hab ich denen das Glück nicht gegönnt?“, habe ich Herwig den Zweiten, also den echten Herwig, der nicht nur meiner Fantasie entsprungen, sondern aus Fleisch und Blut ist, gefragt.
„Ich weiß nicht“, hat er gesagt, den Mohnstrudel ausgepackt und ein Stück abgeschnitten. Herwig hat keine Antworten, das macht ihn auch so sympathisch. Er löst Problme nicht mit Worten oder guten Ratschlägen, sondern mit Mohn. Mohn wirkt heilend, auch Raphaels Schrunde ist fast abgeheilt.

Vielleicht bin ich neidisch darauf, dass die Beiden so glücklich waren. Vielleicht halte ich zu viel Glück und Harmonie gar nicht aus, obwohl ich mich so danach sehne. Vielleicht inszeniere ich Unfälle, Unglücke und Konflikte unbewusst, um dem Glück nicht in die Augen schauen zu müssen. Weil das Glück ohnehin vergänglich ist und ich so wenigstens die Kontrolle über den Zeitpunkt dieser Vergänglichkeit habe.
„Bei dir mag ich das anders machen“, habe ich Herwig und mir selbst versprochen. Er hat mir ein Stück Mohnstrudel in den Mund geschoben und gelächelt. „Iss“, hat er gesagt.

Ich muss die Vergangenheit loslassen. Aber Loslassen ist einfach die schwierigste Übung von allen. Vielleicht kann ich mit einer einfacheren Übung anfangen. Man fängt ja auch mit einem Purzelbaum an und nicht mit einem dreifachen Salto vorwärts.

Herwig ist kein Schwätzer. Wir reden nicht darüber, was das mit uns eigentlich ist. Welche Form der Beziehung Herwig fragt nicht: „Und was ist mit deinem Mann?“ oder „Wie soll es weitergehen mit uns?“

Gestern war er wieder bei mir im Weinviertel, obwohl im Waldviertel grad die Mohnernte in vollem Gang ist. Er hat Raphaels Verband gewechselt und frische Mohnwickel gemacht. Mein Mann kam grad nach Hause, als Herwig Raphael dann noch mit Mohnmuffins gefüttert hat. Zunächst war mir die Situation ein bisschen peinlich. Ich wusste nicht, was ich sagen soll, also hab ich es kurz gehalten: „Herwig – mein Mann.“ Die zwei Männer haben sich einfach die Hände gegeben, auf sehr männliche, joviale Art haben sie eingeschlagen. Mein Mann hat Bier geholt, Herwig hat ihm einen Mohnmuffin angeboten, sie haben sich zugeprostet und dabei angeschaut und dem Blick des anderen standgehalten.

„Gratulation! Ein Prachtkerl!“, hat Herwig gesagt und Raphael gemeint. Ich habe ein paar Bissen Stolz in den Augen meines Mannes entdeckt. „Ja, ich weiß“, hat er gesagt, „danke, dass du dich um ihn kümmerst.“ Sie haben aus ihren Flasche getrunken und die Muffins gegegessen. „Auf Raphael.“
Ich sauge mit dem Strohhalm an meinem Caipirinha und stelle mir vor, was passiert wäre, hätte Herwig mit dem gleichen Tonfall „Gratulation. Ein Prachtweib“ gesagt und mich gemeint. Ob mein Mann dann auch „Ich weiß. Danke, dass du dich um sie kümmerst“ gesagt hätte?

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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