Mittwoch, 12. Februar 2014

Revolution im Satzbau

„An die Arbeit!“, rief der Minenbesitzer, ein älteres Hauptwort mit grauen Schläfen und einer brummigen Stimme, und die Wörter packten ihre Speckbrote ein um sich wieder an die Arbeit zu machen. Es galt, nach Buchstaben zu schürfen, glänzende Sätze aus dem Felsen zu schlagen und Geschichten daraus zusammenzusetzen. Ein paar besonders abenteuerlustige (und romantische) Wörter hofften immer noch darauf, endlich den Wortschatz zu finden.

Manche der Wörter waren schon alt, wie der Oheim, der alleine in einer Ecke verschnaufte und sein Gabelfrühstück schnabulierte. Er fühlte sich nicht mehr wertgeschätzt, nicht gebraucht, und er verstand die vielen jungen Wörter nicht mehr. „Es ist, als würden wir eine andere Sprache sprechen“, vertraute er dem Werkspsychologen an, zu dem der Minenbesitzer ihn geschickt hatte, weil seine Arbeitsleistung zusehends schwand. „Das ist nicht gut“, sagte der narzisstische Psychologe, der sich gern in seinem Wissen spiegelte, „denn gemocht zu werden, gebraucht zu werden, zu verstehen und verstanden zu werden zählt zu den wichtigsten emotionalen Grundbedürfnissen. Sie sind von einem Burnout bedroht.“
„Sie sind fürwahr ein Philister!“, sagte der Oheim und verstand nichts, denn er war nicht nur alt, sondern auch ein bisschen schwerhörig.

„An die Arbeit!“, schrie der Minenbesitzer abermals, diesmal ein wenig lauter, und auch die letzten Wörter seufzten und griffen zu Schlägel und Eisen.

Alle, bis auf eines. Ein kleines Wort machte nämlich keine Anstalten, auf seinen Arbeitsplatz zurückzukehren. „Ich streike!“ rief es, und die anderen Worte erstarrten.
„Du Zwerg!“, rief der Minenbesitzer, aber das kleine Wort ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ja, ich streike. Und ich kann euch auch erklären, warum." Es kletterte auf einen Felsvorsprung, damit alle es gut hören konnten. „Wer arbeitet denn wirklich am meisten hier in der Grube, wer bewegt Unmengen von Gedanken und Buchstaben, wer schuftet und schwitzt und schindet sich, wer malocht und ackert von früh bis spät?“
„Wir, die Zeitwörter!“, schrien die Zeitwörter und schwenkten ihre Fahnen.
„Und wer steht nur herum und kommt sich wichtig vor?“
„Die Hauptwörter“, skandierten die emsigen Zeitwörter. „Buuuuh!“ Die Pfiffe wurden lauter.
„Und wer verdient trotzdem mehr, bekommt die ganze Aufmerksamkeit und hat ein Haupt- wie Häuptling vor seinem Namen stehen?“
„Die Haupt-wör-ter! Die Haupt-wör-ter!“ Die Zeitwörter trommelten rhythmisch mit ihren Werkzeugen auf die Helme, die sie abgenommen hatten und machten einen Höllenlärm.
„Sogar, wenn wir nicht Schicht haben, wenn wir ruhen, schlafen, genießen, tun wir etwas, während die Hauptwörter so gut wie unbeweglich sind! Dabei sind wir es, die wichtig sind. Ohne uns würde kein Stern glänzen, keine Blume blühen und keine Katze schnurren, und was wäre das für ein Leben, ohne glänzende Sterne, blühende Blumen – seien es noch so ausgefallene Orchideenarten - und ohne schnurrende Katzen?“
Bei den Wörtern glänzend, blühend und schnurrend wurden auch die Eigenschaftswörter wach.
„Wir streiken auch!“ rief ein mutiges, freches Eigenschaftswort und bekam von seinem Nachbarn sogleich einen festen Stoß in den schmerzenden Rippenbogen. „Wir streiken solidarisch mit!“, korrigierte ihn sein überheblicher Kollege.
„Wie?“ „Was?“ „Wer?“ „Wann?“ „Wo?“, kreischten die Fragewörter durcheinander. Sie hatten viele Fragen, aber keine Antworten und gaben sich nicht besonders politisch engagiert.
„Warum eigentlich?“, fragte eines, „wollt ihr denn mehr Lohn?“

„Es geht nicht um Geld“, hallte die Stimme des streitbaren Verbs durch die Bäuche des Bergwerks, „es geht um Anerkennung und Gleichberechtigung. Wir fordern, dass unsere Arbeit gewürdigt und wertgeschätzt wird, dann packen wir gerne weiter zu.“ Oh, dachte der Oheim, das Kleine war wohl auch beim narzisstischen Werkspsychologen.
„Genau“, bestätigte ein Eigenschaftswort wichtig, „mit der schweren, rostigen Schaufel in der zerfurchten linken Hand!“

„Viva la revolucion!“, schrie ein spanisches Wort mit einer Che Guevara Mütze und die anderen Wörter verstanden zwar nicht, was es sagte, wiederholten aber mit voller Inbrunst die Worte: „Viva la Revolucion!“

Plötzlich sackte eines der Worte zusammen. Es hielt sich verkrampft den Bauch. „Ist dir schlecht?“, fragte ein Hilfszeitwort und beugte sich zu ihm. „Ich bin in anderen Umständen“, sagte das Umstandswort, „eigentlich dürfte ich in diesem Zu- und Umstand gar nicht im Satzbau arbeiten, aber meine Familie ist auf das Geld angewiesen. Außerdem wurde heute der Kumpel des Monats gewählt, das wollte ich nicht versäumen.“
„Und? Wer ist es geworden?“
„Habt ihr gehört? Schon wieder hat ein Hauptwort gewonnen!“, ereiferte sich das kämpferische Verb. „Immer gewinnen die Hauptwörter die Wahl zum Kumpel des Monats, nie ein Zeitwort!“ Die Hauptwörter spendeten Applaus, die Verben und die Eigenschaftswörter pfiffen den Mitarbeiter des Monats gnadenlos aus.
„Welches Hauptwort hat überhaupt gewonnen?“
„Babo hat gewonnen. Einer von uns“, sonnte sich ein Hauptwort im Ruhm des Siegers.
Es wurde wieder laut im Schacht. Vor allem rechts außen regte sich Widerstand. „Was heißt hier einer von uns? Babo ist ein dreckiges Fremdwort! Ausländer haben in unserem Satzbau nichts zu suchen“, erboste sich jemand.
„Was heißt das überhaupt, Babo?“, wollte der Oheim wissen, dem das alles zu viel war und der spürte, wie sein Herz gelegentlich aussetzte. "Wie ist mir blümerant zumute", raunte er.

„Babo ist türkisch für Cheffe“, erklärte ein Gastarbeiter, der schon seit vielen Jahren im Schacht beschäftigt war und zu den anständigen und fleißigen Ausländern zählte und sogar von den Verben respektiert wurde.

Der Streit eskalierte zusehends. Hauptwörter prügelten sich mit Zeitwörtern, Fürwörter mit Vorwörtern, jeder war gegen jeden. Sogar die Hilfszeitwörter gingen auf die Zeitwörter los, weil auch sie sich ungerecht behandelt fühlten, wie Hilfsarbeiter unter Knappen. Umstandswörter bezeichneten die Eigenschaftswörter als „lästige Anhängsel“, die ohne Hauptwörter nicht überlebensfähig waren. Unglaubliches im war Tohwabohu Satzbau. Wortfetzen Gegend durch die flogen,Verstand alles keiner war niemand durcheinander.

Der große Kampf ging als der blutigste in die Geschichte des Satzbaus ein. Der Oheim und der Barbier starben einen qualvollen Tod, andere Wörter hatten einander offene Wortbrüche oder andere schwere Verletzungen zugefügt. Die Bindewörter kamen kaum mit dem Verbinden nach.

„An die Arbeit“, die Stimme des Minenbesitzers war schwach, auch ihm hatten die Tumulte in seiner Grube zugesetzt.

Beim hochschwangeren Umstandswort setzten vorzeitige Wehen ein. „Wir müssen jetzt alle zusammenhalten“, sagte das kriegerische Zeitwort, das längst bereute, diese blutige Revolution angezettelt zu haben, kleinlaut.
„Klar. Wir helfen“, sagten die Hauptwörter, die ebenfalls ein schlechtes Gewissen hatten, krempelten die Ärmel auf und packten zu.

So kam es, dass tief unter Tag ein neues Wort geboren wurde.
„Und, was ist es?“, stichelten die Pressefotografen, die von den Unruhen gehört und sofort in die Grube geeilt waren. „Ein Hauptwort, ein Zeitwort, oder etwas anderes? Gar ein Fremdwort?“

Drei Security-Wörter schmissen den Pressefritzen aus der Grube. „Das ist nicht wichtig“, sagten sie einstimmig, „Hauptsache, es ist gesund!“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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