Montag, 19. Dezember 2016

Kommando Fünfter Advent

Tief unter Tag, in einem geheimen Bunker in einem geheimen Winkel der Welt, werden von einer geheimen Regierungsmannschaft die Geschicke eben dieser Welt geleitet.

„Heute ist alles anders als früher“, erklärte der Pressesprecher in einer Mailaussendung. „Früher haben wir hier die Fäden gezogen und die Marionetten auf der Erde tanzen lassen. Heute machen wir das alles über Computerprogramme. Nur der Minister für Krieg und Schrecken beharrt auf seiner antiquierten Methode.“

Der Angesprochene saß in sich versunken vor einer Weltkarte, vor sich eine Menge Playmobil-Figuren, die er auf dem Spielbrett aufbaute und die er mit vielen Tschinns und Krachs und Bumms aufeinander losgehen ließ. Er schien großen Spaß an der Sache zu haben. Hin und wieder warf er mit geschlossenen Augen eine Bombe auf die Karte und hielt sich die Ohren zu. Eine lange Kolonne von Männchen baute er zwischen Syrien und Deutschland auf.

Ein fetter Typ tippte in der Kommandozentrale etwas in die Tastatur und auf einem Bildschirm begannen Zahlenkolonnen zu tanzen.

Es war der ehemalige Staatssekretär für Dummheit und Zynismus, der - nachdem er die Ministerkollegen bestochen und erpresst hatte - einstimmig zum Präsidenten gewählt worden war und die Macht übernommen hatte.
„Ich hab eine Idee", verlautete er. „Wir lassen die Menschheit dieses Jahr so richtig durchknallen.“
„Was daran ist neu?“, fragte eines der Regierungsmitglieder. „Haben wir das nicht die letzten Jahre auch gemacht?“
„Da geht noch mehr.“ Der Präsident goss Wodka in die Gläser seiner Regierungsmannschaft. Ein Allheilmittel. „Prost.“
„Und wie sollen wir das machen?“
„Wir lassen die Dummen und Zynischen die Macht übernehmen.“
„So wie hier?“, fragte die Ministerin für Gerechtigkeit und Toleranz, die einzige Frau in der Regierung. Kaum hatte sie ausgesprochen, lag sie auch schon gefesselt und geknebelt in einer Ecke des Bunkers. Kritik war neuerdings nicht mehr erlaubt.

„Die Dummen und Zynischen die Macht übernehmen lassen?“, räumte der Aufsichtsratvorsitzende ein, „aber das haben wir doch schon. Erdogan, Orban,...“
„Da geht noch mehr“, brüllte der Präsident und rieb sich die Hände. „Ich will die Welt brennen sehen!“

Die Ministerin für Gerechtigkeit und Toleranz wälzte sich verzweifelt auf dem Boden. Sie versuchte ihre Fesseln zu lösen und stöhnte.

„Ihre Berichte bitte, meine Herren!“ Die Frauen waren nach und nach aus der Regierungsmannschaft gedrängt worden. „Die sollen sich um die Brutpflege kümmern“, waren die herrschenden Herren sich einig.

Der Klimaminister legte den Bericht des vergangenen Jahres auf den Tisch. „Die Welttemperatur ist auch im vergangenen Jahr wieder um ein paar Grad gestiegen“, sagte er.
„Macht nichts. Dreh einfach als Ausgleich die soziale Wärme zurück“, befahl der Präsident, „oder schalte sie überhaupt aus. Und baut Kohlekraftwerke. Die Welt braucht mehr Kohlekraftwerke!“
„Kohlekraftwerke? Paradoxe Intervention?“
„Hä?“, fragte der ehemalige Staatssekretär für Dummheit und Zynismus, der so komplizierte Wörter nicht kannte.

Der Weltsekretär für Leben und Tod mischte die Karten. „So, wer wird dieses Jahr dran glauben müssen?“
„Nimm ein paar Musiker. Kultur und Musik sind Opium für das Volk“, befahl der Präsident für Dummheit und Zynismus.
„Du meinst, ich soll Andreas Gabalier und Helene Fischer einfach sterben lassen?“
„Ich sagte Musiker. Prince, David Bowie, Leonard Cohen.“
„„Das wird die Leute aber traurig machen.“
„Das ist ja der Sinn der Sache.“
„Zu Befehl“, der Weltsekretär für Leben und Tod warf die Karten mit den Bildern der Musiker ins Feuer. „Hallelujah“, sang er leise. „Bob Dylan auch?“
„Nein, der kriegt den Nobelpreis.“ Der Präsident lachte über seinen eigenen Scherz.
„Es gibt keinen Nobelpreis für Musik, Sir.“
„Mir doch egal. Dann halt Mathematik, Chemie oder Physik.“
„Es gibt auch keinen Nobelpreis für Mathematik, Herr Präsident. Und Dylan hatte schlechte Noten in Physik und Chemie.“
„Dann nimm eben Literatur, aber hör endlich auf mich zu nerven!“ Der Weltsekretär für Leben und Tod senkte zerknirscht den Kopf. „Ja, Herr Präsident.“
„Und nimm Yasaturo Koide.“
„Wer ist das?“
„Ein Japaner, der älteste Mann der Welt. Sonst glauben die Leute noch, sie wären unsterblich. Und Fidel Castro und Muhammed Ali, die sind lang genug auf der Welt.“
„Wird erledigt. Was machen wir mit diesem Donald Trump? Den auch?“
„Um Gottes Willen!“ Der Präsident riss ihm die Karte aus der Hand. „Den brauchen wir noch. Den machen wir zum Präsidenten von Amerika.“
Der Minister für Leben und Tod starrte ihn mit offenem Mund an. „Den werden die Leute doch niemals wählen. So dumm sind nicht einmal die Amerikaner“.
„Du wirst dich wundern, was alles möglich ist. Wir haben die Idioten umprogrammiert. Die sind bisher aus Blödheit nicht wählen gegangen. Jetzt werden sie gehen, und jetzt sägen sie den Ast ab, auf dem sie sitzen. Wetten, dass das klappt? Sowohl beim Brexit als auch bei der amerikanischen Präsidentschaftswahl?“
„Und wie soll das funktionieren?“
„Establishment! Wir erwähnen so oft wie möglich das Wort Establishment. Ho ho ho! Das kommt an bei den einfachen Leuten.“

„Was ist das?“ Der Präsident hielt seinen Zeigefinger auf ein kleines Land mitten in Europa. „Was ist damit?“
„Das ist Österreich. Dort lassen wir von Mai bis Dezember einen Bundespräsidenten wählen.“ Der Senator für auswärtige Angelegenheiten drückte ein paar Knöpfe. Auf einem der Monitore erschien eine TV-Konfrontation.
„So wahr mir Gott helfe!“, sagte der Mann mit Kornblume und diabolischem Grinsen. Die gesamte Mannschaft im Bunker lachte lauthals. „Es gibt immer noch Leute, die nichts von unserer Existenz wissen und glauben, dass Gott die Geschicke der Welt lenkt?“
„Oder Allah“, fügte der Senator hinzu.

„Lügner... Lügner... Lügner...“, tönte es aus dem Lautsprecher.
„Scheiße“, schrie der Senator, „mir ist eine Taste steckengeblieben. Der hört nicht mehr auf damit! Das könnte ihn den Sieg kosten, verdammt noch mal!“
„Lügner... Lügner... Lügner...“

Der Präsident rief den Beauftragten für private Schicksalsschläge zu sich.
Der sah ziemlich fertig und überarbeitet aus.

„Diese Frau Lehner, aus diesem kleinen Österreich, die schaut so glücklich und überheblich aus, wie sie da mit ihren Katzen unter dem Birnbaum sitzt. Der braten wir eins über.“
„Aber“, begann der Beauftragte, „wir haben die Schicksalsschläge für diese Region fast alle für ihre Freunde verbraucht. Herzinfarkte, Probleme mit den Kindern und der Arbeit, so Dinge halt.“

„Na gut, aber einen kleinen Denkzettel werden wir ihr doch verpassen können. Sie soll sich nicht so sicher fühlen, diese linke Zecke!“
„Ich kümmere mich darum.“ Der Beauftragte für private Schicksalsschläge griff zu seinem Baseballschläger.
„Nicht so plump. Wir machen das subtiler. Was ist ihr denn wirklich wichtig?“
„Die Kinder.“ Er klickte auf seinem Bildschirm auf eine hübsche junge Frau und zog sie aus dem Weinviertel nach Kopenhagen. „Oder soll ich Südafrika nehmen?“
„Nein, nein, Kopenhagen ist in Ordnung. Finnland ist weit entfernt genug.“
Der Beauftragte für Schicksalsschläge räusperte sich, wagte aber nicht, dem Präsidenten zu widersprechen.
„Was ist ihr noch wichtig?“
„Die Sprache.“
Er klickte auf auf ein paar Wörter und gab den Befehl „mischen“.
„Erdbeeren willst Zucker du Joghurt haben und mit “, lallte ich. Die Idioten in ihrem Bunker klopften sich auf die Schenkel und tranken noch mehr Wodka. Ich wurde auf der Neurologie aufgenommen.

*

Auf dem Birnbaum in meinem Garten leuchtet eine dänische Lichterkette. An seinen Ästen und Zweigen hängen Christbaumkugeln aus Holz und eine Weihnachtsgurke. Leise fallen die ersten Schneeflocken und glitzern im weihnachtlichen Licht. Unter dem Birnbaum sitzen - warm eingehüllt in dicke Jacken und Decken - wir. Wir, das sind Edward Snowden, Papst Franziskus, Meryl Streep und ich.
„Ich fand das übrigens voll cool“, sage ich zu Meryl, „die Sache, wie du dich als Donald Trump verkleidet und ihn lächerlich gemacht hast.“
„Das macht Donald Trump doch auch“, gibt sie lächelnd zurück, „sich als Donald Trump verkleiden und sich lächerlich machen.“ Wir lachen. So schön könnte der Adventabend sein, wenn nicht...
„Wir können nicht mehr weiter zuschauen, wie Idioten die Welt regieren“, beschließen wir alle vier und wärmen uns mit Glühwein.
„Wir müssen die Regierung hacken“, schlägt Edward vor.
„Ich kann nicht hacken“, sagt Jorge Mario, der Papst.
„Ich hab eine Hacke“, sage ich und hole das Werkzeug aus der Einfahrt. „Wir müssen die Ministerin für Gerechtigkeit und Toleranz befreien.“ Ich kremple die Ärmel hoch, doch dann halte ich inne. „Woher wissen wir überhaupt, wo sich der Regierungsbunker befindet?“
„Wir ignorieren die Realität“, schlägt Meryl vor, „wir scheißen auf die Fakten, das tun die anderen ja auch!“
Edward nimmt meinen Laptop, tippt konzentriert etwas ein und gibt uns die Koordinaten. Zum Glück ist der Bunker ganz in der Nähe.

„So wahr mir Gott helfe“, murmelt der Papst und ergreift Hacke und Schaufel.
„Gern“, murmelt Gott zurück.

Fast lautlos dringen wir in den Bunker ein. Ein unglaublicher Gestank nach den Ausdünstungen von Hass, Dummheit und Krieg erfüllt den Raum. Die Regierungsmannschaft liegt betrunken auf dem großen Sitzungstisch. Während Meryl die Schnüre durchschneidet, mit denen die Ministerin für Gerechtigkeit und Toleranz gefesselt worden ist und ihr den Knebel entfernt, legt Edward das Computersystem lahm und den Schalter für soziale Wärme auf ON. Er dreht ihn spürbar höher. „Bekomme ich bei dir Asyl?“, fragt er mich.
„Frohe Weihnachten“, wünscht Jorge Mario, als wir wieder unter dem Birnbaum sitzen und meine Katzen um seine Beine streifen. „Und ein Gutes Neues Jahr.“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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