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Sonntag, 24. April 2016

Versteht man da Wiener Schmäh?

„Versteht man hier Wiener Schmäh?“ war der Titel der Lesung und die Antwort auf diese Frage ist ein lautes Jaaaaaa!

Mit jedem Menschen, der die schöne, helle Musikschule in Berlin/Lichtenberg betritt, werden ein paar Jahre weg- und Erinnerungen hergewischt. Plötzlich bist du wieder die Freie Radikale und die Soziale Randgruppe aus Chatzeiten, die Kaffeehausintellektuelle aus Schreibforumzeiten und die Testsiegerin aus Blogzeiten. Die Bescheidenheit hat dich offensichtlich während des gesamten virtuellen Zeitalters begleitet.

Du erinnerst dich daran, wie du fremden Autoren und Autorinnen ihre schlecht sitzenden Sätze erst vom Leib ge- und dann in der Luft zerrissen hast, anstatt sie zu unterstützen, da und dort ein paar Abnäher und Säume anzubringen. Du warst eine von diesen Kritikerinnen, die sie gefürchtet und gehasst haben. Im Chat war das ähnlich. Weil du für einen guten Schmäh manchmal über Leichen gegangen bist. Die, die du im Laufe der Zeit persönlich kennengelernt hast, haben irgendwann gemerkt, dass hinter der rauen Schale ein weiches Herz steckt.

Jetzt, Jahre später, tut dir das leid. Nicht das weiche Herz, sondern deine Lust an der Provokation. Und jetzt, Jahre später, sitzen ein paar der Weggefährten von damals im Publikum. Sie sind dir wohlgesonnen und du hast die Gewissheit, dass sie dir nichts vom Leib reißen werden, was vermutlich nicht nur am Alter liegt.

Und dann liest du, und zwischen deinen Texten machen Cellotöne Haut von Gans auf der Seele, was nichts mit der kratzigen A-Seite, die in ihren letzten Atemzügen liegt, zu tun hat, sondern mit der wunderbaren Musik und der warmen Stimmung und den Erinnerungen und dem Gefühl, richtig zu sein.
Als du Gedichte liest, kann man eine Stecknadel fallen hören, was nur eine Metapher ist, weil man Stecknadeln auf weichem Teppichboden natürlich nicht hören kann. Außerdem werfen die Leute bei Lesungen üblicherweise nicht schachtelweise Stecknadeln zu Boden, um zu testen, ob sie ihr Fallen hören.

Und du labst dich an Tränen in den Augenwinkeln der ZuhörerInnen, als du Goa liest, die Geschichte mit dem indischen Pfleger, und vermutlich heulen die nicht, weil die Texte so schlecht sind. Und du schämst dich dafür, dass du vielleicht genau diesen Menschen vor Jahren wehgetan hast, weil die Sprache für dich nicht nur Werkzeug war, um Menschen mit Geschichten zu unterhalten und zu berühren, sondern scharfe Waffe.

Später dann lässt du dich selbst berühren, von Menschen, die dir schon lange vertraut sind oder es grad werden. Es ist ein wunderbarer Abend, einer von denen, an die du dich gern zurückerinnern wirst.

Danke an euch, die ihr da wart, obwohl ich nicht immer nett zu euch war. Danke, dass ihr mir verziehen habt. Danke, dass ihr diesen Abend mit mir geteilt habt.


Und weil dir das Spiel auf sicherem Terrain nicht reicht, wirst du wieder übermutig. Fährst in eine abgefuckte Kaschemme irgendwo in Kreuzberg zu einem Poetry Slam und beschließt spontan, teilzunehmen.
„Kennan Österreicherinnen do a mittuan?“, fragst du und sie schauen dich mit großen Augen an.
„Wa?“
Hier versteht man Wiener Schmäh eher nicht. Du wiederholst die Frage im druckreifen Hochdeutsch, doch die junge Frau an der Theke, gepierced und tätowiert, als wäre sie soeben aus dem Knast entlassen worden, starrt dich an, als wärst du nicht aus einem benachbarten Land mit einer verwandten Sprache, sondern als wären auf dem Platz der Luftbrücke keine Allierten, sondern Aliens gelandet. (Dabei hat der Typ vom Markt, auf dem du dir diese schicke Beaniemütze gekauft hast, gesagt: „Damit sehen Sie 20 Jahren jünger aus.“ Wahrscheinlich waren 20 Jahre nicht genug.)
„Du willst beim Poetry-Slam mitachen?“, fragt sie und irgendwie bist du froh, dass du doch nicht Gedanken lesen kannst.

Hallo? Noch schütte ich mir nicht täglich ein Schauferl Erde über mein Gesicht, um mich an das Feeling zu gewöhnen (danke Ute, für diesen Sager!), und ich finde, man darf auch mit Ü-50 noch schreiben, lesen und slammen. "Es gibt kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern", hat Astrid Lindgren gesagt.

Du bist froh darüber, dass es so kalt ist und du nicht das Designerkleid oder den Glitzerrock und die neuen Schuhe angezogen hast. Obwohl das wahrscheinlich auch schon egal gewesen wäre. Für die Flucht ist es zu spät, außerdem bist du zwar eine Meisterin der Verdrängung, aber Flucht liegt dir nicht.

Der Moderator erklärt das Regelwerk eines Poetry-Slams und du zuckst bei seinen Worten zusammen. Du bist die lustige, warmherzige Mieze Medusa gewöhnt und nicht einen preussisch-amerikanischen Luftwaffenchef, der nicht mal deinen Namen richtig aussprechen kann. Dann befiehlt noch die gepeckte Thekenschlampe „Respect the Poet, verdammt noch mal!“ Sie macht dir ein bisschen Angst.

Der Raum ist rappelvoll, wenn du auch keine Ahnung hast, wie voll Rappel ist. Das Gastzimmer, das durch einen Vorhang vom Veranstaltungsraum getrennt ist, ist auch voll, und den Leuten jenseits des Vorhangs ist egal, ob da Poeten um ihr Leben slammen.
Da hilft es auch nichts, dass die Thekenschlampe hin und wieder „Schauze halten!“ hinausbrüllt.

Die Thekenschlampe stellt sich als zweite weibliche Autorin neben dir heraus, und aus ihren Blicken trieft Verachtung. Ey, wir sollten uns solidarisieren, denkt du, Frauenpower und so, aber es will dir nicht gelingen. Du schämst dich, dass du sie heimlich Thekenschlampe nennst und weißt, dass du deiner Tochter einen Vortrag über Feminismus halten würdest, wenn sie das täte.

Sämtliche Autoren, außer dir natürlich, sind irgendwie... wie sagt man... irgendwie gezeichnet, nicht nur von Tattoonadeln, sondern vor allem vom Leben. Und davon erzählen auch ihre Texte. Einem Leben voller Drogen, abwesenden Eltern, amputierten Beinen, die den Vorteil haben, dass man sich nicht die Zehennägel schneiden muss, vom Gefühl, wie der Druck nachlässt, wenn man sich ritzt, vom Leben in der Psychiatrie und mit Alkohol und ohne Perspektiven. Es ist natürlich nicht so, dass du mit solchen Schicksalen nicht vertraut bist, aber nur aus zweiter Hand, aus dem Leben deiner Klienten, nicht aus deinem eigenen.

Das erste Mal seit Monaten bist du erleichtert über deine Zahnlücke, durch die du dich dieser obskuren Gruppe wenigstens ein bisschen zugehörig fühlst, obwohl deine Zahnlücke mit den Lücken und Zahnstummeln der Slamkollegen nicht annähernd mithalten kann.

Manche der Texte und Vorträge sind verdammt gut, berührend und sehr authentisch. Vor allem aber sind sie düster. Als die Thekenschlampe einen Text über einen Jugendlichen vorträgt, der sein ganzes Leben lang gedemütigt und gemobbt wurde, den sie mit dem Kopf in die Kloschüssel gesteckt haben und angepisst haben, und der am Ende des Textes Amok läuft und Leute abknallt, hast du den Eindruck, dass sie für ihn Sympathien empfindet und bist irritiert. Als dir der Gedanke kommt, sie selbst könnte der gemobbte Jugendliche sein und nach dem Slam ihre Fantasien wahrmachen, kriegst du noch ein bisschen mehr Angst.
Obwohl du ja auch noch nie einen Lagerhausmitarbeiter durch den Häcksler gejagt hast, nur in der Geschichte.

„Next one. Barbel“, brüllt der Offizier statt Gentleman.
„Yes Sir“, brüllst du zurück.

Du kommst dir komisch vor, weil deine Eltern nicht ihre Zigaretten auf deinem Rücken ausgedrückt haben, du nur ganz selten die Schule geschwänzt hast und du einen Job hast. Weil du zwar mit Messer und Gabel, aber nicht mit Heroinbesteck umgehen kannst und du lieber dein Schnitzel als deine Pulsadern aufschneidest. Du kommst dir komisch und als Außenseiterin vor, weil in deiner Geschichte Lamm, Rosmarin und Chilischokoalde in der Speisekammer Blümchensex haben und keiner von denen schreit: „Ich fick deine Mutter, ey!“ - wie in der Pause der beinamputierte Alkoholiker zur Thekenschlampe.

Und da ist es wieder, das vertraute Gefühl, nicht dazuzugehören, wo auch immer. Obwohl du in Wahrheit natürlich nicht dazugehören willst. Nicht hier. Nicht jetzt.

Auf dem Nachhauseweg grübelst du immer noch, ob es mutig oder einfach nur blöd war, teilzunehmen. Es macht aber eigentlich keinen Unterschied.

Sonntag, 17. Januar 2016

G wie Gymnastikpatscherl

Ein weiteres Geständnis aus der Serie „Kleider machen Leute“: Ich war eine Turnsackerlvergesserin. Wahrscheinlich eine klassische Verdrängung, denn im Turnsackerl befand sich ein klassischer Turnanzug, ärmellos und schwarz (die coolen Mädels trugen einen langärmligen, aber meine Mama kaufte anscheinend aus Prinzip nichts, das cool war).100 Prozent Polyamid, er klebte auf der Haut. Man schlüpfte von unten hinein und zog ihn über die Schultern, und entweder trug man nichts darunter - aber nur, wenn man den Turnanzug schon in der Früh zu Hause anzog - , was dazu führte, dass er noch ein bisschen mehr stank, weil damals ja nicht täglich gewaschen wurde und etwas, bei dem man nichts drunter trägt naturgemäß stinkt, wenn man es öfter trägt und man darin schwitzt. (Im Hochhaus, in dem ich wohnte, gab es eine Waschküche, und da hatte man alle zwei Wochen einen Termin, wo man 4 Stunden lang die Waschküche benutzen durfte. Weil meine Mama als Frau des Hausmeisters aber Meisterin über die Waschküche war, durfte sie öfter waschen. So oft dann aber auch nicht.)
Wenn man etwas unter dem Plastikanzug trug, stank man zwar nicht so schnell, war aber auch peinlich, weil es damals noch keine Arsch-frisst-Unterhose-Slips gab und die Feinrippunterhosen auf der Seite des Turnanzugs nach unfrischer Luft schnappten.

Für kalte Tage in der ungeheizten Turnhalle trug man unter dem sexy Turnanzug eine Strumpfhose, die im besten Fall schwarze Fäden zog oder Laufmaschen hatte und im schlimmsten an sichtbaren Stellen gestopft war.

Und dann waren da die schwarzen Gymnastikpatscherl. Die immer gestunken haben, nach Plastik oder Schweiß oder beidem. Aber nicht nur meine, die der anderen auch. Wie es überhaupt in der Umkleidekabine ziemlich g‘miachtlt hat. Duschen gab es da zwar auch, aber ich kann mich nicht erinnern, jemals jemanden duschen gesehen zu haben. Es gab und gibt ja kaum Mädchen, die mit ihrem Körper zufrieden sind und sich freiwillig einem Vergleich mit all den schöneren, fitteren, begehrenswerteren Körpern der anderen aussetzen.
Ein bisschen wundere ich mich ja immer noch, dass ich, die damals wegen meiner vorstehenden Zähne eher weniger liebevoll „Biberzahn“ genannt wurde, so etwas wie ein halbwegs gesundes Selbstwertgefühl entwickelt habe. Heute fühle ich mich trotz allem attraktiv und wohl in meiner Haut. Aber das war harte Arbeit, nicht nur im Fitnessstudio.

Noch früher, in der Volksschule, musste man mit der Unterhose turnen, wenn man das Turnsackerl vergessen hatte. Was für eine Demütigung.

„Reiß nicht immer so die Hände in die Höhe!“, hat die Turnlehrerin beim Handstand zu mir gesagt.
Also hab ich die Hände beim Handstand unten gelassen. Und bin mit voller Wucht mit dem Kopf in die blaue Turnmatte geknallt. Gehirnerschütterung. Und zwei Wochen Turnverbot.

Yeah!

Donnerstag, 14. Januar 2016

Harald B. oder wie ich zum Dirndl kam

Dies ist eine Geschichte zum Projekt Kleider machen Leute

Ich war jung und brauchte das Geld. Also hab ich das Angebot, bei einer Dinnerparty zu servieren, gerne angenommen.
„Harald B. Schwarz“, stellte sich der Gastgeber mir vor und verbeugte sich. Harald B. zahlte für einfache Arbeit gut, war witzig und es war leichtverdientes Geld. Und so kam es, dass ich, das Mädchen vom Land, in einer Nobelvilla in Wien Währing, in schwarzem Kleid mit weißer Schürze die Perserjacken und Nerzmäntel der prominenten Gäste entgegennahm.
Nach dem Fest saß ich noch mit Harald B. vor dem Kamin, hörte mir Schnurren aus seinem Leben an und trank feinsten Portwein. Auch dafür wurde ich fürstlich entlohnt, denn es war ein Stundenlohn vereinbart.
Nie wollte Harald B. mehr von mir als meine Gegenwart und vor allem mein Ohr für seine Lebensbeichten. Dabei studierte ich damals noch Russisch und nicht Sozialarbeit. Hin und wieder führte er mich zum Essen aus. Einmal überreichte er mir danach den Schlüssel seines Jaguars und sagte: „Fahr du bitte“
„Ich hab keinen Führerschein.“
„Warum hast du keinen Führerschein?“
„Weil ich ihn mir nicht leisten kann.“
Ein paar Wochen später hatte ich den Führerschein und brachte Harald B. im Jaguar nach Hause.
„Siehst du, wie praktisch das ist“, sagte er.


„Ich hol dich in einer halben Stunde ab, wir gehen essen“, rief Harald B. eines Tages an. Auf dem Festnetz, das Handy war noch nicht erfunden.
„Das geht nicht, ein paar Freundinnen kommen nach Wien, ich muss zum Bahnhof.“
„Dann holen wir sie eben ab.“
Eine halbe Stunde später saßen wir im Jaguar, am Steuer der Chauffeur, und tranken Sekt.
„Harald B. Schwarz“, stellte er sich meinen staunenden Freundinnen vor, die mich verwundert ansahen, weil ich ihnen nie von ihm erzählt hatte.
„Die jungen Damen haben bestimmt Hunger“, sagte Harald B. und die jungen Damen nickten. In einer schummrigen Bar im ersten Bezirk gab es Steaks und Champagner. Den ersten Champagner meines Lebens.
„Warum hast du uns nie etwas von dem erzählt?“, stießen sie mich in die Rippen.
Ich zuckte die Schultern. Keine Ahnung.

Danach bummelten wir durch die Stadt. Harald B. beschimpfte die Pestsäule am Graben. Warum, weiß ich nicht mehr, nur, dass sich alle Leute nach uns umdrehten.
Dann kamen wir beim besten Trachtengeschäft der Stadt vorbei.
„Ein Dirndl würde dir bestimmt gut stehen“, meinte Harald B. und ich lachte. „Lass uns reingehen, die Besitzerin ist eine gute Freundin von mir.“
Während Harald B. mit der Besitzerin plauderte, wurden meine Freundinnen und ich eingekleidet. Vier sagenhaft teure und schöne bodenlange Dirndl, Trachtenschuhe, je zwei Blusen und Schürzen, zum Wechseln, Tücher, alles, was es so braucht.
Meine Freundinnen hatten sich den Wientag mit mir ein bisschen anders vorgestellt. Aber sie genossen es.

Es stand mir wirklich gut, das Dirndl. Einmal hab ich es getragen, am Bauernball in Puchberg am Schneeberg. Ich war wunderschön und wundereinsam. Verkleidet hab ich mich gefühlt und falsch, wie ein Pinguin in der Wüste. Und Polka tanzen konnte ich auch nicht.
Irgendwann hab ich das Dirndl hergeborgt und nie wieder zurückbekommen. Und irgendwann hat auch Harald B. nicht mehr angerufen. Vielleicht, weil ich alle Schnurren aus seinem Leben kannte.


Vor ein paar Jahren hab ich mir ein neues gekauft, weil mein Papa sich gewünscht hat, dass zu seinem runden Geburtstag alle Frauen im Dirndl kommen. Für meine Tochter fanden wir eins mit Totenköpfen statt Edelweiß. Ich hab mir ganz bewusst das billigste und kitschigste ausgesucht, das ich gefunden habe. Mit einem großen pinkfarbenen Herz drauf. Wohl und lustig hab ich mich darin gefühlt, weil mein Papa sich so gefreut hat, dass ich ihm diesen Wunsch erfülle.

Die Liebe macht einfach den Unterschied.

Nachtrag: Wie man sieht, verklärt die Erinnerung einiges. Das Herz war nicht pink, sondern grün.
dirndl3

Montag, 11. Januar 2016

Armeslänge

Sie sind uns
um Haaresbreite
eine Armeslänge voraus

Die besorgten
Bürger
Die Abernazis

Und die ganz Rechten strecken den Arm nur hoch
um den Frauen zu zeigen,
sie mögen doch bitte eine Armeslänge Abstand halten

Sie sorgen sich um die Rechte der Frauen
wo sie sich bisher höchstens um
Rechte Frauen gesorgt haben
wo sie höchstens recht besorgt waren,
dass niemand es uns richtig besorgt
und uns endlich unsere feministischen Flausen
aus dem linken Leib fickt

Ich brauche euren Schutz nicht!
Ich fühle mich auch so schon missbraucht
für eure rassistischen Zwecke

Geh, wer wird sich denn wegen aufregen
wegen ein bisserl Grabschen?
Mann muss doch prüfen, ob so ein Popsch hält,
was der Blick verspricht

Moral gibt‘s heute im Ausverkauf
Doppelte Menge
zum halben Preis
Greifen Sie zu!
Oder halt! Halten Sie eine Armlänge Abstand!

Frauen brauchen keine Quoten, sagt ihr
Es reicht, wenn sie blond blauäugig und nackt sind
plakatiert ihr
Sogar ein simples Stricherl im Wort neidet ihr uns
und verschweigt die großen Töchter

In der FPÖ, der neuen Feministischen Partei Österreichs
in der Partei, die gerne drei Finger oder eine Armeslänge
Abstand hält
von Intelligenz und Moral
haben Frauen das gleiche Recht
rechten Mist zu verzapfen wie Männer.
Jede Hure findet großes öffentliches Interesse,
so Frau Rosenkranz
Die mütterliche Frau hingegen wird belächelt

Ein Mann ist zum Führen geboren, so die rechten Männer
und recken ihre Arme eine Armeslänge hoch
Der kann sich wegen seiner Testosterone
nicht so gut an Gesetze halten

Aber doch nicht das Ausländerpack!

Wir unterdrücken unsere Frauen selbst
Unsere Testosterone
für unsere Männer
Unsere Pöpsche für unsere Machos!

Und über Nacht
haben sie ihr Herz für Feminismus entdeckt
Um Haaresbreite
Um Armeslänge

Ob diese Arschlöcher halten,
was der Blick verspricht?

Donnerstag, 7. Januar 2016

S wie Strumpfhose

Das ist mein Beitrag zum Projekt Kleider machen Leute, in dem es darum geht, Geschichten zu Kleidungsstücken von A - Z zu schreiben.
Mitmachen und teilen ist ausdrücklich erwünscht.


Robin Hood hatte eine.
Batman hatte auch eine. Ich hab hundert. Strumpfhosen. Helden tragen Strumpfhosen.

Strumpfhose - ʃtʀʊmpfˌhoːzə

Kleidungsstück, welches Kinder anziehen müssen, wenn es Mama und/oder Papa kalt ist, würde Mechatroniker analog zum Pullover sagen.

15 Grad Celsius. Das war in meiner Kindheit die ominöse Marke, an der wir uns orientieren mussten. Unter 15 Grad hieß es: Strumpfhosenalarm! Und die Strumpfhosen, die wir als Kinder anziehen mussten, waren nicht mit den heutigen vergleichbar, sondern kratzige, unangenehme Beinkleider in Beige und Braun. Strickstrumpfhosen.
Ich gestehe, ich habe den Thermometer manchmal in den heißen Kamillentee getaucht, denn dann waren die geringelten Kniestrümpfe erlaubt. Ich hab diese grauslichen Strumpfhosen gehasst, wie die meisten Mädchen. Und meinen Bruder gleich mit, weil der keine (mehr) anziehen musste.

Nicht alle fühlen sich jedoch durch solche Erinnerungen abgeschreckt. In einem Forum las ich folgendes: Hallo, kennt von euch jemand einen Shop oder eine Marke, welche super kratzige Wollstrumpfhosen verkaufen? Meine Freundin hatte mal eine aus DDR-Zeiten, die war echt unerträglich kratzig :-) Finde dies sehr anregend, wenn man den ganzen Tag erinnert wird, was man trägt.

Er war nicht allein und bekam zahlreiche Tipps von zahlreichen Strumpfhosenfetischisten.

Eine Freundin, die die Erfahrungen mit kratzigen Strumpfhosen mit mir teilt und deren Liebe zu diesem Kleidungsstück sich auch später nie entwickelt hat, meinte: „Wenn ich mal dement bin und im Heim, klau ich allen Mitbewohnern ihre Strumpfhosen und schneide sie in Streifen! Das wird meine Rache.“
„Wenn ich mal dement bin und du klaust meine, bring ich dich um“, hab ich gesagt und es ernst gemeint.


Am 15. Mai 1940 wurden übrigens die ersten Nylons verkauft. Der Tag ging als N-Day in die Geschichte ein.

Mein Onkel, der Fernfahrer, hat sie in den Sechzigerjahren nach Russland mitgenommen. Er fuhr mit ein paar Nylonsackerl (Kunststofftüten) Nylons von zu Hause weg und kam mit Matrjoschkas, einem hölzernen Bären mit Honigtopf, einem Schachspiel, einem geschnitzten Fischer mit Boot und Kaviar zurück. Die Nylonsackerl, die garantiert kein Nylon enthielten, waren übrigens ähnlich begehrt wie die Strumpfhosen.

Heute werden Nylons weggeschmissen, wenn sie eine Laufmasche oder ein Loch im Zeh haben. Meine Mama hat sie noch mit dem hölzernen Stopfschwammerl gestopft. „Unter der Hose kannst du die noch anziehen“, hat sie gesagt.
Mittlerweile gibt es laufmaschenresistente Strumpfhosen. Aber die haben so viel Charme wie unzerbrechliche chinesische Porzellanvasen. Die Gefahr, dass etwas Kostbares kaputtgehen kann, macht seinen Wert aus.

Ich war schon als Kind ziemlich schlampig und hängte nicht, wie es sich gehört, am Vorabend die Kleidung für den nächsten Tag fein sortiert über den Stuhl, sondern schlüpfte schlaftrunken so hinein, wie ich sie ausgezogen und auf den Boden geschmissen hatte. Auf dem Weg zum Bahnhof fühlte sich in meiner Hose etwas komisch an. Ich griff in den Hosenbund und zog und zog und zog... eine Strumpfhose heraus. Das war mir ziemlich peinlich, denn ich war nicht allein, sondern mit ein paar Schulkollegen unterwegs.
Ich hätte also genug Gründe, um Strumpfhosen zu hassen... aber ich liebe sie. Die Strumpfhosen von heute, anschmiegsam, weich, sanft, die Beine umschmeichelnd, haben nichts mit den Angstgegnern aus meiner Kindheit zu tun.


Ich war 14 oder 15 und das erste Mal in London. Da hab ich mich verliebt. Nein, nicht in einen James oder John. Es geschah irgendwo in der Oxford Street. Eine schwarze Strumpfhose mit weißen Straßen und roten Bussen drauf. Es war der Beginn einer großen Liebe.
Ich besitze Strumpfhosen unter anderem aus Paris, Berlin, Amsterdam und New York. Dabei war ich noch nie in New York. Die hat Freund A. mir mitgebracht. Ich weiß nicht, ob es für die Exfreundin Grund für die Trennung war, dass er für mich in New York Strumpfhosen kaufte.

Ja, ich hatte auch eine kurze Phase mit Halterlosen, nichts Ernstes, nur eine Affäre. Das Problem war nämlich, die waren irgendwie auch so haltlos. Und verwandelten sich kurzerhand - oder kurzerbein? - in Overknees, Kniestrümpfe oder im schlimmsten Fall in schlabbrige Socken. Wir sind nie ein Liebespaar geworden, die Halterlosen und ich.

Bei einer Lesung oder einem Poetry-Slam finde ich in der Bezirkszeitung kein Foto von meinem Gesicht... sondern von meinen Beinen. Und das liegt bestimmt nicht an meinen schönen Beinen, sondern an dem, worin sie stecken. In Erdölfasern. Die könnten bald durch Zucker ersetzt werden. Ob man mit diesen Strumpfhosen dann noch im Regen singen kann?

Zu meinem runden Geburtstag gab es natürlich einen Dresscode für Frauen. Es war ein wunderbares Bild auf der Berghütte. Und so viele Strumpfhosen als Geschenke.

Ich hab viele Lieblingsstrumpfhosen. Solche, bei denen ich weinen muss, wenn sie kaputtgehen. (Der Schmerz währt meistens nur kurz, weil ich dann natürlich sofort welche nachkaufen muss) Die nahtlose Fatale, oder die Wolford mit Rüschen an den Fesseln, die regulär 150,- Euro gekostet hätte und die ich zum Schnäppchenpreis erstanden hab. Die man besser nur mit Strumpfhosenhandschuhen anziehen sollte. Oder die, auf der steht: Fucking is the only fucking word that can be fucking used fucking in any fucking place in any fucking sentence. Oder die, die ich mir extra drucken lassen hab, auf der „Toll3ste Weiber, Lippenstift, Lust“ steht. Die mit den ägyptischen Zeichnungen. Oder die, die aussieht, als wären meine Beine mit Flammen und Schmetterlingen tätowiert.

Die mit den Bussen von London hab ich schweren Herzens nach 30 Jahren weggeschmissen. Meine Mama hätte sie bestimmt gestopft.


Wenn ich morgens aufwache und im Bett liege, überlege ich mir, welche Strumpfhose ich anziehe und welchen Ring ich nehme, und dann erst, welches Kleid dazu passt. Und ich gestehe: Manchmal steh ich vor den Schubladen mit den Strumpfhosen - sortiert nach Farben und Mustern - uni oder bunt, gestreift, kariert, klassisch, sportlich, schräg, sexy oder einfach schön - und denk: Scheiße, ich hab keine Strumpfhosen!

Und dann kauf ich welche.

Donnerstag, 31. Dezember 2015

2015

mehr geschmiedet
weniger geschrieben

mehr Bühne
weniger Kohlehydrate am Abend

mehr gepoetryslammt
weniger Lampenfieber

mehr Werkstatt
weniger frische Luft

mehr Kur
weniger Schmerzen im Knie

mehr Erfolge
weniger Niederlagen

mehr Sport
weniger Kilos

mehr Ärger in der Arbeit
weniger Katzen

mehr gelesen
weniger geputzt

mehr Urlaub am Meer
weniger Gartenarbeit

mehr Eiweißshakes
weniger Alkohol

mehr graue Haare
weniger straffe Haut

mehr Geld ausgegeben
weniger Reue

mehr gespendet
weniger Minus am Konto (vielleicht, ich schau ja nicht)

mehr Erfahrung, Gelassenheit, Freude und Glück.

weniger mehr
mehr weniger

angeblich ist ja weniger mehr, aber das glaub ich nicht.
mehr ist mehr. weniger ist weniger. So schaut's nämlich aus.

Hier ein Link zu den Dingen, die bei meiner Lieblingsbeschäftigung entstanden sind:
https://www.facebook.com/media/set/?set=a.436807833142956.1073741832.100004412293872&type=1&l=e3de837418

Montag, 21. Dezember 2015

Alles ist gut - Eine Weihnachtsgeschichte

„Du solltest ein bisschen kürzer treten, Kurt, dein EKG schaut besorgniserregend aus!“
„Du weißt ja, wie das ist in unserer Branche“, Kurt rieb sich sein Dreitagesbartkinn. „Only bad news are good news.“
„Wenn ich das als dein Arzt und Freund, der dich seit 30 Jahren kennt, so sagen darf, Kurt: Du bist ein zynisches Arschloch geworden. Wenn du so weitermachst...“
Kurt wollte den zweiten Teil des Satzes nicht hören. „Wie soll man denn in Zeiten wie diesen nicht zu einem zynischen Arschloch werden? Meine Herzrhythmusstörungen sind kein individuelles, sondern ein globales Symptom. Die Welt ist aus dem Tritt geraten, Heinz. Da hilft ein bisschen Krafttraining oder ein Pudding aus Chiasamen nicht. Da hilft nur Betäubung. Durch Arbeit und Alkohol.“
„Ich mach dir jetzt einen Vorschlag. Ich weiß, er klingt nicht sehr schulmedizinisch, hör mir aber bitte trotzdem zu.“
Kurt setzte an, etwas zu sagen, hielt aber den Mund und tat, was sein Freund ihm zu tun riet. Er hörte zu.
„Versuch deinen Fokus in den nächsten Wochen einmal ganz bewusst auf das zu lenken, was alles gut läuft. Was alles gelingt.“
Kurt rollte die Augen. „Bürgerkrieg in Syrien, Hungersnöte in Afrika, Hypo-Skandal, steigende Armut, fallende Intelligenz, Donald Trump und H.C. Strache. Super, oder?“
„Fang mit deinem Leben an, Kurt. Dir geht’s doch gut. Du hast einen gut bezahlten Job bei der Zeitung, eine attraktive Frau und ein wunderschönes Haus.“
„So nach dem Motto: Think pink?“
„Nenn es, wie du willst. Das Schöne schreibst du jeden Tag auf und wirfst es in ein großes Gurkenglas. Und wenn es dir schlecht geht, schenkst du dir keinen Drink ein, sondern ziehst einen Zettel und erinnerst dich an das Schöne in deinem Leben.“
„Warst du auf einem Esoterik-Seminar, Heinz?“
Heinz ging nicht auf seine Frage ein. „Also, üben wir mal: Was ist dir in der letzten Woche Schönes passiert.“
„Ich bin nicht in den falschen Zug gestiegen.“
„Und jetzt formuliere es positiv. Das Gehirn kann Verneinungen nicht in Bilder umsetzen.“
„Ich hab den richtigen Zug nach Salzburg erwischt. Und die Schaffnerin hatte schöne Beine.“
„Super, was noch?“
„Ich war einkaufen und hab ein paar Hemden und T-Shirts gekauft. Erstens hab ich welche bekommen, zweitens hat die unfreundliche Frau an der Kasse sich zu meinen Gunsten vertan.“
„Das unfreundlich streichen wir wieder. Das ist nicht positiv.“
„Aber nur dadurch, dass sie unfreundlich war, war’s für mich positiv. Sonst hätte ich sie womöglich noch darauf hingewiesen.“
Heinz lachte und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schultern. „Wir sehen uns im Jänner zur Kontrolle.“
„Und am Stefanitag zum Kartenspielen. Tschüs!“


*
„Warst du bei Heinz in der Praxis?“, fragte Gerda, seine Frau, und schenkte ihm einen Martini ein. „Eh alles in Ordnung?“
„Ich hab Herz...“, begann er, dann dachte Kurt an den ärztlichen Rat. „Ich hab ein Herz. Und es schlägt. Ein bisschen eigenwillig halt.“ Er lächelte. Als Gerda in die Küche ging, schüttete er den Martini in die Erde der Zimmerpalme und goss sich Tee auf.
„Was ist denn mit dir los?“, wunderte sich Gerda, als er die Zeitung ungelesen ins Altpapier warf, den Fernseher ausschaltete und sich auf dem Sofa ausstreckte.
„Nichts.“ Er bemühte sich, etwas Positives an der Situation zu entdecken. „Das Sofa ist herrlich weich. Es ist Vollmond. Und ich lebe.“ Er zog seine Frau zu sich. „Und ich hab Lust auf dich.“
Sie stieß ihn von sich. „Nicht jetzt“, sagte sie. „Migräne.“
„Du solltest auch mal zu Heinz gehen, Gerda.“
*
Weil Kurt zwar nach außen hin ein zynisches Arschloch, innen drinnen jedoch ein Angsthase war - ein Angsthase, der nicht sterben, sondern noch eine Weile leben wollte - schrieb er Abend für Abend heimlich seine schönen Erfahrungen auf kleine Zettel, ging in den Keller und warf sie in ein leeres Gurkenglas.
Statt Zeitdruck in der Redaktion. Stau auf der Autobahn. Mama hat genervt, Gerda macht Stress wegen des Weihnachtsessens, Tim hat die Mathearbeit versemmelt schrieb er:
Zeitung schon wieder rechtzeitig fertiggeworden. Im Stau meine Lieblingsnummer gehört. Von Mama Schokomaronen vom Heindl bekommen. Gerda sorgt sich um unser leibliches Wohl. Tim sind Worte wichtiger als Zahlen.
Jeden Tag fiel es ihm ein bisschen leichter.
Die Verkäuferin im Supermarkt hat mich angelächelt. Beim Bäcker die letzten beiden Salzstangerl erwischt. Der Anzug kam sauber aus der Reinigung. Kaschmirsocken in Aktion gewesen.

*
„Ich habe nachgedacht“, sagte er in der Redaktionssitzung und alle starrten ihn an. Waren sie es nicht gewöhnt, dass er nachdachte?
„Vier von fünf Nachrichten, die wir bringen, sind schlechte Nachrichten, wusstet ihr das?“
„Ja. Und? Only bad news are good news“, sagte Jürgen aus der Wirtschaftsredaktion.
„Was glaubt ihr, wie es unseren Leserinnen geht, wenn sie diese ganzen schlechten Nachrichten lesen. Sie bekommen noch mehr Angst, als sie ohnehin schon haben. Wir verstärken diese Angst, versteht ihr? Wenn wir schreiben, dass 30.000 Autos im Jahr gestohlen worden sind, bekommen sie Panik, obwohl doch in Wahrheit viel mehr Autos nicht gestohlen worden sind.“
„Oder sie denken sich: Gut, dass es mich nicht erwischt hat.“ Jürgen rollte mit den Augen.
Kurt ließ sich nicht von seinem Entschluss abbringen. „Ich erwarte mir für die Weihnachtsausgabe ausschließlich gute Nachrichten. Verstanden?“
Ohne die Antwort abzuwarten, stand er auf und verließ die Sitzung.
Ich war richtig mutig, kritzelte er auf ein Post It und freute sich.

Am Nachmittag klopfte es alle paar Minuten an sein Büro.
„Wenn ich schreibe, dass eine Mannschaft gewinnt, dann heißt das doch auch, dass die andere verloren hat, oder?“, fragte der Kollege aus der Sportredaktion.
„Stimmt. Dann schreib nicht, wer gewonnen hat, sondern, dass es ein hochkarätiges Spiel war, die Würstel geschmeckt haben und danach alle gesund vom Platz gegangen sind.“
„Und dass Pep Guardiola die Bayern verlässt, ist das eine gute oder eine schlechte Nachricht?“.
„Gut für die Bayern. Das kann rein.“
„111 Mordopfer im Jahr beim Tatort“, berichtete die Kulturredakteurin. „Ich zähl einfach die, die gerettet wurden und überlebt haben, ja?“

Dann kam Lisi von der Chronik. Lisi mit den abgerissenen Jeans, dem zerzausten Haar und dem großen Herz. Die in ihrer Freizeit Deutschkurse für Flüchtlinge gab und einen Teil ihres Gehalts wohltätigen Organisationen spendete. Jürgen hatte sie letztens „linke, naive Gutmenschin“ genannt. Sie hatte dazu gelächelt und ihm Weihnachtskekse geschenkt.
„Hier“, sagte Lisi und überreichte Kurt ein paar Zettel. „Ich weiß, ich hätte es mailen können, aber ich finde ein Gespräch viel persönlicher als eine elektronische Nachricht. Ich bin die Meldungen der Presseagentur durchgegangen.“
Aus Wiener Straßenbahn aus Schienen gesprungen, machte sie: Wiener Straßenbahn aus Schienen gesprungen, um einer Fußgängerin auszuweichen.
Stichflamme: Verletzte wegen Feuerzangenbowle wurde zu Schmackhafte Feuerzangenbowle tröstet Verletzte
Sein Grinsen wurde immer breiter.
„Ich finde deine Idee übrigens richtig gut“, sagte sie, „also die Idee, einmal das Positive im Leben und auf der Welt zu sehen. Das haben wir alle verlernt.“
Das ging runter wie ein Jameson Gold. Nein, wie Kräutertee mit Honig. Er las weiter.
Alkoholisierter Lkw-Fahrer fährt in Drive-in wurde zu Rekordumsatz für vegetarisches Restaurant neben Drive-in.
Und aus Fußgängerin auf A1 von Auto gerammt Kaum Schäden am Fahrzeug
Sogar einer schweren Überschwemmung in Paraguay konnte sie etwas Gutes abgewinnen. Pakistan bleibt verschont, schrieb sie.
„Das hast du großartig gemacht“, lobte Kurt, der merkte, dass er seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen viel zu selten lobte. Heute Abend würde er Lisi, die Chaotin aus der Chronik, hat mich verzaubert auf einen Zettel schreiben. Sie hat die drei H. Hirn, Herz und Humor. In Gedanken fügte er ein viertes H. hinzu. Einen schönen Hintern hatte sie nämlich auch.

„Aber wie kann man die Schlagzeile FPÖ in Umfragen klare Nummer eins im Bund? positiv sehen?", riss sie ihn aus seinen Hinterngedanken, „da steh ich an."
„Hm.“ Kurt räusperte sich. „Vielleicht: FPÖ verfehlt absolute Mehrheit klar.“
Sie spendete ihm ihr hinreißendstes Lächeln. „Ich geh morgen auf den Weihnachtsmarkt“, sagte sie, „hast du Lust, mitzukommen?“ Sie stapfte in ihren zweifärbigen Chucks aus seinem Büro.

Kurt spürte, wie sein Herz einen Sprung machte. Kein Stolpern und Aussetzen wie vor ein paar Wochen, sondern kleine, herzhafte Sprünge.

*
„Kannst du noch in die Stadt fahren und den Baum besorgen?“, bat Gerda ihn. „Aber fahr langsam, wegen des Nebels.“
„Ich mag Nebel“, sagte Kurt, „er deckt Dinge zu und hat etwas Geheimnisvolles.“
Gerda fand ihn neuerdings langweilig, wenn er ihr voll Freude erzählte, dass die Heizung funktionierte, sein Blutdruck gesunken war und Deni Alar einen Elfmeter verwandelt hatte. „Du hast dich verändert“, hatte sie vor ein paar Tagen festgestellt und ihr Tonfall hatte ihm verraten, dass sie an seiner Veränderung keinen Gefallen fand. Wenn er sie berühren wollte, hatte sie Migräne.

Kurt fuhr ziellos durch den dichten Nebel, hörte Weihnachtslieder und dachte nach. Den Baum hatte er schon gestern besorgt, als er nach der Arbeit mit Lisi durch den Adventmarkt geschlendert war und ein kleines, unscheinbares Bäumchen erstanden hatte. Sie tut mir verdammt gut, hatte er am Abend auf den Gurkenglaszettel geschrieben und fügte ein fünftes H. dazu. Sie hat weiche Hände.
In einem kleinen Café trank er Tee und fuhr nach Hause zurück.

Zuerst hörte er sie. Dann öffnete er die Schlafzimmertür einen Spalt breit und sah sie. Seine Frau. Im Ehebett. Mit Jürgen, seinem Kollegen aus der Wirtschaftsredaktion. Dem, der sich geweigert hatte, „rosarote Nachrichten“ zu schreiben, wie er es ausdrückte.
Leise schlich er in den Keller. Gerda hat keine Kopfschmerzen mehr, schrieb er auf einen Zettel. Und in sein Handy tippte er eine SMS an Lisi: „Lust auf einen Spaziergang im Nebel?“

Sonntag, 22. November 2015

P... P... Poetry-Slam!

Nein, das ist nichts für mich, hast du nach deinem ersten Poetry-Slam gesagt. Zu schnell, zu wenig Zeit. Noch dazu im Stehen. Du würdest auch so einen Text nicht auswendig lernen können, schon gar nicht, wenn er sich nicht reimt. Das letzte, das du auswendig gelernt hast, war die Bürgschaft.

Zu Dionys dem Tyrannen schlich Damon,
den Dolch im Gewande
Ihn schlugen die Häscher in Bande

Und überhaupt: Literatur kann man nicht vergleichen und benoten.

5 Slams später müssen sie dich von der Bühne zerren, denn du bist süchtig geworden. Immer noch fühlst du dich unter den jungen, schönen Poetinnen und den nicht immer jungen, aber von sich überzeugt wirkenden Poeten wie bei einem Auswärtsspiel. So ähnlich wie beim Elternabend, als du dich auf den Kindergartensessel gequetscht hast, aus dem du nicht mehr hochgekommen bist.

Und irgendwann ist es so weit. „Holen sie wir auf die Bühne, mit Liebe, mit Leidenschaft, mit tosendem Applaus!“

Ich bin, spricht jene, zu sterben bereit,
und bitte nicht um mein Leben


Du stehst auf der Bühne, genießt das Scheinwerferlicht und hoffst, dass die Türe geschlossen ist und dein Text nicht abhauen kann. Du kämpfst mit dem Mikroständer, der zu hoch ist oder deine Beine zu kurz. Dann liest du diesen unheimlich pathetischen und berührenden und sanften Text, in dem der arme Lagerhausmitarbeiter durch den Häcksler gejagt wird. Von dir (Er hat es sich aber verdient, das muss ich zu meiner Verteidigung sagen). Du liest auswendig, weil du die letzten beiden Wochen bei deinen Außendiensten – zirka 3.000 Kilometer – den Text gehaucht, geflüstert und gelebt hast. „Tschakataschkatatschakata!“, hast du bei der roten Ampel aus dem Auto gebrüllt, als die messerscharfen Klingen das Herz des Lagerhausmitarbeiters in winzige Stücke gerissen haben. Der Fahrer im Golf hat dich mitleidig und ein wenig ängstlich angelächelt.

Du fühlst dich wie ein Rockstar im ausverkauften Praterstadion.

Und horch! da sprudelt es silberhell,
Ganz nahe, wie rieselndes Rauschen
Und stille halten sie, zu lauschen


Du genießt den Applaus. Verbeugst dich.

Und willst du Gnade mir geben, ich flehe dich an...
wartest du auf die Bewertung, obwohl man Literatur natürlich nicht bewerten kann.
In Wahrheit wartest du nur auf das erlösende „Z... Z... Z... Zehn!

„Wir haben eine Sechs“, sagt die Moderatorin und du musst dein Lächeln mit der Sicherheitsnadel festpinnen. Du schaust nicht, aus welcher Richtung die Bewertung kommt, denn obwohl du so überhaupt nicht zu Gewalt neigst, hast du Angst, du könntest dem Typen in die Fresse schlagen. Slam wie Zuschlagen. P... P... P... Poetry Slam. Tschack.
„Wir haben eine 8“, fährt die Moderatorin fort und du entfernst die Sicherheitsnadel. Danke vielmals.

O hast du mich gnädig aus Räubershand,
Aus dem Strom gerettet ans heilige Land


„Wir haben eine Vier!“
Das hat nichts mit mir zu tun, redest du dir ein, wahrscheinlich hat der Kerl, der die Jurykarten in der Hand hat, schlecht geschlafen oder seine Frau mit dem Briefträger im Bett erwischt. Vielleicht hat sein Arzt ihm heute gesagt, dass er Prostatakrebs hat. Vielleicht steht er nicht auf rothaarige ältere Frauen mit bunten Strumpfhosen, sondern auf Blondbeinige mit schwarzen Strapsen. Möglicherweise hat seine Mama das Gulasch versalzen. Oder er arbeitet im Lagerhaus. Es gibt so viele Gründe, die nichts mit mir zu tun haben.

Vielleicht findet er mich aber auch einfach Scheiße, denkst du, und es tut weh.
„Wir haben eine Z... Z... Zehn!“
Die Frau hat die Eins bestimmt irrtümlich in die Höhe gehalten, in Wahrheit hält sie dich für eine Null. Oder sie meint nicht dich, sondern ist ein bisschen langsam und die Zehn gilt dem grandiosen Poeten mit der schönsten Stimme der Welt vor dir. Als du kapierst, dass sie doch dich meint, denkst du: Und warum keine Zehn komma fünf?
War ich nicht gut genug?

Was wollt ihr? rufst du vor Schrecken bleich,
Ich habe nichts als mein Leben


Du gehst von der Bühne, mit dem festgepinnten Lächeln. Es geht doch nur ums dabei sein, sagst du.
Ich schreibe nie nie nie nie wieder auch nur ein Wort, denkst du.

Und schweigend umarmt dich der treue Freund

Vielleicht solltest du dich auf das konzentrieren, was du kannst. Schlafen, Krautfleckerl kochen - mit karamellisiertem Zucker - und unter versifften Matratzen von versifften Klienten versiffte Sparbücher suchen. Nie wieder betrete ich eine Bühne!, sagst du dir.
Als du wieder sitzt, kramst du in der Tasche nach dem Merkheft und schreibst deine Gedanken auf. Für den nächsten Slam.

Zu Hause sinkst du in die tröstenden Arme deines Mannes, der dich an sich zieht und noch nie von einem Poetry-Slam gehört hat.

„Und? Wie war ich?“, fragst du danach in den verschwitzten Laken und wartest auf die erlösende: „Z... Z... Z... Zehn!“

Plötzlich steht jemand in der Schlafzimmertür.
„Ich sei, gewährt mir die Bitte“,
so der Poet mit der schönsten Stimme der Welt
„in eurem Bunde der Dritte.“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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