Mein Land

Auch in großen Revolutionen sind es die kleinen Momente und Geschichten, die berühren. Zum Beispiel jene, die der für den ORF arbeitende ägyptische Journalist heute früh im Radio erzählt hat. Es ist schön zu hören, wie begeistert er berichtet, nicht nur als Journalist, sondern vor allem als Mensch, als Ägypter, überwältigt von dem, was da passiert. Ob es gefährlich war, wurde er gefragt und er hat gesagt, weniger gefährlich als aufregend, und man spürt die Begeisterung in seiner Stimme, das Adrenalin.

Die Stadt wäre noch nie so sauber gewesen wie jetzt, meint er, die Menschen kamen mit ihrem Besen und kehrten den Dreck nicht nur vor ihrer eigenen Tür, sondern auch an öffentlichen Plätzen, weil sie zeigen wollten, dass sie nicht nur friedlich demonstrieren, sondern auch Verantwortung übernehmen können und wollen.

Nahe des Tahrir-Platzes sah der Journalist einen Mann in einem alten, wackeligen Rollstuhl, mit einem Kübel Farbe zwischen den Beinen, Wochen vorher wahrscheinlich noch ein Bettler, auf Almosen angewiesen.
„Was machst du hier“, fragte der Journalist ihn.
„Ich streiche den Gehsteig“, antwortete der Mann im Rollstuhl.
"Warum?"
„Weil das jetzt auch mein Land ist.“


Ich weiß schon, wir leben in einer Demokratie. Die meisten von uns sind satt und wohlgenährt. Kein Grund für eine Revolution. Der Leidensdruck ist noch nicht groß genug. Und doch ertappe ich mich bei dem Wunsch, dass auch wir wieder auf die Straße gehen, zu Hunderttausenden, dass wir – wie die Ägypter - den Besen in die Hand nehmen und den Dreck von Korruption und Bestechung wegkehren und den Mief der politischen Verstrickungen und Ungerechtigkeiten beseitigen.
elke66 - 15. Feb, 12:17

Von der fein nacherzählten Geschichte bis speziell zum kursiv gesetzten Eigenkommentar, finde ich Ihre Ausführungen bewegend, demokratisch und gerecht. Mit dem Benennen ist es nicht getan, aber ein Anfang ist damit gemacht.

Anja-Pia - 15. Feb, 12:18

Ich schnappe schon mal den Besen.

Jossele - 15. Feb, 12:21

Ich teile deinen Traum.

Aber bis "wir" aufwachen, dauert´s noch ein Weilchen.
Wie du so trefflich erwähnst, wir sind zu satt und wohlgenährt.
Außerdem, unsere Schurken sind zu schön für diese Welt ;-)

june - 15. Feb, 12:59

Bei uns funktioniert es einfach noch viel zu gut, dieses "divide et impera", das Schüren von Neid und Missgunst innerhalb derer, die sozial eher die "unteren Plätze" besetzen, aber auch unter denen, die vor nichts mehr Angst haben, als selbst ein bisschen was hergeben zu müssen.

Gegen die LehrerInnen, die Beamten, die PensionistInnen, die StudentInnen, die HundehalterInnen, die RaucherInnen, die AsylwerberInnen, Menschen mit Migrationshintergrund, BettlerInnen, ... - gegen all diese "SozialschmarotzerInnen" - und das sind natürlich immer "die Anderen".

Tschulligun', ich bin heut wohl ein bisserl geladen ... ;)
Jossele - 15. Feb, 16:19

Ich meinte nicht, wir sollten großflächig gegen Beamte, PensionistInnen, StudentInnen, HundehalterInnen, Pfeifenraucher, Sozialschmarotzer, Sozialhilfeempfänger, usw. ins Feld ziehen.

Ich meine aber doch, sogut es gemeint war, das System, in dem wir leben, neigt zum Misbrauch, und zwar von ganz oben bis ganz unten.

Selbstbedienungsladen steht drauf, und zu viele bedienen sich, manch schöne Menschen ziemlich ungeniert.
Werte (womit ich nicht monitäre meine), Miteinander, das sind Worte von gestern.

Ich halte auch nicht alle Beamte, Pensionisten, AsylwerberInnen, HundehalterInnen ... apriori für edle Menschen, allein schon, weil ich die Reduzierung auf einen Teil des Daseins ablehne.

Was sind WIR? Das ist die Frage. Wohin wollen WIR?
"Wir" ist ein ziemlich stiefmütterlich behandeltes Wort.

WIR wollen noch nicht wirklich eine Änderung, weil offensichtlich behagt UNS der kleine Neid.
june - 15. Feb, 18:54

Ich habe Sie schon verstanden. Und ich gebe Ihnen recht.
creature - 15. Feb, 19:18

entsolidarisierung

june, du hast schon recht damit.

das besondere an dieser revolution war, es gab kaum einen hass, ich bin stunden vor dem livestream gesessen und hab mir die bilder der menschen angesehen, das war erfreulich, diese gesichter zu sehen.
hab mit vorgenommen während der revolution wenn die gut ausgeht heuer nach kairo zu fahren und mich auf den tharirplatz zu setzen, ich werds tun.
datja (Gast) - 15. Feb, 22:10

ja, ja und nochmals JA!

aber
ein ganz klein bissi hab ich angst dass die menschen enttäuscht werden.
weil was ist wenn nix besseres nachkommt?

Blinkyman - 17. Feb, 00:16

Genau das wird es sein!

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