Die Liste - 9
„Haben sie Angst vor mir?“, antwortete sie mit einer Gegenfrage.
„Ja. Nein. Also...“ Er wusste es nicht. Frank kannte sich mit Gefühlen nicht gut aus, er war ein Leben lang ohne sie ausgekommen und hatte auch nicht die Absicht, das im Alter von 52 Jahren zu ändern, obwohl sein Therapeut ihn seit Jahren ermutigte, Gefühle zuzulassen.
Frank folgte Frau Leitner wortlos in ein Zimmer. Sie setzte sich auf das cremefarbenen Sofa aus Leder und bedeutete ihm mit einen Blick, auf dem Ledersessel ihr gegenüber Platz zu nehmen.
„Worum geht’s denn?“ Sie schaute auf die Armbanduhr.
Das Zimmer war hell und alles andere als bedrohlich-hexenhaft eingerichtet. In der einen Ecke stand ein Aquarium mit weißem Sand, Kieselsteinen und türkisfarbenem Wasser, in dem ruhig ein paar Fische ihre Kreise zogen. Welche, konnte er nicht sagen, er kannte sich nicht nur mit Gefühlen, sondern auch mit Fischen nicht aus.
Er hatte seine Bitte zu Hause sorgfältig formuliert, ausgedruckt und in die Tasche seines Hawaiihemdes gesteckt, sicherheitshalber, falls ihm in der Aufregung der Text nicht einfiel. Jetzt aber konnte er keine seitenlange Erklärung verlesen, jetzt hieß es schnell zu handeln und die Chance zu nutzen.
„Ich brauche eine Mutter“, presste er hervor.
Sie lachte, und ihr Lachen klang keineswegs mehr heiser, sondern schallend.
Sie lacht mich aus, dachte er, sie lacht mich aus, wie meine Mutter mich damals ausgelacht hat, als ich am ersten Schultag vor Aufregung in die Hose gemacht habe.
Einen winzigen Augenblick lang verspürte er den Impuls, sie einfach zu erwürgen; seine Hände um ihren Hals zu legen und so lange zuzudrücken, bis das Lachen verstummte. Dann blickte er auf den spitzen Schnabel des Raben auf ihrer Schulter. Der hackt mir die Augen aus, wenn ich sie berühre, dachte Frank. Außerdem war es nicht vernünftig, sie zu töten, denn man löste keine Probleme, indem man fremde Frauen erwürgte, sondern schuf welche. Das wusste er aus den Fernsehkrimis.
„Entschuldigen Sie mein Lachen“, entschuldigte sie ihr Lachen und schaute ihn wieder ernst an. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen. Sie müssen mich verwechseln. Ich bin weder Psychoanalytikerin, noch habe ich überirdische Kräfte. Sie haben mich beim Proben gestört. Ich übe meine Rolle für Hexe Hillary hält heute Hof, ein Theaterstück für Kinder.“
Er beschloss, die Alliteration einfach zu ignorieren und schöpfte Hoffnung. „Sie sind Schauspielerin?“
„Keine richtige. Ich spiele nur zum Spaß.“
„Das ist gut...“, murmelte Frank, „das ist sehr, sehr gut.“
Fortsetzung folgt
„Ja. Nein. Also...“ Er wusste es nicht. Frank kannte sich mit Gefühlen nicht gut aus, er war ein Leben lang ohne sie ausgekommen und hatte auch nicht die Absicht, das im Alter von 52 Jahren zu ändern, obwohl sein Therapeut ihn seit Jahren ermutigte, Gefühle zuzulassen.
Frank folgte Frau Leitner wortlos in ein Zimmer. Sie setzte sich auf das cremefarbenen Sofa aus Leder und bedeutete ihm mit einen Blick, auf dem Ledersessel ihr gegenüber Platz zu nehmen.
„Worum geht’s denn?“ Sie schaute auf die Armbanduhr.
Das Zimmer war hell und alles andere als bedrohlich-hexenhaft eingerichtet. In der einen Ecke stand ein Aquarium mit weißem Sand, Kieselsteinen und türkisfarbenem Wasser, in dem ruhig ein paar Fische ihre Kreise zogen. Welche, konnte er nicht sagen, er kannte sich nicht nur mit Gefühlen, sondern auch mit Fischen nicht aus.
Er hatte seine Bitte zu Hause sorgfältig formuliert, ausgedruckt und in die Tasche seines Hawaiihemdes gesteckt, sicherheitshalber, falls ihm in der Aufregung der Text nicht einfiel. Jetzt aber konnte er keine seitenlange Erklärung verlesen, jetzt hieß es schnell zu handeln und die Chance zu nutzen.
„Ich brauche eine Mutter“, presste er hervor.
Sie lachte, und ihr Lachen klang keineswegs mehr heiser, sondern schallend.
Sie lacht mich aus, dachte er, sie lacht mich aus, wie meine Mutter mich damals ausgelacht hat, als ich am ersten Schultag vor Aufregung in die Hose gemacht habe.
Einen winzigen Augenblick lang verspürte er den Impuls, sie einfach zu erwürgen; seine Hände um ihren Hals zu legen und so lange zuzudrücken, bis das Lachen verstummte. Dann blickte er auf den spitzen Schnabel des Raben auf ihrer Schulter. Der hackt mir die Augen aus, wenn ich sie berühre, dachte Frank. Außerdem war es nicht vernünftig, sie zu töten, denn man löste keine Probleme, indem man fremde Frauen erwürgte, sondern schuf welche. Das wusste er aus den Fernsehkrimis.
„Entschuldigen Sie mein Lachen“, entschuldigte sie ihr Lachen und schaute ihn wieder ernst an. „Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen. Sie müssen mich verwechseln. Ich bin weder Psychoanalytikerin, noch habe ich überirdische Kräfte. Sie haben mich beim Proben gestört. Ich übe meine Rolle für Hexe Hillary hält heute Hof, ein Theaterstück für Kinder.“
Er beschloss, die Alliteration einfach zu ignorieren und schöpfte Hoffnung. „Sie sind Schauspielerin?“
„Keine richtige. Ich spiele nur zum Spaß.“
„Das ist gut...“, murmelte Frank, „das ist sehr, sehr gut.“
Fortsetzung folgt
testsiegerin - 21. Sep, 19:33