Tag 8 - Die Erkenntnis

Wo bin ich denn hier gelandet?

Ratlos stehe ich inmitten einer nicht enden wollenden Landschaft. Pflanzen, die ich noch nie gesehen habe, grauhaarige Gestalten, die mir die Zunge herausstrecken und Formeln in den Sand malen. Früchte, deren Namen ich nicht kenne, Berge, so hoch, dass sie die Wolken berühren und Leute, die versuchen, sie zu messen und zu wiegen. Dazwischen komplizierte Konstrukte und Brücken. Menschen in weißen Mänteln, die bunte Flüssigkeiten in Phiolen aus Glas schütteln.

Ich schüttle nur den Kopf.

„Du bist in der Welt des Wissens“, sagt eine alte, weise Frau zu mir. (Ich atme erleichtert auf, denn in den Märchen sind die Weisen meist männlich und das kommt mir als Feministin so gar nicht entgegen.)
„Wunderbar“, sagt meine Selbstüberschätzung, „hier fühle ich mich zu Hause.“ Ich schnüre meinen Rucksack auf und beginne damit, das Wissen, das hier so achtlos herumliegt, hineinzustopfen.
Die Frau lacht und dreht meinen Beutel auf den Kopf, so dass alles wieder herausfällt. „Halt!“, sagt sie. "Zuviel Wissen kann belasten, wenn man nicht daran gewöhnt ist. Außerdem musst du es dir erarbeiten. Schau dort drüben, dieses Feld, es gehört dir.“ Erarbeiten? Ich? Bin ich in einem Märchen oder was?
Enttäuscht starre ich auf das Fleckchen Erde, zu dem sie mich begleitet. So groß wie der Schrebergarten meiner Tante, und ein paar verdörrte Pflänzchen wachsen darauf. Löwenzahn, Vergissmeinnicht und Schafgarbe. Hier ist so gar nichts Exotisches.
Ich stolpere und falle in eine Wissenslücke. Und noch einmal. Bald habe ich das Gefühl, ich bestehe ausschließlich aus Wissenslücken.
Ein Rinnsal zieht eine Furche durch meinen Acker der Ahnungslosigkeit. „Das ist der Fluss deiner Fantasie.“
Die Alte macht mich fertig. Meine Fantasie ist ein reißender Strom, keine mickrige Regenlacke. Ich kremple die Ärmel auf. Erst werde ich hier mal ordentlich umgraben, damit etwas wächst. Und rumgrübeln, damit ich wachse. Nachts wenn sie schläft, werde ich einen Tunnel buddeln, durch den Wald der Neugierde. Und auf hohem Niveau wieder das Tageslicht erblicken.
Ich grabe mich durch dicke Bücher und langweilige Gespräche. Das ständige Lernen macht mich schnell müde. Schließlich überrumpelt mich meine Faulheit. Sie zwingt mich in die Knie. Ich rapple mich auf, lehne mich lässig lächelnd an den Baum der Erkenntnis, schließe die Augen und warte. Darauf, dass die reifen Früchte des Lebens und Wissens auch ohne mein Zutun auf mich herabfallen.
Und tatsächlich habe ich eine Erkenntnis. Die, dass der Baum nur ein Apfelbaum und das Ding auf meinem Kopf eine Beule ist.

Noch immer hoffe ich, dass die weise Frau wiederkommt und mir sagt, dass alles nur eine Verwechslung war. Dass der kleine Acker für jemand anderen bestimmt ist und mir die Luftschlösser mit dem Durchblick gehören. Dass ich es nicht mehr weit habe zur Erleuchtung.

Doch die Alte bleibt verschwunden.
Irgendwie war mein kleiner Acker aber auch schön, denke ich, als ich zurückwandere, und die Erde hat fruchtbar ausgeschaut. Ich werde bunte Blumen pflanzen und zwei bescheidene Bäume. Die werde ich fleißig gießen und eine Hängematte von einem zum anderen spannen. Zum Ausruhen.

Guten Abend nach Hause

Zwar weiß ich viel, doch will ich alles wissen.

Scio nescio
B.
rosmarin - 8. Mai, 23:14

also .... immer wieder staunen.....ich bin sprachlos vor begeisterung.... drum halt ich die klappe (bzw. die finger)

testsiegerin - 9. Mai, 08:04

bitte nicht die klappe halten. sonst weiß ich nämlich nicht, ob das hier überhaupt irgendjemanden interessiert.
ElsaLaska - 9. Mai, 10:14

Wissenslücken :)

Heimtückische Wissenslücken, super. Ich wollt auch nur sagen, dass ich weiter mitles.
Eh, RegenLACKEN? Austriakisch?
Schönen Tag wünsch ich dir.

svashtara - 9. Mai, 12:37

Die Welt des Wissens...

...offenbart sich schließlich ja auch nur dem, der erkannt hat, dass er selbst nicht viel weiß. Alte Philosophenweisheit :-))

steppenhund - 9. Mai, 12:47

Erkenntnis


Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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