Tag 9 - Entschuldigung

Heute reise ich in ein dunkles Kapitel meiner Gegenwart. In meine Schuld.
Um es gleich vorweg zu nehmen. Ich bin schuld.
Und wenn ich es ausnahmsweise einmal nicht bin, dann fühle ich mich trotzdem schuldig. Sobald jemand einen Satz mit: „Wer hat ...“ beginnt, zeige ich auf. „Ich“, strecke ich die Hand in die Höhe, „ich war es.“

Vor vielen Jahren war ich schuld daran, dass in Afrika Kinder sterben müssen, weil ich meine Suppe nicht aufgegessen hab. Auf diese Weise habe ich schon sehr früh gelernt, globale Zusammenhänge zu erkennen. Aber ich war nicht nur verantwortlich für die Hungersnot, sondern auch für die Kopfschmerzen meiner Handarbeitslehrerin und schuld daran, dass meine Großmutter ganze Nacht kein Auge zugedrückt hat, aus Kummer über mich. Weil ich in der Kirche die Kristallluster bewundert habe, anstatt der Predigt zu lauschen.

Mit den Jahren ist es zum Automatismus geworden. Jemand in meiner Umgebung schaut traurig – tschack – ich fühle mich schuldig.
Ich bin ständig auf der Hut, weil das Gefühl mich begleitet, soeben etwas falsch gemacht zu haben. Ruft mein Chef mich an, was selten vorkommt, beginnt sofort eine Liste meiner Unachtsamkeiten und kleinen Überschreitungen in meinem Arbeitsalltag im Gehirn zu rattern und ich überlege krampfhaft, was ich ausgefressen habe. Ach so, er will zum Dienstjubiläum gratulieren. Noch Stunden später stehe ich unter Stress.
Werde ich mit meinem Wagen von der Polizei aufgehalten, lege ich mir – während ich auf die Bremse steige - Ausreden zurecht. Ich hab vergessen, den Herd abzudrehen und will nicht, dass das Haus abbrennt. Meine Tochter hat eine Tintenpatrone verschluckt und ich muss in die Schule. Oder dringend die Welt retten. Weil meinetwegen die Kinder in Afrika verhungern. Das verstehen Sie doch, oder?
Wie bitte? Ich bin nicht zu schnell, sondern zu langsam gefahren? Entschuldigung.

Meine Schuldgefühle gehören zu mir wie meine Faulheit. Gelegentlich fühle ich mich auch schuldig, faul zu sein. Aber die Schuldgefühle sind weniger anstrengend als der Fleiß. Ich habe gelernt, mit ihnen zu leben. Außerdem haben sie auch eine sehr praktische Funktion.
Ich ersticke langwierige familiäre Diskussionen und die Suche nach dem Schuldigen im Keim. „Ich war’s nicht“, schreien meine Kinder im Chor, wenn aus irgendeiner Richtung „Wer hat eigentlich..?“ ertönt. „Ich“, antworte ich gelassen, murmle „Entschuldigung“ und alle sind zufrieden.

Oft bin ich so sehr damit beschäftigt, mich schuldig zu fühlen, dass ich manchmal völlig übersehe, wenn ich es wirklich bin.
Aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Dieses Wort heißt Entschuldigung und ist ein Zauberwort. Es fällt mir nicht schwer, um Verzeihung zu bitten. Es sind lächerliche vierzehn Buchstaben und sie wirken Wunder. Man lächelt lieb, senkt den Kopf, haucht leise „Entschuldigung, dass das Wetter so schlecht ist“, und schon kommt die Sonne hervor.
So einfach ist das.

Entschuldigung, dass ich heute so einen Schwachsinn geschrieben habe.
*lächelt lieb und senkt den Kopf*
ElsaLaska - 9. Mai, 23:39

Vergib mir

ist auch schön. Verzeihen Sie mir. Vergeben und verzeihen finde ich eigentlich noch schöner als "Entschuldigung" oder gar "Sorry". "Sorry" ist, weil man eine Email vergessen hat, zu beantworten. "Vergib mir" ist, wenn es richtig an die Substanz geht. Hach ...
Gute Weiterreise!

Lo - 9. Mai, 23:54

Entschuldigung, aber...

...als ich das las,
dachte ich für einen Augenblick, ich sei mir soeben begegnet.

Tschuldigung, manchmal denke ich Unsinn.....

lo
...ich habe hoffentlich nicht gestört?
Das wäre mir unangenehm.
Nochmals: nichts für ungut.

40plusX - 10. Mai, 08:20

Entschuldigung, ...

... dass ich hier einfach mit Gefallen weitergelesen und ein paar bekannte Emotionen getroffen habe.

testsiegerin - 10. Mai, 11:37

Ich vergebe euch. *lächelt großherzig*

und ich danke euch.

steppenhund - 10. Mai, 12:29

ich entschuldige gar nichts!

Das einzige, von dem ich gedacht habe, dass es mir niemand wegnehmen kann, das Schuld haben, wurde mit diesem Beitrag usurpiert.
Ich verzeihe (Pardon! verziehe) mich in eine Ecke und grantle still vor mich hin.

ConAlma - 10. Mai, 13:01

...damit auch wir vergeben unsern Schuldigern

Dieses schreckliche Konglomerat aus Christentum und Psychoanalyse stürzt einen jeden tief in Schuld: Kinder werden an den Eltern schuldig, weil sie deren Leben einengen, es ihnen gar wegnehmen, Eltern an ihren Kindern, weil sie sie traumatisieren; Männer und Frauen aneinander, weil sie von ihren Planeten nicht wegkommen, und jetzt sogar Blogger untereinander, wegen Themen- und Befindlichkeitsklau ;-)

Nehmt die Last der Zuständigkeit von euren eigenen Schultern, denn: Friede sei mit euch!

testsiegerin - 10. Mai, 13:13

amen

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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