Es ist nie zu spät ...

Ich bin keine berühmte Schriftstellerin. Nicht nur, weil ich nicht gut genug schreibe, das wäre nicht das Problem. Es gibt viele Autoren, die auch nicht gut schreiben, aber trotzdem berühmt sind. E.L.James zum Beispiel mit ihren 50 Grautönen oder Uwe Tellkamp.

Wenigstens weiß ich jetzt, warum ich es nicht geschafft habe.
Ich bin glücklich. Und ich habe in meinem Leben nichts wirklich Schlimmes erlebt, wenn man von Schulden, ein paar Todes- und Unfällen absieht, aber das passiert ja jedem.
Fast alle berühmten Autoren hatten eine entsetzliche Kindheit oder tragische Erfahrungen. Die meisten sogar beides.
Ich war nie im Krieg. In gar keinem. Nicht im Weltkrieg, nicht in Bosnien und schon gar nicht im Irak. Zu spät geboren oder am falschen Ort. Ich war weder in der SS noch in Gefangenschaft, nicht einmal in amerikanischer, wie Günther Grass. Nicht, dass ich die Herrschaften darum beneide, verstehen Sie mich nicht falsch, aber mir fehlt dieser Wettbewerbsvorteil.
Ich leide weder an Depressionen – ok, ein kleines bisschen schon, nachdem heute ein Schreiben eines Inkassobüros kam - noch an einer bipolaren Störung wie Virginia Woolf. Ich fühlte mich innerlich niemals „so wund, dass mir, ich möchte fast sagen, wenn ich die Nase aus dem Fenster stecke, das Tageslicht wehe tut, das mir darauf schimmert“, und so ist es zwar ziemlich unwahrscheinlich, dass ich mich wie Heinrich von Kleist erschießen werde, es ist aber genauso unwahrscheinlich, dass ich jemals so berühmt werde. Meine Mutter war keine herrische Person wie die Mutter von der Jelinek, und sie zwang mich nicht zum Klavierunterricht. Mein Papa, dieser rücksichtslose Kerl, verbrachte seine Zeit lieber in den Bergen, als dass er wie der Vater von Dario Fo im antifaschistischen Widerstand aktiv war.
Das verzeihe ich meinen Eltern nie.

Der Psychoanalytiker Ben Furman hat gesagt, es sei nie zu spät, eine glückliche Kindheit gehabt zu haben.
Vielleicht gilt das ja auch für die unglückliche Kindheit. Ich arbeite daran.
Ich erinnere mich dunkel, dass mir meine kleine Schwester einst mein Hans Krankl T- Shirt vom Leib riss, weil Rapid Wien bei Derby gewonnen hatte. So tief hat sich dieses Trauma eingebrannt, dass ich es 40 Jahre lang verdrängt habe. Verdrängen musste, um nicht daran zugrunde zu gehen. Und überhaupt: Meine Mama hat mich – analog zur Mama von Rilke – gelegentlich in Lederhosen gesteckt. Können Sie sich vorstellen, was das für meine Identitätsfindung bedeutet hat?
Und bevor ich vergesse, es zu erwähnen: Im Knast war ich auch. Fünf Jahre. Wie Vaclav Havel. O.k., ich hab dort gearbeitet, aber lustig war das nicht immer.
Während der sensiblen Phase meiner Pubertät hatte ich manchmal Hausarrest und Fernsehverbot. So etwas hinterlässt Narben, die vielleicht dazu beitragen können, dass aus mir doch noch eine große Autorin wird. An Hunger litt ich zwar nie, aber mein Vater bekam immer das größte Stück Fleisch. Leicht war das nicht.

Gut, ich bin weder Rosa Luxemburg noch Nelson Mandela. Außenseiterin bin ich, obwohl ich weder Rosa noch schwarz bin. Hier im Dorf bin ich sogar Außenseiterin, weil ich nicht schwarz bin.
Und seien wir ehrlich, ist es nicht ein bisschen wie Zwangsarbeit, dass ich als Kind genötigt wurde, frische Kräuter aus dem Garten zu holen? Man hat mich ausgelacht, weil ich Petersilie mit Schnittlauch verwechselt habe. Mobbing nennt man das heute wohl.
Paranoid bin ich zwar nicht, aber wenn ich es recht bedenke, dann waren schon einige hinter mir her.
Ich war zwar nie in einem nationalsozialistischen Erziehungsheim wie Thomas Bernhard, aber in einem Studentinnenheim des Opus Dei. Ich muss gestehen, ich habe damals Kerzen gestohlen. Wie Karl May aus dem Gymnasium. Ihn hat man deshalb von der Schule verwiesen und er hat sich den Schatz im Silbersee ausgedacht. Mich haben sie nicht erwischt, leider. Drum hab ich nur den Stinki geschrieben.

Keine meiner Beziehungen war so schwierig wie die von Simone de Beauvoir mit Sartre. Aber mit Männern hab ich wahrlich genug durchgemacht. Nicht nur Nächte. Und das ist noch nicht vorbei, fürchte ich. Hoffe ich.

Ich glaube, ich habe doch noch eine kleine Chance.



(2005 - überarbeitet 2012)
steppenhund - 31. Okt, 00:36

Ich habe vor einigen Monaten ganz ernsthaft mit einem Schulkollegen darüber geplaudert, warum wir keine Chance gehabt hätten, einen Nobelpreis zu ergattern. Die Begründungen waren etwas anders, doch gerade vor kurzem stand in einer Zeitung ein Artikel, der unsere Aussagen bestätigte.
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Man könnte sich eigentlich fragen, warum deine Geschichten nicht den Anklang finden, den Khalil Gibran erhält?
Da könnte man noch falsche oder fehlende Religionsangehörigkeit und das falsche Geschlecht anführen. Die Moral in den meisten deiner Geschichten ist um ein Haus besser als Coelho, aber der kommt ja vor allem bei den höschenbefeuchtenden Damen an.
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Aber ich denke einmal, dass so eine Zusammenstellung wie oben ein recht zufriedenes Leben schildert und das ist vielleicht doch ein bisschen wertvoller als der große Ruhm. Allerdings muss ich zugeben, dass mir das Märchen vom "falschen Prinzen" bei W. Hauff schon immer recht gut mit der letzten Entscheidung gefallen hat, bei der der richtige Prinz "Ruhm und Ehre" wählt. Das hat mir schon immer großen Eindruck gemacht.
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Übrigens nachträglich noch alles Gute zum Geburtstagsfest. Jetzt geht es mir ja wieder ein bisschen besser, obwohl ich noch immer huste. Die Arbeit hält mich aufrecht. So schreibe ich das als letzte Mitteilung heute nach den vorher geschriebenen beruflichen Mails.

testsiegerin - 31. Okt, 12:49

gut. also rum statt ruhm.
und zum fest müssen sie eh nicht gratulieren, obwohl das fantastisch war. und der geburtstag ist ja erst im november.
Jossele - 31. Okt, 11:55

Der Umkehrschluß, also Horrorkindheit, Kriegswirren, Schicksalshämmer etc. = erfolgreiche Schriftstellerin, ist ja auch nicht real.
Erfolg, Berühmtsein, Prominenz, bitte, da spielen soviele Faktoren mit, und am Ende sagt es kaum etwas über Qualität aus.

Dein "fades" Leben ist immerhin echt, deine Texte ebenso, also damit hebst du dich schon ganz schön von einer ziemlich großen Zahl deiner MitbürgerInnen ab.

(Ich wollt ja früher auch einmal der ganz große Maler sein, so mit Ohr abschneiden und dann liegt dir die Welt zu Füßen. Heut will ich das so überhaupt nicht mehr, weil ein paar von den "Großen" hab ich kennengelernt, und, mit wenigen Ausnahmen, tun sie sich schwer, echt zu sein.)

testsiegerin - 31. Okt, 12:48

dass mein leben "fad" ist, hab ich ja nicht behauptet ;-)

und ich bin froh, dass sie noch beide ohren haben, herr jossele.
Jossele - 31. Okt, 13:11

"Fad" steht ja auch mit Gänsefüßchen da, ersetzen sie es bitte nach Gutdünken, Frau Lehner.
la-mamma - 31. Okt, 12:26

da hab ich sogar einmal einen ganzen roman drüber gelesen (ich glaub, er hieß "vincent"), wo dem armen protagonisten permanent leid zugefügt wurde, auf dass er ein ganz besonderer künstler wird ... sehr rabenschwarz das ganze;-)

testsiegerin - 31. Okt, 12:47

der steht auf meiner zu-lesen-liste ganz oben. jetzt wirds also wirklich zeit, das zu tun.
ert (Gast) - 31. Okt, 12:28

leid macht aus einem grottigen Schriftsteller keinen guten

testsiegerin - 31. Okt, 12:46

na wenn das so ist, dann wünsch ich mir auch kein leid.
danke für die aufklärung.
til333 - 31. Okt, 18:23

Haben Sie nicht mal einen winzigen Migrationshintergund? oder mal von Aliens entführt worden? Sie sollten MTV-Moderatorin gewesen sein - danach kann man jeden Sch..ß zum Bestseller schreiben.
Aber keine Sorge - Sie sind auch so gut!

testsiegerin - 31. Okt, 23:29

nein. nicht mal tschechen in meiner verwandtschaft. an der entführung durch aliens arbeite ich. aber die wollen nicht, weil mit keinem lösegeld zu rechnen ist und so.

ja. oder poptitan. oder so.

und danke ;-)
datja (Gast) - 1. Nov, 10:20

verflixt. ich glaube das mit dem berühmtwerden und reich wird nix, obwohl...
war da nicht auch noch die sache mit dem heidelbeerjogurt, das ihnen im kindergarten weggenommen wurde ???
und damals, im sesselkreis der frisch mutter gewordenen, waren sie da nicht jene, die in der ecke stehen musste weil sie nicht betroffen genug war ???
auch verdrängt ???
;)
*sich einen ast lacht*

testsiegerin - 9. Nov, 10:41

woher wissen sie von dem heidelbeerjoghurt in der quadratischen verpackung?

puh... da kommen alte dinge hoch. ich glaub, ich hab doch noch eine chance!
Robert (Gast) - 9. Nov, 09:55

:-)

Ich liebe deine Art zu Schreiben :-) Bussal Robert Mayer

testsiegerin - 9. Nov, 10:41

ich kann halt nicht anders ;-)

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

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Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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