Ohne Worte - mit Wut

Ich bin Frau. Trotzdem mag ich Fußball. Ich halte eine Viererkette nicht für einen modischen Halsschmuck und einen Abstauber nicht für ein Haushaltsgerät. Selbst wenn man mir einreden will, dass die Leidenschaft für den Fußball aufgrund des Testoteroncocktails Männersache ist, finde ich auch die neunzig Minuten vor dem Leiberltausch unterhaltsam. Ich weiß nicht nur, was ein Abseits ist, ich kann es sogar erklären, und mein Panini-Album ist fast voll.
Weil Fußballschauen alleine reizlos ist, habe ich das Eröffnungsspiel der WM beim Wirten gesehen.
Meine Affinität galt natürlich Costa Rica. (Ich bin nämlich schon von Berufs wegen für die Randgruppen und krassen Außenseiter. Mein heimlicher Favorit ist ja Togo, gestehe ich.)
Auch die Mehrzahl der ZuschauerInnen im Wirtshaus war für die Reiche Küste, die so reich nicht ist. Einige wenige haben für und letztendlich mit Deutschland gejubelt.
Das macht ja auch viel mehr Spaß, als würden alle die gleiche Mannschaft unterstützen. Schließlich ist die Idee solch einer Veranstaltung ja unter anderem die der Völkerverständigung.
Ich habe durchaus Verständnis, wenn dabei die Gefühle hochgehen. Wenn jemand „Elfmeter!“ brüllt, obwohl es eine klare Schwalbe war. Wenn man den Schiedsrichterassistenten beschimpft oder eine verletzte Wade heftige Diskussionen auslöst. Nicht zuletzt diese Emotionen und die Identifikation mit einer Mannschaft machen den archaischen Charakter dieses Sports aus.

Aber irgendwo hört sich für mich der Spaß auf. Nämlich dann, wenn einer der Deutschland-Fans plötzlich völlig unvermittelt aufspringt und „Sieg Heil!“ schreit.
Im ersten Moment dachte ich, ich höre schlecht, und jemand hat dem Ball „Flieg steil!“ zugerufen oder einem verletzten Spieler „Lieg geil!“, aber ich hab mich nicht getäuscht. „Sieg Heil“, hat er geschrieen. Ich vermute, der Ausrufer hatte mehr Bier als Testosteron im Blut, aber weder Hormonausschüttungen noch Alkoholeinschüttungen entschuldigen solche Aussagen.
Wenn dieser jemand noch dazu Ortsvorsteher einer unserer Katastralgemeinden ist, dann macht mich das noch betroffener als es mich ohnehin schon betroffen macht.

Ich habe geschwiegen. Weil mir die Spucke und die Sprache wegblieben. Auch weil der Typ wesentlich größer und stärker war und ich keine Lust auf eine Schlägerei hatte. Ich schäme mich. Für solche Mitmenschen. Und für mein Schweigen.
ElsaLaska - 10. Jun, 16:56

Bin ich froh, dass der Typ, der Sieg Heil geplärrt hat, Österreicher war*lach*

testsiegerin - 10. Jun, 19:05

ich nicht.
aber es wäre auch nicht besser gewesen, wenn er deutscher wäre.
ElsaLaska - 10. Jun, 19:07

schon klar :)

du , t&t halten sich super, was? ich bin zwar nicht am tv, weils draußen noch so schön ist, aber ich les im liveticker mit.
ich hab nur bedenken, ob sie die zweite hz durchstehen ...
testsiegerin - 10. Jun, 19:13

ja. ich hab ja girlies-party. kriegs aber im hintergrund mit, aus dem männerzimmer.
ElsaLaska - 10. Jun, 20:30

es hilft dir jetzt wahrscheinlich auch nicht weiter, wenn ich dir versichere, dass es auch nichts gebracht hätte, den mund aufzumachen. es gibt einfach leute, die werden nie irgendwas begreifen.
manschindler - 14. Jun, 15:12

so lustig ist das nicht :-(

ich kenn das gefühl nichts gesagt zu haben....

aber ich kenn erfreulicherweise auch das gefühl etwas gesagt zu haben...

und ich weiss, wie sauschwer das ist...

...aber ich weiss auch, dass es (manchmal) was bringt. das aufbegehren, das nicht akzeptieren des üblichen und damit scheinbar "normalen"

es war in österreich glaub ich eher akzeptierter als in der BRD solche ewiggestrigen sprüche aus- zu-lassen. und weniger üblich dagegen aufzutreten. aber beginnend mit 1986 (waldheims "jetzt erst recht" echte österreicher) hat sich was geändert zum positiven. wenn ich nur schaue wie es selbst konservativen publizisten mittlerweile öffentlich graust vor dem blau-braun-orangenen pack
caliente_in_berlin - 11. Jun, 01:45

Da fehlen mir glatt die Worte...

testsiegerin - 11. Jun, 20:25

mir haben sie auch gefehlt.
aber ich geb den artikel in die nächste parteizeitung im ort.
vielleicht hilft dieser aufschrei.
viator - 12. Jun, 16:43

Sehr gute Idee!
viator - 11. Jun, 02:20

Hirnlose Menschen gibt es leider überall... Erschreckend, dass so jemand in der Gemeinde eine solche führende Position mit "Vorbildfunktion" einnimmt.

testsiegerin - 11. Jun, 20:26

ja. das find ich auch erschreckend. absolut.
und ich weiß nicht, ob man es so einfach mit "hirnlos" abtun kann.
ElsaLaska - 11. Jun, 20:33

war auch nicht meine absicht. angesichts der tatsache, dass sie in der ZEIT von no-go-areas für ausländer im osten deutschlands berichten, mutet es mich dennoch eher wie ein luxusproblem an :(
*wirft die zeit ins altpapier**innere emigration*
achso, das hat ja viator gesagt. fühlt sich ständig angesprochen in letzter zeit. *kein kompetenter ansprechpartner für ernsthafte themen*
testsiegerin - 11. Jun, 23:03

elsa, fußball IST ein ernsthaftes thema.
woelfin - 11. Jun, 17:39

bei der art wie witzig und geistreich du über wm schreibst, lohnt sie fast n eignes topic
bin ebenfalls frau
mag auch fussball aber nur länderspiele

testsiegerin - 11. Jun, 20:26

dankeschön.
ich hab auch live von der nasenramel-weitschnipp-wm berichtet, bin also nicht nur expertin im fußball, sondern auch in der disziplin nasenbohren :-)
katjuscha - 11. Jun, 17:40

hallo ,ich komme aus China.


testsiegerin - 11. Jun, 17:47

schön für dich :-)
medienjunkie2.0 - 11. Jun, 22:55

kreativer spam ;-)

naja, für das schweigen muss man sich wohl nicht schämen, dawäre ich auch wohl kaum aufgesprungen, in einer so großen gruppe. ich glaube das hätten die wenigsten getan. ich finde es aber erschreckend, wie weit das rechte gedankengut vor allem in dörflichen gefilden verbreitet ist.

p.s.: trinidad wird es machen. oder deutschland, aber nur wenn odonkor spielt ;-))
testsiegerin - 11. Jun, 23:02

ich hoffe ja noch auf togo :-)

und wie gesagt, mein text steht demnächst in der örtlichen parteizeitung. damit es nicht nur die blog-communitiv erfährt, sondern auch die leute hier im ort.
ich glaube auch, das ist sinnvoller als eine wirtshausschlägerei.
rosmarin - 12. Jun, 00:37

das freut mich, dass du nun auch deine herrlichen texte in die ortsansässige zeitung undsoweiter und ja ich hab schon verstanden, du wirst dir deutlich luft machen.... nur zu verständlich..... und sicher wird dieses eine weiterer lesegenuss sein.
und diese leute mögen zwar hirnlos sein, aber sie vermehren sich auch wie die einzeller in unglaublichem tempo.
ich hoffe, die gute stimmung hier hält, auch wenn germany erst mal rausgeflogen ist. hach, das wär ne party.... wenn nur noch dunkelhäutige mannschaften im halbfinale wären.... feix.... dann wird ösiland vermutlich truppenverstärkung zur wahrung des friedens hier schicken müssen....

sokrates2005 - 12. Jun, 08:46

Mich ...

hätten ja in so einem Falle auch die (Nicht)reaktionen der anderen Anwesenden sehr interessiert. Wenn diese wenigstens peinlich berührt gewesen wären, gäbe das ja schon Anlass zu Hoffnung ...

testsiegerin - 12. Jun, 10:35

ich glaub, peinlich berührt waren nur die leute an meinem tisch. halt freunde von mir.
obwohl - man sieht ja nicht, ob jemand peinlich berührt ist. vielleicht waren sie es.
Stadl42 - 14. Aug, 22:13

Mit Abstand zur WM...

..., zeitlichem wie emotionalem, muß ich sagen, daß das alles - leider - nichts besonderes ist. Mir liefen in der Kleinstadt, in der ich z.Zt. wohne, zwischen von rostfreien Mittelklassewagen fröhlich wedelnden Deutschlandfähnchen immer wieder Jugendliche über den Weg, die in Bierlaune Dinge brüllten, unter denen 'Sieg Heil' noch als gemäßigt-demokratisch zu werten wäre. Sie schreien jetzt, Mitte August, nicht mehr ganz so oft und ganz so laut, aber sie sind noch da, mit dem 'Eisernen Kreuz' auf der Lederjacke, und viele Deutschlandfähnchen gibt es immer noch. Da kann ich nur noch sagen:
Ich bin stolz beschämt, ein Deutscher zu sein.
Sehr sogar.

eva-gina (Gast) - 27. Mär, 15:45

großartig!

Dieser Text ist einfach großartig!!!
Er spricht mir und bestimmt auch vielen anderen Frauen aus des Seele (wenn es um Fußball geht)!
Doch der Text gibt einem auch sehr viel zu denken:
Die Sache mit dem "Sieg Heil!" ... im ersten Moment fragt man sich, ob man sich nicht vielleicht verlesen hat. Doch (leider) steht es wirklich so da. Und das ist auch bei mir der Punkt, an dem der Spaß aufhört!!!

Großes Lob an die Autorin!

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"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

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Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
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