Briefverkehr 3
Lieber Herr Steiner*,
herzlichen Dank für Ihr ausführliches Antwortschreiben, ich habe mich sooo gefreut. In der heutigen Zeit antwortet ja kaum noch jemand auf Briefe; die Leute beschränken sich in ihrer Kommunikation auf 160 Zeichen, sie geizen mit Geld – und mit Worten.
Ich wollte Sie mit meinen Zeilen wirklich nicht in Verlegenheit bringen oder dadurch etwa eine Strafmilderung bewirken, oh nein, das liegt mir fern, das müssen Sie mir glauben. Sie glauben mir doch, oder?
Aber ... wissen Sie, Herr Steiner, meine Freundin ... nun, wie soll ich es sagen ... also, 20 Euro, dabei ist sie gar nicht zu schnell gefahren. Sie ist überhaupt nicht gefahren, und genau das war ihr Problem. Sie ist zu lange gestanden, vor der Bank in Mistelbach, um die Kreditzinsen herunter zu handeln. Es geschah am 14.10, gegen 15:33, und sie fährt einen dunkelgrünen Peugeot.
Könnten Sie da vielleicht ...? Natürlich, Mistelbach fällt nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich, ich weiß, die haben eine eigene Bezirkshauptmannschaft, und außerdem weiß ich mittlerweile um Ihre Anständigkeit und Unbestechlichkeit, aber vielleicht ist ja Ihr Mistelbacher Kollege eine kleine Spur korrupter als Sie, der Sie als gestandener Waldviertler so gar nicht zur Korruption neigen. Vielleicht könnten Sie aber ein gutes Wort einlegen für Sie. Aber wenn nicht, dann geht das auch in Ordnung, ich will Sie wirklich nicht in Bedrängnis bringen.
Die Sache ist nämlich die: Meine Freundin wird nicht bei Büchern oder Lippenstift (hab ich Ihnen eigentlich schon von meiner Schwäche für teure Lippenstifte erzählt, Herr Steiner?) sparen, nein, sondern beim Tequila. Allerdings nicht bei dem, den Sie selber trinkt (ihr Geliebter ist übrigens Bandenchef in Mexiko, aber das tut nichts zur Sache), sondern bei dem, den sie mir immer spendiert.
Und seien wir ehrlich, so ganz ohne Alkohol wären weder das kalte Wald- noch das sonnige Weinviertel und seine Menschen erträglich. Sie haben bestimmt schon davon gehört, dass das Weinviertler Gemüt einen leichten Hang zum Depressiven hat.
Ihnen, Herr Steiner, dessen Seele vermutlich aufrechte Wald- und melancholische Weinviertler Anteile in sich vereint, möchte ich raten, kaufen Sie sich bitte warme Baumwollunterwäsche für den Winter. Ich möchte nicht, dass sich ein so netter Beamter erkältet. Und der nächste Winter kommt bald, ich habe heute früh zum ersten Mal in diesem Herbst Eisblumen von meinem Twingo (diesem Raser!) gekratzt.
Eine davon, die schönste, möchte ich Ihnen gerne schenken, als Dank für Ihre Liebenswürdigkeit.
Ihre Barbara A. Lehner
P.S. Schöne Grüße übrigens auch von meiner Freundin.
*Name von der Reaktion geändert
herzlichen Dank für Ihr ausführliches Antwortschreiben, ich habe mich sooo gefreut. In der heutigen Zeit antwortet ja kaum noch jemand auf Briefe; die Leute beschränken sich in ihrer Kommunikation auf 160 Zeichen, sie geizen mit Geld – und mit Worten.
Ich wollte Sie mit meinen Zeilen wirklich nicht in Verlegenheit bringen oder dadurch etwa eine Strafmilderung bewirken, oh nein, das liegt mir fern, das müssen Sie mir glauben. Sie glauben mir doch, oder?
Aber ... wissen Sie, Herr Steiner, meine Freundin ... nun, wie soll ich es sagen ... also, 20 Euro, dabei ist sie gar nicht zu schnell gefahren. Sie ist überhaupt nicht gefahren, und genau das war ihr Problem. Sie ist zu lange gestanden, vor der Bank in Mistelbach, um die Kreditzinsen herunter zu handeln. Es geschah am 14.10, gegen 15:33, und sie fährt einen dunkelgrünen Peugeot.
Könnten Sie da vielleicht ...? Natürlich, Mistelbach fällt nicht in Ihren Zuständigkeitsbereich, ich weiß, die haben eine eigene Bezirkshauptmannschaft, und außerdem weiß ich mittlerweile um Ihre Anständigkeit und Unbestechlichkeit, aber vielleicht ist ja Ihr Mistelbacher Kollege eine kleine Spur korrupter als Sie, der Sie als gestandener Waldviertler so gar nicht zur Korruption neigen. Vielleicht könnten Sie aber ein gutes Wort einlegen für Sie. Aber wenn nicht, dann geht das auch in Ordnung, ich will Sie wirklich nicht in Bedrängnis bringen.
Die Sache ist nämlich die: Meine Freundin wird nicht bei Büchern oder Lippenstift (hab ich Ihnen eigentlich schon von meiner Schwäche für teure Lippenstifte erzählt, Herr Steiner?) sparen, nein, sondern beim Tequila. Allerdings nicht bei dem, den Sie selber trinkt (ihr Geliebter ist übrigens Bandenchef in Mexiko, aber das tut nichts zur Sache), sondern bei dem, den sie mir immer spendiert.
Und seien wir ehrlich, so ganz ohne Alkohol wären weder das kalte Wald- noch das sonnige Weinviertel und seine Menschen erträglich. Sie haben bestimmt schon davon gehört, dass das Weinviertler Gemüt einen leichten Hang zum Depressiven hat.
Ihnen, Herr Steiner, dessen Seele vermutlich aufrechte Wald- und melancholische Weinviertler Anteile in sich vereint, möchte ich raten, kaufen Sie sich bitte warme Baumwollunterwäsche für den Winter. Ich möchte nicht, dass sich ein so netter Beamter erkältet. Und der nächste Winter kommt bald, ich habe heute früh zum ersten Mal in diesem Herbst Eisblumen von meinem Twingo (diesem Raser!) gekratzt.
Eine davon, die schönste, möchte ich Ihnen gerne schenken, als Dank für Ihre Liebenswürdigkeit.
Ihre Barbara A. Lehner
P.S. Schöne Grüße übrigens auch von meiner Freundin.
*Name von der Reaktion geändert
testsiegerin - 18. Okt, 13:08
Es ist eine Kunst...