Briefverkehr mit einem Beamten

Mittwoch, 24. Juli 2013

Lieber Herwig,

vielleicht wunderst du dich jetzt ein wenig über meine Mail. Ich wundere mich ja auch, und ich bin reichlich verwirrt nach dem gestrigen Tag. Aber ich will versuchen so ehrlich wie möglich zu sein. Ganz ehrlich ist im Leben nicht immer möglich; leider. Vielleicht liegt es daran, dass es die ganze Wahrheit gar nicht gibt.
Also, wo fang ich an? Ja, ich fang vor 5 Jahren an. Da gab es in meinem Leben nämlich schon einmal einen Mann namens Herwig. Herwig Steiner. Er hat an der Strafabteilung der Bezirskhauptmannschaft gearbeitet und mir erzählt (in Briefen, persönlich kannten wir uns damals noch gar nicht), er würde gerne nach seiner Pensionierung ins Waldviertel ziehen, um den Bauernhof seiner Eltern zu übernehmen, in irgendeinem Kaff, das auf –schlag endet. Nein, nicht Braunschlag, und nein, auch nicht Hitzschlag. Sehr witzig. Dieser Mann und ich haben uns viele Briefe geschrieben. Lange Briefe. So ein lieber, älterer Beamter, dachte ich. Stell dir vor, ich hab ihm warme Unterwäsche empfohlen, wie peinlich war das denn!
Das Angebot, zu ihm ins Waldviertel zu ziehen und Waldviertler Knödel zu formen, hat mir Angst gemacht. Es war mir zu viel Natur, zu viele Gummistiefel, zu viel Wald im Waldviertel. Ich war damals einfach noch nicht so weit, verstehst du? Ja, auf jeden Fall hat sich dann herausgestellt, dass er weder kurz vor der Pensionierung stand noch einen Hof im Waldviertel hatte, sondern er mich ziemlich dreist angelogen hat. Wir haben uns trotzdem weitergeschrieben und sogar persönlich getroffen und es kam, wie es kommen musste: Wir haben uns ineinander verliebt. Es war keine einfache Liebe, das kannst du mir glauben, aber eine aufregende Zeit. Die Details erspare ich dir.
Die Beziehung ist nicht gutgegangen, ein paar Monate hat sie gehalten, er hat sich danach in eine jüngere verliebt, in eine Kollegin. Vielleicht kann etwas nicht gutgehen, was auf einer Lüge basiert.
Vielleicht kann etwas nicht gutgehen, das auf der Phantasie basiert, denn diese ganze Geschichte und unser Briefverkehr (mittlerweile ein Bestseller) ist in Wahrheit nie passiert. Ich hab ihn mir einfach ausgedacht und mir selbst die Antworten geschrieben. Vielleicht war er ja deshalb so aufregend, weil es das Privileg der Phantasie ist, aufregend und nicht alltäglich zu sein.

Du hältst mich jetzt für ein bisschen verrückt, oder? Das nehme ich aber in Kauf, denn ich will nicht, dass da von Anfang an eine Lüge zwischen uns steht, verstehst du? Man kann eine Beziehung nicht mit einer Lüge beginnen.

Ich hatte Herwig, unsere Liebe, den Schmerz, den er mir zufügte, wenn auch nur in meiner Phantasie, beinahe vergessen... bis gestern.

Bis ich gestern ins Waldviertel gefahren bin. Ich bin im Ottensteiner Stausee geschwommen, wunderschön war das, nur der See, der Wald und ich, an der Oberfläche war er ganz warm der See, aber wenn man die Zehen in die Tiefe gestreckt hat, war es kühl, als würde das Ottensteiner Tiefseeungeheuer mit seiner eisigen Zunge an meinen Zehen lutschen.
Ja, und dann habe ich noch Mohnzelten gekauft, obwohl ich nicht weiß, warum die so heißen; weil ich die immer kaufe im Waldviertel und weil mein Sohn die so liebt, und dann bin ich auf die Mohnfelder gefahren und tief hineingekrochen, und hab ein paar Fotos gemacht, weil ich die Mohnfelder bei der Mohnblüte so wunderschön finde. Am schönsten die mit dem pinkfarbenen und weißen Mohn, die roten nicht so. Ja, und da bist du plötzlich aufgetaucht, wie aus dem Nichts, mitten im Mohnfeld. Mit blauer Lagerhaus-Montur und einem strahlenden Lächeln. Ich hab gedacht, du wirst jetzt fürchterlich schimpfen, weil ich mich einfach so ins Mohnfeld geschlichen hab, und weil ich ein paar Stengel und Kapseln abgebrochen hab, für die Vase zu Hause. Du aber hast nur „Schön, oder?“ gesagt. Ich bin mir wie ein Fremdkörper vorgekommen, wie ein Trampel im Mohnfeld, mit meiner Kamera und den knallrot bemalten Lippen, die auch farblich so gar nicht zu den zarten Mohnblüten gepasst haben.



In deinen Augen war nur Freude. Freude über den blauen Himmel und den Sommer und die Pracht dieses Mohnmeers (ja, so hat der andere Herwig es immer genannt).
Und dann hast du mich einfach an der Hand genommen, hast gesagt „Komm, ich zeig dir was.“ Du hast mir deine Mohnfelder gezeigt, mir den Unterschied zwischen Weiß- , Grau- und Blaumohn erzählt, und dann hast du mir in deinen Traktor geholfen. Auf dem Weg zu deinem Bauernhof hast du nicht volkstümliche Musik gehört, wie die meisten Bauern, sondern mir ein Gedicht vorgetragen:

Blaue, linde
Sommerwinde,
Wiegt mein Mohnfeld leicht und leis,
Daß die blanken
Blüten schwanken,
Rosenrot und lilienweiß!



Foto: Theres Lehner

Auf deinem Hof hast mir die Mühlen gezeigt und mich vom Mohnöl kosten lassen. „Hunger?“ hast du mich in der großen Küche gefragt.
„Wenn ich keine Waldviertler Knödel formen muss“, hab ich vorsichtig geantwortet und du hast gelacht.
Mohnlachsforelle mit Mangosalat gab es. Und schöne, tiefe Gespräche, übers Leben, Literatur, über die Angst und die Einsamkeit. „So, ich muss dann wieder.“ Du hast dir die Mundwinkel mit der Stoffserviette abgewischt und mich schweigend zurück zum Auto gebracht.
Zum Abschied hast du mir das Haar aus der Stirn gestrichen und mich an dich gedrückt. In deiner Halsbeuge roch es nach Mohn, berauschend und warm. Es roch nach Daheim. Du hast eine Visitenkarte aus deiner Latzhose gezogen und mir gereicht. Eine lilafarbene Mohnblüme war darauf und dein Name: Herwig Steiner.

Bevor du mich fragst: Ja, ich kann es mir vorstellen, da rauf zu ziehen, zumindest im Sommer. Ja, ich will mit dir in Gummistiefeln Forellen fangen und Mohnnudeln wuzeln. (Brauchst jetzt gar nicht so grinsen, das war keine Metapher für irgendetwas, Mohnnudeln stehen in diesem Fall einfach für Mohnnudeln).
Und jetzt hab ich Angst, dass du mich das alles gar nicht fragst.

Barbara

Dienstag, 26. Dezember 2006

Brief an meine LeserInnen

Meine Lieben,

ja, jetzt ist er also zu Ende, der Briefverkehr. Manche von euch werden aufatmen, anderen tut es leid, anderen ist es ungefähr so egal, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt.

Mir geht es auch so. Da ist von allem ein bisschen. Erleichterung, weil die zwei einander endlich haben und mich nicht mehr jeden Tag beschäftigen, ein bisschen Traurigkeit, weil ich nicht mehr an ihrem Schicksal mitbestimmen darf und die zwei jetzt auf sich alleine angewiesen sind, ein bisschen Leere, weil ein Projekt zu Ende ist und ich mir Gedanken über ein neues machen muss. Es war ja schon auch ein bisschen so, dass ich auch tagsüber immer wieder über die zwei nachgedacht hab, mich mit ihnen identifiziert hab (vor allem mit Barbara, das war ziemlich leicht ;-) ), mich über sie geärgert und gefreut habe.
Das schönste daran war, dass ich mir endlich ohne schlechtes Gewissen total schöne Liebesbriefe schreiben durfte.

Bei euch möchte ich mich bedanken, denn ihr wart es, die die Geschichte am Leben und Laufen gehalten haben. Ohne LeserInnen hätte ich wahrscheinlich nicht weitergeschrieben. Die Tatsache, dass ihr wissen wolltet, wie es weitergeht, hat mich angetrieben, fast jeden Abend hier zu sitzen und mir zu überlegen, was nun passiert. Eure Kommentare haben mir einerseits Spaß gemacht, mich nachdenklich gemacht, mir wichtige Inputs gegegen, die ich natürlich - wie ihr wisst - auch weiterverwurschtet habe. Ich hoffe, ich habe damit nicht gegen das Copyright verstoßen.
Der Briefverkehr ist also nicht nur meine - sondern auch eure Geschichte.

Ja, und heute saß ich da, hab das ganze noch ein bisschen geordnet und in Form gebracht und gemeinsam mit meiner Freundin ein Deckblatt gestaltet und jetzt liegen Herwig und Barbara gebunden vor mir. Nein, noch sind sie nicht verheiratet, nur in einem schönen, 60 Seiten dicken Heft vereint. Das wird ab sofort bei den nächsten Lesungen verkauft.

Für Inspirationen oder die Idee für ein nächstes Projekt bin ich dankbar.

Eure Barbara

Montag, 25. Dezember 2006

Briefverkehr 49 - Das Ende

Liebe Barbara,

vier Wochen ist dein letzter Brief jetzt schon her. Sechs Stunden ist es her, seit wir miteinander gefrühstückt haben und du dich darüber beschwert hast, dass du keine Briefe mehr von mir bekommst. Und grad mal fünf Minuten sind seit unserem Telefonat vergangen.
Barbara, Barbara, Barbara.

Du wusstest, dass ich dir nicht böse sein kann, als du mit zersaustem, klatschnassen Haar vor der Bezirkshauptmannschaft standest. Zwei Stunden lang, wie du mir später erzählt hast, weil du nicht gewusst hast, dass ich Überstunden mache. Und weil ich es dir wert war. Ohne Make-up und ohne waldviertelmohnroten Lippenstift hast du mich angelächelt. „Du wolltest mich ungeschminkt“, hast du gesagt, und: „also nimm mich.“ Hab ich dich halt genommen. In den Arm nur, zunächst. Du hast geweint und gesagt, dass du eh so viel Geduld gehabt hast, aber dass ich dir nicht geantwortet habe auf deinen letzten Brief und du deshalb persönlich da bist. Immerhin weiß ich jetzt, dass sich „viel Geduld haben“ für dich nach spätestens vier Tagen erschöpft.
Bis zur Sperrstunde saßen wir dann in der kleinen Bar und haben geredet. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich je mit einer Frau so viel geredet habe. Und trotzdem habe ich auch jetzt noch das Gefühl, ich kenne erst ein paar Puzzleteile von dir. Ich finde es sehr aufregend, sie zusammenzufügen, Barbara. Als du vorher gegangen bist, hast du gesagt, dass du Angst hast, dass das Puzzle für mich reizlos werden könnte, wenn es fertig ist. Das glaube ich nicht, du. Erstens, weil du aus mindestens siebzehn Millionen Teilen bestehst, die ich niemals richtig zusammensetzen können werde. Zweitens verspreche ich dir eines: Sollte es tatsächlich so sein, dass ich knapp davor bin, das Bild fertig zu stellen (was ich aber nicht glaube), dann lasse ich einfach heimlich ein Stück Himmel fallen.
Ich werde dann jahrelang vorgeben, genau dieses eine Puzzleteil zu suchen, obwohl ich genau weiß, dass es unter meinem Kopfpolster liegt. Einverstanden?

Barbara. Dass ich dich liebe, das weißt du längst. Ich schreibe es jetzt trotzdem hin, weil ich weiß, wie gern du das liest. Auf dem Spiegel, auf dem Kühlschrank, auf deinem Handy. Here you are: Ich liebe dich. Dein Lachen genauso wie deine plötzliche Traurigkeit, deinen Stolz und deine Anflüge von Minderwertigkeitsgefühl, deine Eloquenz, deinen Witz, deinen Scharfsinn, dein politisches Engagement, deinen Zorn auf Ungerechtigkeit. Die Art, wie du mit Jenny umgehst, deine Eifersucht auf Kelly Clarkson-Sattmann-Tauber, deine Kreativität und deine Nachdenklichkeit. Deine Leidenschaft und deine Hingabe, natürlich. Vor allem aber liebe ich die Wärme, die von dir ausgeht. Und die Tatsache, dass du mich sehr glücklich machst, die liebe ich auch. Ahja, deine Geduld, wie konnte ich die vergessen?
Und jetzt muss ich aufhören zu schreiben, weil ich erstens eine Beschwerde beantworten muss (irgend so eine Raserin, die glaubt, wir würden ihr die Strafe erlassen, nur weil sie ein bissl jammert und zynisch ist) und weil zweitens mein Handy klingelt. Barbara steht auf dem Display.

Wir sehen uns in zwei Stunden, Kleines!

Dein Herwig



Der Briefverkehr endet hier. Wir aber wissen, dass, wo Geschichten enden, das Leben erst beginnt.

Donnerstag, 21. Dezember 2006

Briefverkehr 48

Lieber Herwig,

ich kann dir gar nicht sagen, wie leid mir das alles tut. Die ganzen Missverständnisse zwischen uns, und dass ich dich offensichtlich sehr verletzt habe.
Glaub mir, das wollte ich nicht. Zu keinem Augenblick unserer Beziehung (ist das eine Beziehung?) wollte ich dir weh tun. Spielen, ja, das schon, weil ich verspielt bin wie ein kleines Kind und weil ja auch alles mit einem Spiel begonnen hat. Mit deinen Gefühlen aber wollte ich nie spielen.
Weißt du, meine Unsicherheit, meine Angst, nicht geliebt zu werden, die verdecke ich oft mit Witzen und Schlagfertigkeit, ohne zu bedenken, dass die Witze manchmal auf dem Transport zerrissen und beschädigt werden und nicht so ankommen, wie ich sie abgeschickt habe. Vor allem dann nicht, wenn ich dich nicht einfach küssen oder anblinzeln kann, während du sie auspackst. Ohne auch zu bedenken, dass von der Schlagfertigkeit oft nur die Schläge bleiben und die Fertigkeit mit dem Wind davon fliegt.
Was wolltest du dann, wirst du jetzt vielleicht fragen. Ich wollte, dass du in mir eine spannende, intelligente, liebenswerte, humorvolle Frau siehst, die zu erobern es sich lohnt. Eine, die dir nicht nach dem 23. Brief langweilig wird. Und in meinem Bemühen, für dich eine aufregende Frau zu sein hab ich völlig übersehen, auf deine Gefühle Rücksicht zu nehmen. Scheiße ist das, und ich will mich nicht ausreden.

Immer wenn du mir sehr nahe gekommen bist in deinen Briefen und auch bei unseren wenigen Begegnungen, hab ich dich zurückgestoßen. Nicht aus Angst, dich an mich heranzulassen, das war es gar nicht. Es war eher Angst, dass du – wenn ich meine Coolness und Überlegenheit und Selbstsicherheit abstreife – gar nicht mehr an mir interessiert bist, weil ich hinter der Maske oft gar nicht cool und sicher bin. So eine ganz normale, alltägliche Frau halt irgendwie. Alltagstauglich sogar. Obwohl – so ganz stimmt das jetzt auch nicht, weil ich ja nicht generell ein schwaches, verängstigtes Hascherl bin, sondern mitsamt meiner Unsicherheit schon auch wieder sehr sicher und stark.
Kennst du dich aus?

Jedes Fettnäpfchen, dem ich mich annähere, verwandelt sich augenblicklich in einen Ölteppich, aus dem es kein Entrinnen gibt. Wie aber ihm ausweichen?

Warum kapieren wir Menschen (oder ich Mensch) erst, wie viel uns jemand bedeutet, wenn wir nah dran sind, ihn zu verlieren?

Tschuldigung für diesen etwas wirren Brief. Und ja, ich gebe dir Zeit und werde dich nicht drängen, dich zu entscheiden. Auch wenn ich hoffe, dass du dich trotz allem irgendwie und irgendwann für mich entscheidest.

Deine Barbara

Mittwoch, 20. Dezember 2006

Briefverkehr 47

Liebe Barbara

Ja.
Nein.
Weiß nicht.

Lass mir jetzt einfach ein bisschen Zeit, um meine Gedanken und Gefühle zu ordnen, ja?
Nimm endlich mal ein wenig Rücksicht auf mich.

Dein Herwig

Dienstag, 19. Dezember 2006

Briefverkehr 46

Herwig?

Hab ich's vermasselt?
Bist du sauer auf mich?
Gibst du uns noch eine Chance?

Bitte
Barbara

Sonntag, 17. Dezember 2006

Briefverkehr 45

Liebe Barbara,

nein, ich bin nicht beleidigt. Ich bin enttäuscht und traurig. Ich weiß nicht, was ich dir noch glauben soll und was nicht. Was für dich nur Spaß und Geplänkel ist und was du wirklich empfindest. Ich hab es dir schon einmal gesagt: Ich bin nicht dein Hampelmann. Du schreibst, du hast dich in mich verliebt, aber ich glaube, in Wahrheit bist nur verliebt in das Spiel, das du mit mir spielst. Mal ziehst du mich zu dir, im nächsten Moment stößt du mich weg. Ich glaube, du hast massive Probleme mit dir selbst und Angst, jemanden wirklich an dich heran zu lassen. Du dürftest von Männern enttäuscht worden sein. Dafür kann ich nichts und das geht mich nichts an. Ich wollte dich jedenfalls nie verletzen. Ich eigne mich aber auch nicht zum Therapeuten. Obwohl ich dich total gern auf meiner Couch liegen gehabt hätte.
Du zeigst meine Briefe – die nur dich und mich etwas angehen – deinen Freunden und Freundinnen und amüsierst dich wahrscheinlich mit ihnen darüber. Obwohl ich dich schon mal darum gebeten habe, das nicht zu tun.
Barbara, ich weiß einfach nicht, ob ich mich auf dich verlassen kann. Das ist es aber, was ich möchte und brauche. Deine Launenhaftigkeit und Ambivalenz, damit könnte ich locker leben, darin unterscheidest du dich nicht sehr von anderen Frauen, obwohl du dich von denen gewaltig unterscheidest. Hin und wieder hab ich eine Barbara hervorblitzen sehen, bei der ich das Gefühl hatte, jetzt ist sie ehrlich, jetzt ist sie sie selbst, jetzt geht’s nicht darum, mich um den Finger zu wickeln oder rhetorisch zu beeindrucken.

Ich werde am Montag mit dir keinen Kaffee trinken. Zum einen, weil meine Mutter bei mir vorbeischauen wird und ich versprochen habe, ihr bei der Steuererklärung zu helfen (ja, mach dich ruhig wieder darüber lustig, nenn mich Turnbeutelvergesser und Weichei, aber ich halte für gewöhnlich, was ich verspreche), zum anderen, weil ich glaube, dass es uns beiden nicht gut tun würde. Vielleicht nützt du die Zeit und denkst darüber nach, wie du mit mir umgehst und was du vom Leben willst. Ob es für dich nur ein großes Spiel ist, das du unbedingt gewinnen willst. Auch auf die Gefahr hin, dass deine Mitspieler verlieren.
Leb wohl.

Dein Herwig

Freitag, 15. Dezember 2006

Briefverkehr 44

Lieber Herwig,

spielst du jetzt den Beleidigten? Das klingt so. Meine Güte, verstehst du keinen Spaß? Ich wollte dich nicht verarschen, ehrlich. Fast ganz ehrlich, Kleines.
Dein Brief hat mich leider kein bisschen angeturnt. Ich interessiere mich nämlich nicht für Züge. Weder verläuft mein Leben wie auf Schienen noch möchte ich ständig irgendwelche Weichen stellen. Magst du meine weichen Stellen?
Ich hänge deine Briefe gar nicht ans schwarze Brett. Ich lese sie nur ein paar Freunden vor. Und diese Freunde geben mir gute Ratschläge. Manchmal sind auch schlechte dabei, aber ich werfe die guten ins Kröpfchen und die schlechten ins Töpfchen, oder so. Bei den männlichen Freunden gibt es welche, die dich nicht ausstehen können und für einen vorwärtseinparkenden Beckenrandschwimmer halten. Ich glaube, die sind nur eifersüchtig, ich weiß ja mittlerweile, dass du sogar seitlich einparken kannst. Es gibt aber auch Männer, die Mitleid mit dir haben. Brauchst du wirklich Mitleid?
Die meisten Frauen finden dich nett. Nein, nicht nett, natürlich, sondern interessant. Spannend. Aufregend. Ich gehöre auch zu den meisten Frauen.

Aber es ärgert mich, dass es in deinem Schreiben nur um Sex geht. Verkehr, Verkehr, Verkehr. Ist das alles, woran du denkst? Alles, was ich für dich bin? Ein billiges Sexobjekt? Du bist mit keinem Wort auf meine Liebeserklärung eingegangen, zum Beispiel, dabei wäre das viel wichtiger als gierige Leiber, die sich paaren. Es ist mir ohnehin schwer genug gefallen, dir zu sagen, dass ich dich lieb gewonnen hab.
Sag mal ehrlich: Nerv ich dich schon?
Herwig, ich will dich wieder sehen. Ich weiß ja, dass du abends im Moment keine Zeit hast, wegen Jenny. Aber was hältst du davon, wenn wir am Montagnachmittag auf einen Kaffee gehen, während Jenny jazztanzt?

Scheiße, ich hab mich schon wieder verliebt. Diesmal in dich.

Deine Barbara

Dienstag, 12. Dezember 2006

Briefverkehr 43

Liebe Barbara,

das war mir schon klar, dass du ein bisschen pervers bist. Ich ja auch, sonst würde ich dir nicht noch immer antworten auf deine zur Hälfte zynischen, zur Hälfte liebenswerten und zur dritten Hälfte völlig dämlichen Briefe.

Warum hast du nicht schon viel früher geschrieben, dass du so leicht zu befriedigen bist? Ich hätte mir eine Menge Zeit und Geld gespart, für das Essen, für die Maroni, den Wein, den Lippenstift...
Ich hätte einfach ein paar Gesetzblätter kopieren (auf Privatkosten in der Privatzeit, selbstverständlich) und sie dir in privaten Kuverts mit privaten Briefmarken drauf schicken können.

Wie wäre es heute mit öffentlichem Personenverkehr?

(2) Unter Personenregionalverkehr (Verkehr im ländlichen Raum) im
Sinne dieses Bundesgesetzes sind nicht unter den Anwendungsbereich
der Bestimmung des Abs. 1 fallende Verkehrsdienste zu verstehen, die
den Verkehrsbedarf einer Region bzw. des ländlichen Raumes
befriedigen.

§ 3. (1) Verkehrsdienste sind eigenwirtschaftlich oder
gemeinwirtschaftlich erbrachte Dienstleistungen im öffentlichen
Schienenpersonenverkehr oder im Straßenpersonenverkehr
(Kraftfahrlinienverkehr).


Ich wäre ja mehr für die gemeinwirtschaftlich erbrachten Dienstleistungen zur Befriedigung. Im Verkehrsverbund. Und ich bevorzuge den Nahverkehr.
Besorg es dir trotzdem nett, während du das liest, ja?

Wie bitte? Noch nicht fertig? Na du brauchst heute aber lange. Kein Problem, ich häng noch was dran:

Nah- und Regionalverkehrsplanung

§ 11. Aufgabe der Länder und Gemeinden ist die auf Basis des
Angebotes gemäß §§ 7 und 10 vorzunehmende Planung einer
nachfrageorientierten Verkehrsdienstleistung (Reduzierung,
Ausweitung oder Umschichtung von Verkehrsleistungen) unter
Einbeziehung der in den §§ 20 und 31 angeführten Kriterien. Die in
§ 16 angeführten Planungen der Verkehrsunternehmen sind nach
Möglichkeit zu berücksichtigen.

§ 12. Ergibt sich auf Grund der Nah- oder Regionalverkehrsplanung
gemäß § 11 eine Reduzierung der Fahrplankilometer des Angebotes
gemäß § 7 sowie von Verkehrsdienstleistungen gemäß § 10, sind
dadurch frei werdende Bundesmittel weiterhin, vorrangig für
qualitätssichernde Maßnahmen, im öffentlichen Personennah- und
Regionalverkehr zur Verfügung zu stellen.


Jetzt aber, oder?

Ich muss aufhören, Jenny hat Alpträume. Und wenn du so weitermachst, ich auch bald.

Dein Herwig

P.S. Sag mal, hängst du unsere Briefe noch immer ans schwarze Brett?

Montag, 11. Dezember 2006

Briefverkehr 42

Lieber Herwig

Telefongespräch? Abgabenordnung? Orgasmus?
Schnappst du jetzt ganz über? Oder sprichst du im Fieber? Und was hat das alles mit mir zu tun?
Ach, jetzt wird mir einiges klar. Die Nummer, die ich dir gegeben hab, die hast du gewählt, oder? Die war nicht von mir, sondern von einer Frau, die eine Telefonsexhotline betreibt. Sie behauptet, sie sieht aus wie Christina Aguilera, in Wahrheit aber ist sie klein und pummelig und fettet sich mit den Telefonaten ihre Pension auf. Du hast sie also tatsächlich angerufen? Und nicht gemerkt, dass das nicht ich bin!? Na ja, spätestens bei der Telefonrechnung wirst du es bemerken.

Herwig? Hab ich dich jetzt erschreckt?
Alles gelogen. Ich war das am Telefon. Und ich bin blutige Telefonsex-Amateurin. Anfängerin sogar. Aber eine Freundin hat mir nach deinem letzten Brief geraten, ich soll jetzt so tun, als wäre das nicht ich gewesen. Ja, sie spinnt ein bisschen, ich weiß. Die Wahrheit ist, ich leide an einer speziellen Störung der Sexualpräferenz, der Linguaphilie. Nein, das ist falsch ausgedrückt, ich leide ja gar nicht darunter, sondern genieße sie. Du kennst das vielleicht aus dem Film Ein Fisch namens Wanda. Da kommt Jamie Lee Curtis, wenn er russisch redet. Ich hab das vor vielen Jahren auch mit russisch probiert und es war wirklich geil. Aber als ich dann Russisch-Englisch-Dolmetsch studiert habe, hat die Sache ihren Reiz verloren, weil ich plötzlich jedes Wort verstanden habe und die Kerle mir keine spannenden Spionagegeschichten, sondern über die russische Bundesliga erzählt haben. Dafür wollten sie dann auch noch einen Freistoß.
Mit griechisch hab ich es dann noch versucht, aber nach dem Griechisch-Kurs war auch da die Luft draußen. Kali orexi. Ja, und da bin ich dann umgestiegen auf Beamtendeutsch. Da verstehe ich – trotz jeder Menge juristischer Seminare – nach wie vor kein Wort. Puh, kannst du dir vorstellen, wie heiß mir geworden ist, als ich die Anonymverfügung und die Rechtsmittelbelehrung darunter gelesen habe? Es war einfach irre.
Meinen schönsten Höhepunkt hatte ich beim Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, Definition des Festlandsockels, Artikel 76 (4) a) ii). Mir wird immer noch ganz schwummerig, wenn ich daran denke.

Herwig?
Alles Quatsch. Es war deine Stimme, die mich erregt hat. Deine weiche, samtige, ruhige Stimme. Dein Tonfall, zärtlich und fordernd zugleich. Natürlich, Abgaben werden ja auch eingefordert.

Ich hab mich wirklich ein bisschen geschämt, danach. Ich hatte das nämlich ursprünglich überhaupt nicht vor, was da passiert ist, aber in dem Moment konnte ich nicht anders. Kontrollverlust, wenn Sie wissen, was ich meine.
Ich habe jetzt so eine kleine Ahnung davon, wie es sein könnte, wenn du mir vertraute, versaute Worte ins Ohr flüsterst. So ganz ohne Telefonhörer dazwischen.

Es war phänomenal. Du bist phänomenal. Irgendwie.
Und ja, das nächste Mal haben wir beide dann schon wesentlich mehr Routine und ich lege nicht verschämt auf, o.k.? Da darfst du dann auch. Welche Sprache präferierst du?

Ich weiß nicht, ob ich es dir schon mal gesagt habe, aber ich mag dich sehr. Sehrsehr. Sehrsehrsehr.
So schaut’s nämlich aus.

Deine Barbara

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
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testsiegerin - 27. Okt, 16:22

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