Briefverkehr 42

Lieber Herwig

Telefongespräch? Abgabenordnung? Orgasmus?
Schnappst du jetzt ganz über? Oder sprichst du im Fieber? Und was hat das alles mit mir zu tun?
Ach, jetzt wird mir einiges klar. Die Nummer, die ich dir gegeben hab, die hast du gewählt, oder? Die war nicht von mir, sondern von einer Frau, die eine Telefonsexhotline betreibt. Sie behauptet, sie sieht aus wie Christina Aguilera, in Wahrheit aber ist sie klein und pummelig und fettet sich mit den Telefonaten ihre Pension auf. Du hast sie also tatsächlich angerufen? Und nicht gemerkt, dass das nicht ich bin!? Na ja, spätestens bei der Telefonrechnung wirst du es bemerken.

Herwig? Hab ich dich jetzt erschreckt?
Alles gelogen. Ich war das am Telefon. Und ich bin blutige Telefonsex-Amateurin. Anfängerin sogar. Aber eine Freundin hat mir nach deinem letzten Brief geraten, ich soll jetzt so tun, als wäre das nicht ich gewesen. Ja, sie spinnt ein bisschen, ich weiß. Die Wahrheit ist, ich leide an einer speziellen Störung der Sexualpräferenz, der Linguaphilie. Nein, das ist falsch ausgedrückt, ich leide ja gar nicht darunter, sondern genieße sie. Du kennst das vielleicht aus dem Film Ein Fisch namens Wanda. Da kommt Jamie Lee Curtis, wenn er russisch redet. Ich hab das vor vielen Jahren auch mit russisch probiert und es war wirklich geil. Aber als ich dann Russisch-Englisch-Dolmetsch studiert habe, hat die Sache ihren Reiz verloren, weil ich plötzlich jedes Wort verstanden habe und die Kerle mir keine spannenden Spionagegeschichten, sondern über die russische Bundesliga erzählt haben. Dafür wollten sie dann auch noch einen Freistoß.
Mit griechisch hab ich es dann noch versucht, aber nach dem Griechisch-Kurs war auch da die Luft draußen. Kali orexi. Ja, und da bin ich dann umgestiegen auf Beamtendeutsch. Da verstehe ich – trotz jeder Menge juristischer Seminare – nach wie vor kein Wort. Puh, kannst du dir vorstellen, wie heiß mir geworden ist, als ich die Anonymverfügung und die Rechtsmittelbelehrung darunter gelesen habe? Es war einfach irre.
Meinen schönsten Höhepunkt hatte ich beim Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, Definition des Festlandsockels, Artikel 76 (4) a) ii). Mir wird immer noch ganz schwummerig, wenn ich daran denke.

Herwig?
Alles Quatsch. Es war deine Stimme, die mich erregt hat. Deine weiche, samtige, ruhige Stimme. Dein Tonfall, zärtlich und fordernd zugleich. Natürlich, Abgaben werden ja auch eingefordert.

Ich hab mich wirklich ein bisschen geschämt, danach. Ich hatte das nämlich ursprünglich überhaupt nicht vor, was da passiert ist, aber in dem Moment konnte ich nicht anders. Kontrollverlust, wenn Sie wissen, was ich meine.
Ich habe jetzt so eine kleine Ahnung davon, wie es sein könnte, wenn du mir vertraute, versaute Worte ins Ohr flüsterst. So ganz ohne Telefonhörer dazwischen.

Es war phänomenal. Du bist phänomenal. Irgendwie.
Und ja, das nächste Mal haben wir beide dann schon wesentlich mehr Routine und ich lege nicht verschämt auf, o.k.? Da darfst du dann auch. Welche Sprache präferierst du?

Ich weiß nicht, ob ich es dir schon mal gesagt habe, aber ich mag dich sehr. Sehrsehr. Sehrsehrsehr.
So schaut’s nämlich aus.

Deine Barbara
rosmarin (Gast) - 11. Dez, 19:35

gnihihihiwieher.... sie läuft zur höchstform auf.... und ich muss mir unbedingt so eine leseprobe des seerechtabkommens besorgen.... :-)))

derdickemann - 11. Dez, 21:03

Irgendwas mit einer scharfen Präambel auf jeden Fall und mit dicken ... Paragraphenüberschriften!

Andrea (Gast) - 11. Dez, 21:54

Unglaublich

Es ist sooooooooooooo schön! *schwärm*

testsiegerin - 12. Dez, 09:14

danke ;-)
Eugene Faust - 12. Dez, 11:00

Wenn Lachen die beste Medizin ist, verdanke ich Dir eine schnellere Genesung, liebe Barbara. Ich habe gerade mehrfach lauthals gelacht, obwohl mir eigentlich gar nicht nach lachen ist (ganz fieser Infekt).

V I E L E N Dank!

testsiegerin - 12. Dez, 11:18

ich danke DIR.
schließlich hast du mich mit der linguaphilie inspiriert.
baldige besserung, wünsche ich.
Eugene Faust - 12. Dez, 12:01

Herzlichen Dank!
Ich habe mir übrigens erlaubt, in meinem Blog auf diesen unterhaltsamen Briefverkehr hinzuweisen.
steppenhund - 12. Dez, 17:51

Hoffentlich wird Herwig mit dem Wechselbad dieses Briefes nicht überfordert.
Ich sinniere, ob es einen qualitativen Unterschied zwischen zwei Formen von Telefonsex gibt. Den, bevor man richtig zusammenwar, und den, welchen man praktisch als Vorspiel gelten lassen kann.
Ich bin mir nicht sicher, ob da nicht ganz eindeutige Weichen für den weiteren Fortgang gestellt werden. Aber mann wird ja sehen.

Andrea (Gast) - 12. Dez, 21:45

Überforderung denk ich nicht!
Also z. B. ich kenne Telefonsex nicht mit meinem Partner!
Wie sieht denn das aus, wenn der auf der einen Couch sitzt mit nem Hörer und ich auf der anderen Couch...
Sowas ist sicher nur effektiv, wenn es wirklich eines dieser ganz ganz prickelnden (ich beneide jeden um dieses Gefühl) Vorspielsituationen ist.

Eindeutige Weichen sind sogar ganz sicher gestellt (so liebevoll!!!) und "Weichen" zu stellen ist das Schönste, das es gibt auf der Welt - da haben Grenzen nur begrenzt etwas gegenzusteuern.

Lieben Gruß
Andrea
Weichenstelllieberin
testsiegerin - 13. Dez, 00:14

steppenhund: fängst du an, dir um ihn sorgen zu machen?
und ich kann dazu gar nix sagen. also zum thema telefonsex.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

Web Counter-Modul


Briefverkehr mit einem Beamten
Erlebtes
Femmes frontales
Forschertagebuch
Gedanken
Gedichte
Geschichten
Glosse
In dreißig Tagen um die Welt
Kurzprosa
Lesungen
Menschen
Sex and the Country
Toll3ste Weiber
Vita
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren

kostenloser Counter