Summer of Seventy-two

Ich war zehn. Gerlinde war auch zehn. Es war ein heißer Augusttag und wir saßen auf einem Baum im Park, wie so oft.
„Ich kann nicht mehr deine Freundin sein“, hat Gerlinde gesagt und mir hat es mein junges, unschuldiges Herz zerrissen. Erst ein paar Tage zuvor hatten wir Pläne geschmiedet. Eine Riesenrutsche wollten wir bauen, vom Hochhaus zur Schule, direkt durchs Fenster rein in die Klasse, wir hatten uns nur noch nicht einigen können, von welchem Stock aus wir starten würden. Ich wohnte im zehnten, in der Hausmeisterwohnung, sie im siebenten.
„Warum können wir keine Freundinnen mehr sein?“, hab ich gefragt und daran gedacht, dass wir ja so gerne einmal mit einem Flugzeug fliegen wollten. Auf einer besonders weichen Wolke würden wir aussteigen und ein Schaumbad nehmen, und von der Nachbarwolke würden wir naschen. Eine andere Freundin hatte uns nämlich erzählt, es gäbe Schaumbadwolken und Zuckerwattewolken. Daraus sollte nun nichts werden?
„Du gehst ja ab nächste Woche ins Gymnasium“, hat sie gesagt und vom Apfel abgebissen, „da können wir keine Freundinnen mehr sein, weil du was Besseres bist.“
Ich schämte mich. Verdammt, ich wollte nichts Besseres sein. Ich konnte doch nichts dafür, dass ich Klassenbeste war und die Lehrerin meinen Eltern empfohlen hat, das Gymnasium zu besuchen. Ich wollte im Apfelbaum sitzen und Waterloo und Robinson hören und nicht dieses Waterloo erleben. Luftschlösser und Luftrutschen wollte ich bauen und auf der Luftrutsche in die Schule düsen und nicht mit dem Bus ins Gymnasium. „Wenn ich das gewusst hätte“, hab ich geflüstert, „dann hätte ich den letzten Aufsatz verhaut.“
Es half alles nichts mehr. Gerlinde kletterte vom Baum, sagte „Tschüs, mach’s gut“ und das war es. Das Ende unserer Freundschaft, obwohl wir im selben Haus wohnten.

Fünfunddreißig Jahre ist das jetzt her, aber noch immer gibt es mir einen Stich, wenn ich an die Apfelbaumszene denke.
Und im Moment denke ich wieder sehr heftig daran. Denn endlich – für mich vierzig Jahre zu spät – wird über die Gesamtschule aller sechs- bis vierzehnjährigen diskutiert. Und die konservative Elite und die, die sich dafür halten schreit auf! Es kann doch nicht sein, sagen sie, dass unsere hochbegabten, gutsituierten Kinder mit der Unterschichtsbrut die Schulbank drücken. Das ist Nivellierung nach unten, brüllen sie. Schließlich darf den Privilegierten nicht das Privileg abhanden kommen, bessere Bildungschancen zu haben als die weniger Privilegierten, die Armen und die MigrantInnen. Wo kommen wir denn da hin? Es kann doch nicht sein, dass jeder so gefordert und gefördert wird, wie es für ihn gut ist, unabhängig von Einkommen und Herkunft?
(Nivellierung nach unten haben übrigens auch die Eltern der Integrationsklasse unseres Sohnes befürchtet, als diese erstmals eingeführt wurde. Vier Jahre später hat keiner mehr etwas gesagt. Weil auch die nicht ganz so klugen Eltern gemerkt haben, dass das Leistungsniveau ein hohes war, und dass die Kinder neben Wissen auch Toleranz und sozialen Umgang mit behinderten Kindern gelernt haben. Weil sie bemerkt haben, dass das Wissen der Kinder gefestigt wurde, indem sie es an schwächere Schüler weitergegeben und diesen geholfen haben.)

Ja, ich weiß, unser jetziges System ist ursuper, und Pisa nur eine Stadt mit einem schiefen Turm, der nichts mit unserem Bildungssystem zu tun hat. Selbstverständlich hat auch die Tatsache, dass es in den Ländern, die in der Pisa-Studie vorne liegen, wie zum Beispiel Finnland, Gesamtschulen gibt, überhaupt keinen Einfluss auf das Abschneiden der Schüler.

Was hilft mir das alles?
Ich habe mich nie getraut, während eines Fluges auf den Wattewolken aus dem Flugzeug auszusteigen. Auch die Super-Rutsche habe ich nie gebaut. Nicht ohne Gerlinde.
creature - 24. Apr, 21:00

dieses "wir sind die besseren" fällt den, du nennst sie konservative eliten, ja schon richtig aus dem gesicht heraus, ich mochte sie nie.

testsiegerin - 25. Apr, 08:16

ich glaub, ein bisschen haben wir das ja alles in uns. dass wir unser selbstwertgefühl daraus beziehen, besser als schlechtere zu sein. und es gibt ja immer noch schlechtere.
Köppnick - 24. Apr, 21:53

Spezialklassen

Es ist tatsächlich nicht klar, was denn nun das beste Schulsystem ist. Ich kam zum Beispiel nach dem 2. Schuljahr in eine Spezialklasse (für Russisch). Der Leistungsunterschied hielt bis zum Abitur. In der DDR war es so, dass die Abiturklassen nach der 8. Klasse begannen, also 9. bis 12. Klasse umfassten. Nur die Russischklassen kamen erst nach der 10. an die "EOS" (Erweiterte Oberschule). Nach einem halben Jahr Durchhänger waren die beiden Abiturklassen, die sich aus ehemaligen Russischklassenschülern zusammensetzten, die besten (von jeweils 7 Klassen einer Klassenstufe).

Es ist schon so, wenn Hochbegabte unter sich sind, sind sie pflegeleichter, kommen besser voran und werden auch nicht so gemobbt von den „Normalos“. Auf der anderen Seite dürfte es genauso sein, eine etwa gleich starke Gruppe Schwächerer kann gezielter gefördert werden, wenn sie annähernd dasselbe Niveau haben.

Die beiden Hauptprobleme in der Bundesrepublik sind vermutlich andere:
  • Die Auslese nach dem sozialen Stand der Eltern, nicht nach der tatsächlichen Leistung der Kinder (unter Berücksichtigung der Voraussetzung, unter denen ihre Leistungen zustande kamen) und
  • die Undurchlässigkeit des Bildungssystems für Spätzünder und Seiteneinsteiger.
Lösungsmöglichkeiten für diese Probleme werden durch den Wagenburgenstreit um das beste Schulsystem eher behindert.

testsiegerin - 25. Apr, 08:26

wie du schon sagst, entscheidet ja im moment nicht die begabung und das talent der kinder darüber, ob sie eine hauptschule oder ein gymnasium besuchen, sondern in erster linie die herkunft.
und die erreichbarkeit eines gymnasiums.
so gehen hier am land (das nächste gymnasium ist 25 kilometer entfernt) so gut wie alle kinder nach der volksschule in die hauptschule (bei meiner tochter waren es zwei aus einem jahrgang, die ins gym wechselten), in der stadt gehen die meisten ins gymnasium, und den hauptschulen bleiben die migrantInnen, die kinder der untersten sozialen schichten.
das niveau in hauptschulen auf dem land ist in den ersten leistungsgruppen ein sehr hohes. trotzdem ist es auch hier schwieriger, nach der hauptschule in ein gymnasium überzuwechseln.

ich glaube, lernen ist außerdem ein bisschen mehr als bloße wissensvermittlung. und wenn unsere kinder nicht lernen, dass es selbstverständlich ist, dass es gute und schwache schülerInnen gibt, welche, die gut sind in mathe und welche, die super sind im sport, welche, die zwar legasthenisch sind, aber wunderschön malen können etc, wenn unsere kinder das nicht lernen, dann werden auch aus ihnen erwachsene, die schreiben: "ich hoffe, nie mit behinderten zu tun haben zu müssen." (siehe http://barbaralehner.twoday.net/stories/3639013/)

jedem kind soll es gegönnt sein, sich nach seinen fähigkeiten, begabungen, interessen zu bilden. herkunft und sozialisation sollten jemanden nicht ausschließen dürfen. das ist aber im moment so.
kinder, die mit zehn noch nicht gut lesen können, sind nicht "dümmer" als andere, die haben zu hause vielleicht nur noch nie bücher gesehen. und so weiter.

ich persönlich finde es nicht gut, wenn hochbegabte und kinder mit defiziten ausschließlich unter sich sind. (und ich sage absichtlich aussschließlich, weil es natürlich leistungsgruppen, fördergruppen etc. geben soll). es ist nämlich so, dass auch in der gesellschaft die tüchtigen mitten unter "versagern" leben und umgekehrt. und nur durch ein miteinander ein vernünftiger umgang gelernt werden kann.
chagall - 25. Apr, 11:16

Vom Verstand her kann ich Deinen Argumenten gut folgen und ich kenne die Lobreden auf die Gemeinschaftsschulen.
Andererseits kann ich mich noch gut erinnern, wie froh ich war, als ich nach der 7. Klasse (und nach der Wende) aus der POS, die ungefähr der Gesamtschule entsprach, aufs Gym kann. Endlich Ruhe im Unterricht, Lehrer, die nicht froh waren, wenn man ein Buch las, damit sie sich in Ruhe den anderen schwächeren Schülern widmen konnten, Mitschüler, die ebenfalls Hausaufgaben machten, die einen nicht für was Besseres hielten, nur weil man gute Noten schrieb. Einfach die Möglichkeit, im Unterricht etwas leisten zu dürfen. Wie gesagt, nur subjektive Erfahrungen.
flyhigher - 25. Apr, 12:38

Leider habe ich den Beitrag vom 21.4. erst heute gelesen, mittels des Links, den du dahin gelegt hast. Nun sind meine Gedanken aber so vielschichtig diesbezüglich, dass es ein laaaanger Kommentar werden wird, ich entschuldige mich gleich im Vorhinein dafür.

Als obersten Punkt möchte ich hier mal gerne hinschreiben, dass auch ich von mir sehr gerne behaupten würde, dass ich mit Behinderten, in welcher Form die Behinderung auch immer sein mag, umgehen kann.
Das kann ich leider nicht. Ich weiss nicht, wie ich ihnen begegnen soll, ich hatte auch in der Kindheit ein für mich damals einprägsames Erlebnis, als wir von der Schule aus ein Behindertenheim besuchten, in dem mich eines der behinderten Kinder so an den Haaren zog, dass mir die Tränen in den Augen standen, und niemand hat dagegen etwas unternommen, und ich traute mich nicht, schließlich ist dieses Kind ja behindert.

Nun bin ich aber, trotz einigermaßen hervorstechender Intelligenz, in eine normale Hauptschule gegangen. Ich könnte nicht sagen, dass mir dies geholfen hätte, mit schlechter gestellten Menschen umzugehen. Trotzdem sich in meinem ferneren Bekanntenkreis eine Person befindet, die beinamputiert ist, mit der ich "normal" umgehen kann, weil sie mir auch normal entgegentritt.

Ich würde gerne von mir behaupten, dass ich alle Menschen, egal ob benachteiligt oder nicht, gleich behandle. Ich kann dieses Prädikat aber für mich nicht in Anspruch nehmen, weder wenn es um Behinderte geht, noch wenn es um Ausländer geht, noch wenn es um ganz arme Menschen geht, denen das Notwendigste zum Leben fehlt, .... Ich bemühe mich, "normal" mit den Menschen umzugehen, denen das Schicksal so übel mitgespielt hat. Aber es gelingt mir nicht, denn was ist "normal"?

Oft kommen mir in meinem Ort behinderte Menschen mit ihren Betreuern auf ihren Spaziergängen entgegen. Mehr als ein "Grüß Gott" bekomme ich nicht heraus, und es fängt schon damit an, dass ich noch nicht mal weiß, ob ich sie nun anschauen soll, oder ob, wenn ich das mache, das schon als "glotzen" ausgelegt wird.

Ich würde wirklich gerne von mir behaupten, dass ich damit umgehen kann. Ich kann es nicht, und das, was du Mr. Spott damals auf seinen Kommentar geantwortet hast, nehme ich für mich in Anspruch: bevor ich diesen eh schon benachteiligten Menschen auch noch meine Unsicherheit im Umgang mit ihnen aufzwinge, lasse ich es lieber bleiben.

Und die Hauptschule, die weiss Gott keine elitäre Schule war, in deren Zeit wir auch dieses oben benannte Behindertenheim besucht haben, hat mir ganz und garnicht geholfen, mit anderen Menschen umzugehen. Das wäre auch zuviel Anspruch an eine Schule. Das müssen Eltern erledigen - die Eltern, die heutzutage leider keine Zeit mehr für ihre Kinder haben (ich habe keine Kinder, wenn ich welche hätte, hätte ich wahrscheinlich auch zuwenig Zeit für sie...)

Abschließend noch kurz: Ich weiss nicht, ob eine Gesamtschule besser ist, oder ob hochbegabte Schüler von der Masse getrennt werden sollten. Mein Bauchgefühl würde dazu tendieren, das System so zu lassen, wie es derzeit ist. Eine vernünftige Argumentation habe ich dafür nicht.
testsiegerin - 25. Apr, 14:06

@ flighhigher

zum einen glaub ich nicht, dass die eltern heute so viel weniger zeit für die kinder haben als früher. früher standen sie halt im kinderwagen am acker, während die bauern und bäuerinnen gearbeitet haben.

zum umgang mit behinderten menschen nur so viel: niemand macht einem anderen den vorwurf, dass er unsicher ist im umgang mit anderen menschen, und dabei spielt es noch nicht einmal eine rolle, ob es dabei um behinderte, andersfarbige oder andessprachige menschen geht.
warum nicht die unsicherheit zugeben? warum nicht einem blinden menschen an der kreuzung sagen: tschuldigung, ich weiß nicht, wie ich mich richtig verhalten soll, brauchen sie hilfe oder schaffen sie es allein?
eigentlich gibt es einen grundsatz: andere menschen so behandeln, wie man selber gerne behandelt werden möchte: mit respekt, interesse und wertschätzung.
klingt einfach.
ist es auch.
mona lisa (Gast) - 26. Apr, 08:22

Dass unster Schulsystem zu undurchlässig ist, stimmt einfach nicht. Schüler, die mehr erreichen wollen, als si oder ihre Eltern sich ursprünglich vorgenommen haben, haben die Möglichkeit nach der 10. Klasse aufs Gymnasium zu wechseln. Zudem steht argen "Spätzündern" der Weg übers Abendgymnasium offen. Ich kenne einige Menschen in meinem Umkreis, die diesen - sicher nicht einfachen - Weg gegangen sind. Wo ein Wille, da ein Weg.
Aus meinen Erfahrungen kenne ich leider zu genüge Schüler, die selbst klein Interesse an Bildung haben, da Bildung zu schwer ist. Spaß, Fun haben ist einfacher, da hat man ja direkt etwas davon.
sokrates2005 - 26. Apr, 09:30

Werte Mona Lisa ...

das alles ändert nichts an der Tatsache, dass die primär über den sozialen Status stattfindende Frühselektion unseres Schulsystem absolut unnötig ist ...
testsiegerin - 26. Apr, 09:31

liebe mona lisa,

euer schulsystem kenn ich nicht, nur unseres in österreich. und das ist schwer durchlässig, das kannst du mir glauben.
natürlich gibt es diese menschen, die es trotzdem schaffen, keine frage.

und ja, es gibt schüler, die kein interesse an bildung haben, weil es zu "schwer" ist. (und es gibt lehrer, die kein interesse an ihrem job haben, weil sie ausgebrannt sind)
dann liegt es aber an uns, bildung spannender, interessanter, "leichter" zu machen. ich glaube nämlich noch immer - vielleicht ist das naiv - dass kinder prinzipiell neugierig sind.
mona lisa (Gast) - 26. Apr, 20:09

liebe Testsiegerin,
stimme dir zu, dass die meisten Kinder neugierig sind. Vielleicht begegen sie nur zunehmend weniger Menschen, die Zeit für sie haben, ihre daraus entstehenden Fragen zu beantworten, mit ihnen auf Entdeckungsreise zu gehen, sie in ihrer Verantwortung für die eigene Neugier zu stärken. Das alles kann m.E. Schule wie sie ist nicht leisten. Wenn Schule aber (wieder) mehr Erziehungsarbeit leisten soll, muss sie verändert werden - von Grund auf - das aber ist eine gesamtgesellschaftliche Diskussion, in der es nicht darum geht , nach Schuldigen zu suchen, nur Systeme dafür verantwortlich zu machen. Eine bloße Veränderung von (Schul-)Systemen bringt da m.E. nichts. Da müssen Verantwortlichkeiten geklärt werden. Nur wer will schon noch für etwas verantwortlich sein?
larousse - 24. Apr, 22:53

Ich

liebe Deine Texte. Und leider ist es überall das gleiche. Auch wenn sich langsam etwas bewegt.

testsiegerin - 25. Apr, 08:26

danke.
aber es bewegt sich was. immerhin.
Uta-Traveller - 24. Apr, 23:21

Zuerst: dein Text ist wie immer super geschrieben.

Zum Thema Schulsystem:
Ich arbeite seit gut vier Jahren als selbstständige Nachhilfelehrerin. SchülerInnen meist von Gymnasium und Gesamtschule.

Prinzipiell finde ich die Idee einer Gesamtschule mit einer Differenzierung innerhalb der Klassen und Fördermöglichkeiten gut. Einfach weil Kinder sich unterschiedlich schnell und unterschiedlich stark in verschiedenen Bereichen entwickeln.

Hauptproblem ist - wie oft - die Durchführung. Bei uns ist das Gesamtniveau der Gesamtschulen deutlich niedriger als das der Gymnasien. Und da dieses Jahr zum ersten Mal ein Zentralabitur durchgeführt wird, also gleiche Aufgaben für alle, haben die Gesamtschüler sozusagen die "Arschkarte" gezogen.

Das hat allerdings nichts mit Arroganz zwischen verschiedenen Schulformen zu tun. Wie gesagt: Schüler zusammen unterrichten und gezielt fördern ist eine gute Sache. Aber der Weg ist verdammt weit, bis die Institutionen soweit sind, dass da was Gescheites dabei herauskommt.

testsiegerin - 25. Apr, 08:29

natürlich hast du recht, es geht erstens nicht von heute auf morgen, sondern will gut geplant sein.
die lehrer müssen gut ausgebildet sein (und da sehe ich zum beispiel erhebliche mängel), es braucht weniger kinder in klassen, um sie gezielter fördern zu können, und so weiter und so weiter.
Uta-Traveller - 25. Apr, 11:36

Das isses. Es braucht Zeit. Und ich hab das Gefühl, die Politiker wollen immer alles jetzt sofort. Pisa-Studie gelesen, schon was geändert, zumindest auf dem Papier. Was dann in der Praxis daraus wird ...

Demnächst werden bei uns überall sogenannte "Lernstandserhebungen" geschrieben. Die Lehrer wissen nicht genau, wie die aussehen sollen und wissen auch nicht, ob die jetzt wie Klassenarbeiten gerechnet werden oder irgendwie anders berücksichtigt werden. Da herrscht ganz schönes Chaos.

Und wer sind die Leidtragenden? Wieder mal die Schüler. Und das finde ich zum ...
schneck06 - 25. Apr, 01:41

gut erwischt (immer noch!)...;-)

Pseuspektive - 25. Apr, 09:11

Aussondern oder nicht

Wie immer, schön auf den Punkt gebracht :-)
Solange es nicht nur ausschließlich Gesamtschulen gibt, kann das System auch nicht funktionieren, da die "Besseren" ihre Kinder aufs Gymnasium schicken. Das Gymi meiner kleinen Wilden kooperiert mit der ansässigen Gesamtschule in der Oberstufe, den Leistungskursen, da das Gymi klein ist. Das Dumme ist, dass es das Beste Gymi des Kreises ist und nun haben die Gesamtschüler doppelt die A-Karte. Sie sind immer die Schlechteren und nun auch noch Zentralabitur. Schlechte Organisation. Das Niveau ist einfach katastrophal unterschiedlich. Die Schüler sind die Leidtragenden.
Ich halte nichts vom Aussondern, egal ob es Elitebildung ist oder anders. Mit und bei meiner kleinen Wilden sehe ich, dass es auch anders geht. Es steht und fällt, wie immer, mit den Menschen, die beteiligt sind. Ich wollte sie nicht auf ein Internat geben, das bedeutete aber sehr viel mehr Einsatz. Zum Glück ist die Schule offen in ihren Möglichkeiten, wenngleich es natürlich besser ginge.
In D-Land sind Lehrer immer noch größtenteils verbeamtet, haben dadurch eine Macht, zusätzlich zu den Noten, die nicht verhältnismäßig ist. Mit diesem Status sind sie nicht unbedingt gefordert, flexibel zu sein. Sie sind überfordert, auch unwillig und unbelehrbar, wenn es um gruppendynamische Prozesse geht. Es gibt genügend psychologische Untersuchungen, wie es besser geht.
walküre - 25. Apr, 09:08

Ihre Geschichte

kommt mir verdammt bekannt vor, leider (Nein, ich bin nicht Gerlinde).
Wie bereits weiter oben erwähnt, ist eines der Hauptprobleme des heutigen Schulsystems jenes, dass viele Kinder ihrer Eltern wegen bestimmte Schulen besuchen müssen. Bei einem schulischen Informationsabend habe ich dazu einmal aus dem Munde eines erfahrenen Pädagogen sinngemäß folgende Worte gehört: "Es gibt keine dummen Kinder, nur eine falsche Wahl, die Schule betreffend". Meine Tochter besucht ebenfalls das Gymnasium, und ich bin foh darüber, denn die für sie in Frage kommende Hauptschule stellt meiner Ansicht nach in erster Linie eine Versorgungsanstalt für wenig ambitionierte Lehrkräfte dar. Darüber hinaus darf man nicht außer Acht lassen, dass zwar in den Hauptfächern verschiedene Leistungsgruppen existieren, in den Nebenfächern jedoch alle Schüler wieder zusammen in einer Klasse sitzen - vom Einserkandidaten bis zum notorischen Störenfried. Wobei wir auch schon bei der nicht vorhandenen psychologischen Ausbildung der meisten Pädagogen wären: Es kann nicht angehen, dass engagierte Laien mehr über Gruppendynamik und Rollenverteilung in einer Schulklasse wissen als ausgebildete Lehrer, und das in einer Zeit, in der es so gut wie keine Schulklassen ohne mindestens ein deutlich verhaltensgestörtes Kind gibt. Es scheint unumgänglich, dass die Schule einen Teil der eigentlich dem Elternhaus zustehenden Verantwortung übernimmt, aber dazu ist sie beim derzeitigen Stand der pädagogischen Ausbildung definitiv nicht in der Lage - und schon gar nicht im Rahmen einer Gesamtschule (mit Möglichkeit zur Ganztagsbetreuung, denn alles andere ist erst recht wieder eine halbe Sache).

sokrates2005 - 25. Apr, 10:15

Ich danke ihnen ...

für dieses wunderbare Plädoyer zur Bewältigung unseres verkappten Sekundärschulsystems.
Ich hatte schon einen eigenen Beitrag zu diesem Thema ins Auge gefasst, werde jetzt aber stattdessen auf ihren Beitrag verweisen.

david ramirer - 25. Apr, 11:43

eine sehr traurige geschichte.

unser jetziges system ist ur-scheisse, und das schon seit mehr als dreissig jahren. es wird dort gefördert und ermöglicht, wo es nicht nötig ist, und denen eine höhere bildung verbaut, die es notwendig hätten.
und die universitäten sind ohnehin eine wissensvernichtungsstätte ersten ranges.

svashtara - 25. Apr, 13:13

Ich halte vier Jahre Grundschule auch für zu wenig. Nach vier Jahren lässt sich nicht viel über die Begabungen eines Kindes sagen, und ein späterer Wechsel in ein anderes Schulsystem ist so gut wie kaum zu bewältigen.
Leider wird eine Ausweitung der Grundschule auf weitere vier Jahre aber nichts an der Abwertung ändern, die du ansprichst.
Ja, wir haben eine Bildungselite. Wir züchten sie in Gymnasien heran, in der Hoffnung, dass ein paar von ihnen den höchsten Bildungsweg einschlagen werden, um dann mit ihrem Wissen irgendwann Aufgaben im System zu übernehmen. Das bedeutet aber nicht, dass sich mein Bäcker jetzt minderwertig fühlen muss, weil er kein Abitur hat. Weil ich ohne Bäcker keine Brötchen hätte.
Deine Gerlinde fühlte sich minderwertig. Aber nicht, weil sie mit ihren 10 Jahren durchschaut hätte, dass du klüger bist als sie und deshalb auf eine ganz tolle Schule gehen wirst, die dir später einmal ein Studium erlauben würde, was dir dann einmal einen gutbezahlten Job einbringen würde.
Sie fühlte sich minderwertig, weil man ihr das kommuniziert hat.
Das ist ein extrem weites Feld, Testi, und alles, was wir hier schreiben, greift einfach viel zu kurz. Weil es einen Haufen begünstigender Faktoren gibt, die zur Bildung und Einteilung in soziale Klassen führen. Und manche Grenzen werden sich einfach niemals verwischen lassen.

Chris (Gast) - 25. Apr, 13:59

Ich finde es gut, das es in diesem Land eine erstklassige Schulbildung für alle gibt. Die meisten Kinder sind so gut, das sie ein Gymnasium besuchen können, um später akademische Aufgaben zu übernehmen.
Sie werden die Führungselite der Zukunft.
Natürlich gibt es auch die Realschule, die für viele ein Sprungbrett in viele erstklassige nichtakademische technische Berufe ist.
Selbst assoziale, sozial schwache dumme Menschen bekommen auf der Hauptschule die chance wenigstens für einen einfachen Anlernberuf vorbereitet zu werden, denn auch einfache Hilfsarbeiter werden viele benötigt.
Die ganz ungebildeten kommen auf die Sonderschulen, wo sie neben einer Minimalausbildung auch geistig geschult werden, sowie eine gute medizinisch/psychosoziale betreuung erhalten.

Alle können zufrieden sein
testsiegerin - 25. Apr, 14:08

@ chris (anonym)

ihr kommentar zeigt deutlich, was passiert, wenn wir unser system nicht bald ändern.
und wie dumm und asozial noch immer argumentiert wird.
eigentlich spricht dieses posting ohnehin für (pardon ... gegen) sich.
sokrates2005 - 26. Apr, 08:11

Bezeichnenderweise ...

lieber Chris, posaunen sie ihre "Zufriedenheit" aus der Anonymität.
Ich kann sie verstehen, mir wäre es auch peinlich, nach einer solchen Wortspende Gefahr zu laufen, erkannt zu werden ...
testsiegerin - 25. Apr, 14:09

nachtrag

warum funktioniert in so vielen anderen ländern, was hier nicht möglich scheint?

Christian (Gast) - 25. Apr, 14:18

"ihr kommentar zeigt deutlich, was passiert, wenn wir unser system nicht bald ändern. "

Falsch: nicht, was passiert.

sondern was bereits passiert ist.
In diesem System habe ich in den Jahren 75-88 meine Schulbildung (Grund/Realschule) genossen.
svashtara - 25. Apr, 16:06

Es liegt wohl in der Natur des Menschen, dass er immer jemanden braucht, auf den er herunterschauen kann. Gymnasium ist besser als Realschule ist besser als Hauptschule ist besser als Sonderschule. Selbst unsere Professoren an der Uni erklärten uns, falls uns der Stoff hier zu schwierig sei, stünde uns ja immer noch offen, zu den Deppen an die Fachhochschule zu gehen.
Das System ist Mist, weil es eben keine echte Förderung gibt. Die Elite Deutschlands ist nicht klüger, sie ist einfach nur reicher.
sokrates2005 - 26. Apr, 08:16

Das Bildungssystem ...

eignet sich eben hervorragend für eine Art (Un)Kulturkampf auf parteipolitischer Ebene. Den Konservativen ist es gelungen, Alternativen zu diesem System nachhaltig zu diskreditieren und Sozialdemokraten ist es - wie in so vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen auch - nicht gelungen, einen zukunftsträchtigen Weg zu weisen ...
testsiegerin - 26. Apr, 09:15

in allen anderen ländern der eu (ausgenommen deutschland) funktioniert es. laut pisa sind die schülerInnen dort nicht dümmer als hier, ganz im gegenteil.
mir hat noch immer niemand vernünftige gründe genannt, warum das in österreich nicht klappen sollte.
Pseuspektive - 26. Apr, 10:34

D-Land Schulsystem

Bei uns ist das Schulsystem grausam undurchlässig, knallharte Auslese und unmenschlich. Ist ein Kind auf dem Gym und schafft es nicht, hat es z.B. Latein als zweite Fremdpsrache und die Realschule bietet es nicht an (ist meistens so), muss es auf die Hauptschule! Die Realschulen sind nicht verpflichtet, diese Schüler aufzunehmen. Die Schüler, die nach der 10. von der Realschule auf das Gym gehen, um Abitur zu machen, kommen mit einer anderen Lernstoffgrundlage und haben es, abgesehen von den Vorurteilen der Lehrer, sehr sehr schwer. Es gibt nachmittags Angleichungskurse, weil sie einfach in Englisch, Mathe nicht auf dem Stand sind des Gym. Das Gym bereitet die Schüler auf ein Studium vor, die Realschule auf ein Berufsleben. Das Niveau ist sehr unterschiedlich. Keine Durchlässigkeit erwünscht!
PISA ist die unglaublichste Studie, seit es Schule gibt. Es ist eine Abzocke, ein Superverdienst für die Macher, statistisch fragwürdig angelegt. Es gibt genügend Seiten im Netz, die darüber berichten. Ein Psychologe, die sich bekanntlich mit Statistik auskennen, erklärte den Lehrern an der Schule meiner kleinen Wilden, wie fehlerhaft PISA ist, statistisch gesehen.
Dank PISA werden die alten Fehler wiederholt. Noch mehr Prüfungen, Tests, den Eltern Mitspracherecht abgenommen (so sollen sie nicht mehr maßgeblich die Schulwahl ihres Kindes bestimmen können). Parteienpolitischer Machtkampf auf Kosten der Kinder.
datja (Gast) - 26. Apr, 11:26

die vielen postings zu diesem thema...
dieses thema interessiert!
find ich super.
respekt, interesse und geduld scheinen mir ganz wichtige werte zu sein. sich selbst gegenüber und anderen gegenüber, vor allem wenn die anderen anders sind. und das sind sie ja immer, wer ist denn schon gleich? bestenfalls ähnlich. bissi anders ist halt leichter zu akzeptieren als stark anders.
ich werde nie verstehen wo denn da das problem ist.

tja, liebe testsiegerin, du hast dich geschämt weil du gscheiter warst, ich hab mich geschämt weil meine familie in einer villa wohnte, mit allem drum und dran.
deshalb fand ich meine jause peinlich und hab sie verschenkt.
traurig das alles.
hoffentlich bewegt sich was. wir arbeiten eh dran.

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"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

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Lo - 7. Jan, 13:36
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