Sex and the Country 3

„Du hast vergessen, den Slip anzuziehen“, sagt B. zu Ch., die sich nervös auf ein Date vorbereitet und wie ein Mantra vor sich hersagt: Ich verliebe mich nicht. Ich verliebe mich nicht. Nicht beim Ficken. Auch sonst nicht.
„Und ungeschminkt bist du auch noch.“
„Schminken brauch ich mich heute nicht, der Typ nimmt beim Küssen immer die Brille ab und da sieht er mich ohnehin nur verschwommen und verschmiert mir den billigen Lippenstift“.
„Verstehe“, versteht B. „Außerdem kannst du dann vielleicht mit dem Geld, das du bei der Unterwäsche und beim Make-up sparst, die Telefonrechnung zahlen.“
„Schau ich cool aus?“, will Ch. wissen, „cool und souverän? Wie eine Frau, die sich beim Ficken nicht verliebt?“
„Sicher. In etwa so cool wie ein tropischer Sommerregen.“

Ich empfinde nichts für ihn. Ich verliebe mich nicht. Ich fühle nichts für ihn. Ich verliebe mich nicht ihn, murmelt Ch. auf dem Weg zu seinem Mercedes. Noch weiß sie nicht, in welche Schublade sie ihn stecken soll. Bindungsängste? Eine verflochtene Mutterbeziehung? Hochstapler? Macho?
Mehrfachantworten möglich.

„Vorne oder hinten?“, fragt er vor der Kür, nachdem sie die Pflicht (ein Loblied auf den romantischen Sonnenuntergang, den schönen Ausblick – noch trägt er die Brille - und die fruchtbaren Weinreben) hinter sich gebracht haben.
„Vielleicht erst mal ganz normal von vorne“, grinst sie und klettert nach hinten.

Ich bin nicht verliebt, murmelt sie zwischen den brillenlosen Küssen. Kein bisschen bin ich verliebt. Ich will dich nicht binden.
Wilde Küsse, verschlungene und verdrehte Beine, Anfangsschwierigkeiten. Kichern. Stöhnen.
Und schließlich – weil die Drama Queen das Drama liebt - die Katastrophe.

Socken. Er hat die Socken angelassen. „Ich hasse Männer mit Socken im Bett“, kreischt sie und wird ohnmächtig.
„Das ist ein Mercedes“, korrigiert er und schüttelt den Kopf, „kein Bett.“



*

Viele feine Damen. Viele feine Cocktails. Feine Häppchen. Alles gratis. Mittendrin B., wie ein Kürbis, der sich in einem Erdbeerfeld verirrt hat. Sie stopft sich ein paar Brötchen in die Handtasche, für die Kinder.
„Caipirinha, Tequila Sunrise, Pina Colada?“
B. nimmt dem hübschen Ober das schwere Tablett ab. „Ja. Ich nehm sie alle drei.“

„Kennen wir uns nicht von der Golf-Charity“, beginnt eine der seidenen Damen das schmale Gespräch. Die Damen sind nicht nur fein, sie sind auch gut.
B. sieht zwar den aufgelegten Elfmeter, zielt aber absichtlich und aus Diskretion am Tor vorbei und verkneift sich die Antwort „sicher nicht, ich habe noch Sex“. Stattdessen sagt sie: „Ich fürchte nicht, ich fahre zwar einen VW, aber keinen Golf, sondern einen Lupo.“

B. stellt sich mal an den einen, mal an den anderen Stehtisch und versucht, sich in die Unterhaltungen zu verwickeln. Sie verwickelt sich wie immer nur in Widersprüche.
„Mein Mann und ich haben uns beim Schilaufen in der Schweiz kennengelernt“, erzählt eine feine Dame und auch B. schildert aus ihrem Liebesleben. „Mein Mann und ich haben uns im Gefängnis kennengelernt“, erzählt sie die Wahrheit, die niemand hören will. Leise zählt B. mit. Das war das fünfzehnte Fettnäpfchen. Bei dreiundzwanzig wird sie nach Hause gehen.

„Netzwerken“ nennt man diese inhaltsleeren Gespräche hier, und weil B. gern eine berühmte Schriftstellerin werden möchte, versucht sie anzuknüpfen. Aber ihre zusammengestückelten, verfilzten Fäden passen nicht zu dem feinen Garn der anderen Knüpferinnen. Sie sehnt sich nach C., nach den D’s, nach Ch., nach ihren White-Trash-Freundinnen der Lower Class. Die wissen, wie es sich anfühlt, wenn man Angst haben muss, dass einem der Strom abgedreht wird.

Es ist schwül hier drin, die teuren Parfums der teuren Damen vermischen sich mit dem Duft von Lavendel und Rosen.
B. will ein Papiertaschentuch aus der recycelten Handtasche ziehen, um sich kultiviert die Stirn abzutupfen und erwischt irrtümlich die Serviette mit den Lachs-Ei-Brötchen.
Dreiundzwanzig. Und tschüs.


„Scheiß dich nicht an“, sagt D1 später zu B. „Wenn ich in ein reinliches Haus komm, hab ich auch Angst, ich könnte es allein mit meinem Lachen verschmutzen.“
Dazu lacht sie dreckig, und ein paar Sonnenstrahlen schwindeln sich in B’s Küche.
rosmarin - 29. Jun, 22:36

sch...ss aufs networken.... es leben die freundinnen :-)

CH (Gast) - 30. Jun, 07:58

GRINS!

......seufz! diese Golferinnen & "hauptberuflich-einkaufenden" Frauen, gesponsert von schwer-verdienenden Männern - gibts die wirklich noch so üppig? ich verstehe B, was redet FRAU denn bloss mit denen??
Da nutzen ja selbst die guten, kostenlosen Drinks nix, wenn FRAU solch dümmlichen Small-Talk aushalten muß!!
Was loben wir uns da unsere direkten Schimpfereien, Zynismen, unser lautes & oft schmutziges Gelächter & dabei kein BLATT VOR DEM MUND!!!

PS: CH erholt sich von den blauen Flecken des Auto-Abenteuers & hat vergessen, wie der Lover ausschaut, um sich vorm Verlieben zu schützen, bis zum nächsten Mal!?
testsiegerin - 30. Jun, 09:40

@ rosmarin: yepp. so sei es!

@ ch: jetzt muss ich die feinen damen ein bisschen verteidigen. zum teil haben die sich ihr geld schon selbst verdient (oder halt geerbt), und sie waren ja wirklich NETT. es ist nur so, dass die B. nicht in ihre welt passt. oder sie nicht in die welt der B.

Die B. wird irgendwann einmal ein Drittel einer Garage erben. Ist das nichts?
katiza - 30. Jun, 15:54

ich mag den Schluss!

D1 (Gast) - 30. Jun, 17:48

*versucht, dezent zu kichern*


ps: klappt nicht.

steppenhund - 30. Jun, 17:52

Golf-Charity - Igitt!

Sex im Mercedes? dann kann man sich auch das Orient leisten. Das ist unstimmig. Oder es bringt nichts, sich mit so einem Mann einzulassen.
Wenn schon outdoors, dann wirklich auf der Wiese.
Sind die Beteiligten denn nicht schon wirklich älter als 22?

Das dreckige Lachen mag ich auch:)

kittykoma - 30. Jun, 18:01

es ist eine frage der wertschätzung. man will sich in diesem fall das orient nicht leisten. es reicht, schnell, bevor die ehefrau den abendkuß will, zu hause noch unter die dusche zu stürzen.
testsiegerin - 30. Jun, 21:24

in mistelbach gibts kein orient ;-)

und sie sind wesentlich älter als 22.
testsiegerin - 30. Jun, 21:26

@ kittykoma

ich glaub nicht, dass sex im auto unbedingt mit geringer wertschätzung zu tun hat. manchmal einfach auch mit geilheit. warum wird das so abgewertet?
steppenhund - 30. Jun, 21:54

Die armen Leute in Mistelbach!
-
Ich verstehe. Und überall wird man gesehen und zerreißt sich das Maul.
Schwierig. Ich glaub, als Mann geb ich den Sex dann auf.
Wäre für die Mercedes Rückbank sowieso zu fett.
Aber im Mini mit Sitzverlängerung vorne! Das waren noch Zeiten...

P.S. Über das Platzangebot im C3 muss ich noch nachdenken:)
steppenhund - 30. Jun, 21:57

Steht nicht im Knigge, dass beim Sex im Auto die Ausnahmesituation eintritt, dass Sex auch mit Socken genossen werden darf.
Es hat etwas mit Fluchtreflex und dem möglichen Sofortstart bei Entdecktwerden zu tun.
Ich glaube, dass ich das in meiner Ausgabe von 1788 auf Seite 56 gelesen habe.
testsiegerin - 30. Jun, 22:05

ich hab den knigge nicht ausgelesen, gesteh ich. und bei einem lupo muss man sich über das thema eh keine gedanken machen.

ihr wolltet sex, und jetzt habt ihr sex und seid nicht zufrieden. die frauen von sex and the country können sich halt kein penthouse leisten.
steppenhund - 30. Jun, 22:10

Wie wär es mit einem Zelt? Zelt ist sehr romantisch und zeigt auch ein bisschen mehr von den Qualitäten eines Mannes.
Und wenn das Zelt einmal steht, ist der Genuss nicht mehr zu bremsen;)
steppenhund - 30. Jun, 22:10

Und heißt es nicht "Sex and the country"? Und nicht Sex und Mistelbach:)))
ch (Gast) - 30. Jun, 22:34

oooh, ja das ORIENT!

....das hat schon was....selbst eine Wein/4 lerin hatte mal das Vergnügen, dort "abzusteigen"...im ENGEL-BENGEL-ZIMMER, mit Champus, Jacucci, Spiegel an der Decke (wowh!)...etc....anlässlich eines ONE-NIGHT-STANDS......

ich gebe zu, NICHT zu vergleichen mit der engen Rückbank eines komfortablen Mercedes... :)
steppenhund - 30. Jun, 22:51

Was für eine Freude! Ich bin rehabilitiert:)
kittykoma - 1. Jul, 00:28

vielleicht bin ich da kontaktbörsengeschädigt.
D1 (Gast) - 1. Jul, 10:42

jajaja das orient.
herrliche absteige!

sex & pkw ist nur was für junge und gertenschlanke.
ich erinnere mich an 2 CV-zeiten...

später heisst die alternative GEMÜTLICHES WOHNMOBIL MIT ALLEM DRUM UND DRAN.

;)

steppenhund - 1. Jul, 11:45

Oder ein Volvo Kombi. Der war vielleicht bequem. In einem anderen Volvo Kombi haben dann unsere drei Kinder selig hinten geschlafen, wenn wir nächstens von Wien nach Bremen gefahren sind.

steppenhund - 1. Jul, 11:46

Aber die Bequemlichkeit des CV kenne ich auch:))) Heute würde das in der Werbung "Aktive Hutschunterstützung" lauten.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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