Flaschenpost nach Drüben
Lieber M.,
verdammt noch mal, wann ist eigentlich morgen? Du hast nämlich gesagt: „Bis morgen“, und du bist immer noch nicht da.
Wahrscheinlich sitzt du irgendwo da oben... nein, nicht auf einem kitschigen Wolkerl, eher auf einem Berggipfel, und schaust runter zu uns. Du hast kein Kreuzweh mehr, der Zimmerman Robert singt für dich „Knocking on Heavens Door“, ein Engerl serviert dir einen Schweinsbraten und du wirst matschkern und genervt mit den Augen rollen, weil er nicht so gut schmeckt wie deiner. Vielleicht merkt der Engel dein Augenrollen ja nicht. Das hat mich übrigens oft genervt, aber jetzt werde ich es vermissen.
Neunzehn Jahre haben wir miteinander verbracht. Gemeinsam gearbeitet, gegessen, philosophiert, geredet, geblödelt, gelacht. In die Haare gekriegt haben wir uns auch manchmal, zum Glück aber immer wieder heraus. Na ja, so viele Haare hattest du ja auch wieder nicht.
Irgendwie warst du immer ungekrönter Kapitän auf unserem Schiff. Auch wenn deine Kapitänsuniform aus Cargo-Hosen, einem karierten Hemd und einer Fischerweste bestand. Du hast uns ruhig durch wilde Gewässer und Stürme geführt und uns immer das Gefühl gegeben, dass wir auf Kurs sind.
In deiner Fischerweste war alles, was du brauchtest. Die Seekarte, der Kompass, Lot, Log und das Fernglas für den Weitblick. Vor allem deine Erfahrung und die große Liebe zum Meer und seinen Bewohnern. Und am Himmel die Sterne. Die neumodischen Erfindungen und komplizierten Geräte auf der Kapitänsbrücke, die ohnehin oft nicht funktionierten, waren dir aus tiefstem Herzen verhasst. Wenigstens das bleibt dir jetzt erspart.
Dabei bist du nie gern im Mittelpunkt gestanden, im Gegensatz zu mir. Für mich hat es trotzdem nur zur Köchin in der Kombüse gereicht. Daneben lehre ich die jungen Matrosen Wetter- und Knotenkunde.
Mein Essen hat dir oft nicht geschmeckt, vor meinen selbstgesuchten Pilzen und dem Bärlauch hast du dich gefürchtet und für manche meiner Küchenkreationen warst du viel zu sehr Purist. Getrocknete Tomaten haben deiner Meinung nach in einem Faschierten Braten nichts verloren.
Wenn einer aus der Mannschaft Trost und Rat gebraucht hat, standen Türen und Ohren bei dir offen. Du hast zugehört, die Augen gerollt und geholfen. Oder „Scheiß dich nicht an“ gesagt und dadurch Probleme, die wir auf Heißluftballongröße aufgepumpt haben, wieder in ihre ursprüngliche Größe als Kaugummiblase zusammengeschrumpft. Du hast immer gemerkt, wenn es jemandem schlecht ging und warst für ihn da. Deine eigenen Sorgen hast du nie an die große Glocke gehängt, sondern dir um die Schultern gelegt. Dich hörte man kaum jammern, aber wir wissen, dass du dich oft gesorgt hast. Auch um uns.
Du warst ein großherziger und großzügiger Kapitän. Hast dich nicht nur um uns, sondern vor allem für uns gesorgt, uns mit Lachs, Gulaschsuppe und selbstgemachter Marillenmarmelade verwöhnt und beschenkt und warst immer für uns da. Was macht da schon ein Augenrollen?
„So ein Blödsinn“, hast du manchmal über unsere Ideen zur Reiseroute gesagt. Und weil du für uns eine Autorität – oder nein, ein Vorbild – bist/warst (die Vergangenheit fällt noch schwer), menschlich und fachlich, hat deine schonungslose Kritik manchmal ganz schön wehgetan. Wenigstens wusste man immer, woran man bei dir war. „Der Erdäpfelsalat schmeckt besser als er ausschaut“ war eines der schönsten Komplimente aus deinem Mund. Und eines der besten Dinge in meinem Mund war das Martinigansl, das du gekocht hast. Niedrigtemperaturmethode. Überhaupt konnte man mit dir über alles reden, über Ehe- und Geldprobleme, Politik, Paradeisersorten, Alexis Sorbas, die Weltwirtschaftskrise und die Küchenschlacht.
Wenn das Schiff auseinanderzubrechen drohte, hast du selbst Hand angelegt, Holzbohlen ausgebessert und Verbindungsrohre zusammengeschweißt. Die Mannschaft war dir immer wichtiger als die Richtlinien der Reederei.
Weißt du, ich würde jetzt auch gern „Scheiß dich nicht an!“ sagen. „Scheiß dich nicht an und mach dir keine Gedanken, wie es mit uns weitergeht.“ Aber das kann ich nicht. Ich kann dir nicht versprechen, dass wir das Schiff sicher durch die weiten Meere der Fallzahlen, des Klienteninformations-und Dokumentationssystems, Business-Banking & Co steuern werden. Wir wissen in Wahrheit nicht, wie es ohne dich weitergehen soll. Jetzt, wo keiner mehr sagen wird: "Scheiß dich nicht an." Ja, ja, roll jetzt ruhig mit den Augen.
Trotzdem. Mach dir keine Sorgen um uns. Wir werden das Schiff schon schaukeln.
verdammt noch mal, wann ist eigentlich morgen? Du hast nämlich gesagt: „Bis morgen“, und du bist immer noch nicht da.
Wahrscheinlich sitzt du irgendwo da oben... nein, nicht auf einem kitschigen Wolkerl, eher auf einem Berggipfel, und schaust runter zu uns. Du hast kein Kreuzweh mehr, der Zimmerman Robert singt für dich „Knocking on Heavens Door“, ein Engerl serviert dir einen Schweinsbraten und du wirst matschkern und genervt mit den Augen rollen, weil er nicht so gut schmeckt wie deiner. Vielleicht merkt der Engel dein Augenrollen ja nicht. Das hat mich übrigens oft genervt, aber jetzt werde ich es vermissen.
Neunzehn Jahre haben wir miteinander verbracht. Gemeinsam gearbeitet, gegessen, philosophiert, geredet, geblödelt, gelacht. In die Haare gekriegt haben wir uns auch manchmal, zum Glück aber immer wieder heraus. Na ja, so viele Haare hattest du ja auch wieder nicht.
Irgendwie warst du immer ungekrönter Kapitän auf unserem Schiff. Auch wenn deine Kapitänsuniform aus Cargo-Hosen, einem karierten Hemd und einer Fischerweste bestand. Du hast uns ruhig durch wilde Gewässer und Stürme geführt und uns immer das Gefühl gegeben, dass wir auf Kurs sind.
In deiner Fischerweste war alles, was du brauchtest. Die Seekarte, der Kompass, Lot, Log und das Fernglas für den Weitblick. Vor allem deine Erfahrung und die große Liebe zum Meer und seinen Bewohnern. Und am Himmel die Sterne. Die neumodischen Erfindungen und komplizierten Geräte auf der Kapitänsbrücke, die ohnehin oft nicht funktionierten, waren dir aus tiefstem Herzen verhasst. Wenigstens das bleibt dir jetzt erspart.
Dabei bist du nie gern im Mittelpunkt gestanden, im Gegensatz zu mir. Für mich hat es trotzdem nur zur Köchin in der Kombüse gereicht. Daneben lehre ich die jungen Matrosen Wetter- und Knotenkunde.
Mein Essen hat dir oft nicht geschmeckt, vor meinen selbstgesuchten Pilzen und dem Bärlauch hast du dich gefürchtet und für manche meiner Küchenkreationen warst du viel zu sehr Purist. Getrocknete Tomaten haben deiner Meinung nach in einem Faschierten Braten nichts verloren.
Wenn einer aus der Mannschaft Trost und Rat gebraucht hat, standen Türen und Ohren bei dir offen. Du hast zugehört, die Augen gerollt und geholfen. Oder „Scheiß dich nicht an“ gesagt und dadurch Probleme, die wir auf Heißluftballongröße aufgepumpt haben, wieder in ihre ursprüngliche Größe als Kaugummiblase zusammengeschrumpft. Du hast immer gemerkt, wenn es jemandem schlecht ging und warst für ihn da. Deine eigenen Sorgen hast du nie an die große Glocke gehängt, sondern dir um die Schultern gelegt. Dich hörte man kaum jammern, aber wir wissen, dass du dich oft gesorgt hast. Auch um uns.
Du warst ein großherziger und großzügiger Kapitän. Hast dich nicht nur um uns, sondern vor allem für uns gesorgt, uns mit Lachs, Gulaschsuppe und selbstgemachter Marillenmarmelade verwöhnt und beschenkt und warst immer für uns da. Was macht da schon ein Augenrollen?
„So ein Blödsinn“, hast du manchmal über unsere Ideen zur Reiseroute gesagt. Und weil du für uns eine Autorität – oder nein, ein Vorbild – bist/warst (die Vergangenheit fällt noch schwer), menschlich und fachlich, hat deine schonungslose Kritik manchmal ganz schön wehgetan. Wenigstens wusste man immer, woran man bei dir war. „Der Erdäpfelsalat schmeckt besser als er ausschaut“ war eines der schönsten Komplimente aus deinem Mund. Und eines der besten Dinge in meinem Mund war das Martinigansl, das du gekocht hast. Niedrigtemperaturmethode. Überhaupt konnte man mit dir über alles reden, über Ehe- und Geldprobleme, Politik, Paradeisersorten, Alexis Sorbas, die Weltwirtschaftskrise und die Küchenschlacht.
Wenn das Schiff auseinanderzubrechen drohte, hast du selbst Hand angelegt, Holzbohlen ausgebessert und Verbindungsrohre zusammengeschweißt. Die Mannschaft war dir immer wichtiger als die Richtlinien der Reederei.
Weißt du, ich würde jetzt auch gern „Scheiß dich nicht an!“ sagen. „Scheiß dich nicht an und mach dir keine Gedanken, wie es mit uns weitergeht.“ Aber das kann ich nicht. Ich kann dir nicht versprechen, dass wir das Schiff sicher durch die weiten Meere der Fallzahlen, des Klienteninformations-und Dokumentationssystems, Business-Banking & Co steuern werden. Wir wissen in Wahrheit nicht, wie es ohne dich weitergehen soll. Jetzt, wo keiner mehr sagen wird: "Scheiß dich nicht an." Ja, ja, roll jetzt ruhig mit den Augen.
Trotzdem. Mach dir keine Sorgen um uns. Wir werden das Schiff schon schaukeln.
testsiegerin - 11. Feb, 10:35
Und selbstverständlich könnten Sie einen ebenso netten Nachruf schreiben. Anders halt, aber mindestens so schön.