Kurzprosa

Dienstag, 29. Oktober 2013

Liebe Eugenie

Ich weiß, es ist alles gesagt... aber noch nicht von allen. Ich mag mich auch noch ganz persönlich von dir verabschieden und nicht nur in Form von Punkten, die ich unter andere Verabschiedungen setze, weil sie es – weil sie dich – so gut getroffen haben. Außerdem denke ich, dass es A. vielleicht gut tut, noch einmal zu spüren, wie sehr dich alle hier gemocht, geschätzt, geliebt haben. Obwohl er das wahrscheinlich längst weiß.

Alle haben dich ins Herz geschlossen. Alle. Ich hab dich manchmal darum beneidet. Aber nur darum. Um den Schmerz, den du ertragen musstest, natürlich nicht. Vielleicht war diese Liebe, die du von allen bekommen hast, ein bisschen ein Ausgleich. Obwohl ich das Schicksal für nicht so überlegt halte.

So gern würde ich jetzt mit dir irgendwo sitzen und ein schweres Glas Rotwein trinken. So gerne würde ich mit dir reden. So viele Fragen hätte ich noch.
Du hast auf mich nie gewirkt, als würdest du mit deinem Schicksal hadern, zornig sein auf deine Krankheit, wütend, dass sie sich ausgerechnet dich ausgesucht hat. Jetzt würde ich gern wissen, ob das tatsächlich so war, ob du es wirklich geschafft hast, so sehr das Gute zu sehen, das Schöne, dass das Schlimme ein wenig von seinem Schrecken verloren hat. Ich würde so gerne wissen, ob du Angst hattest vorm Gehen oder ob es sich leicht angefühlt hat, weil sogar in diesen Augenblicken deine Zuversicht und deine Augen alles überstrahlt haben. Und wie es da drüben ist, das würde ich dich auch gern fragen, und ob die anderen dort deine Filmrätsel erraten.
Weißt du, ich tröste mich ein bisschen damit, dass die ganze Liebe, die sich bei anderen Menschen - wenn sie Glück haben - auf ein vielleicht langes Leben aufteilt, bei dir komprimiert war.
Und weißt du, manche Leute tun Blogfreundschaften als virtuell und nicht echt ab. Diese Leute haben keine Ahnung vom Leben. Diese Leute wissen nicht, was es bedeutet, wenn man sich von innen nach außen kennenlernt. Wenn man die Fassade nicht braucht.

Trotzdem bin ich unendlich dankbar, dich auch im sogenannten „richtigen“ Leben kennengelernt zu haben, dein Gast gewesen sein zu dürfen. Das hat nur bestätigt, was ich ohnehin schon wusste. Dass du ein liebenswerter, kreativer, warmherziger, offener, großzügiger, humorvoller, geistreicher Mensch bist/warst. Eine wunderschöne Frau noch dazu.

Weißt du, ich liege in den letzten Tagen morgens im Bett und denke an dich. Ich erzähle allen Freunden und Freundinnen von dir, davon, was für ein besonderer Mensch du warst.
Dir muss ich sowieso nicht erzählen, dass diese Dankbarkeit, dass du da warst, und diese Traurigkeit, dass du nicht mehr da bist, alles andere als virtuell sind. Sondern sehr, sehr echt.
Wie du.

Danke.

Donnerstag, 22. März 2012

Verhör

"Was können Sie von Jessica lernen?", fragt der Coach sie, nachdem sie von den Problemen in der Bank und ihren Gefühlen der Kollegin gegenüber erzählt hat. Ihrer Hilflosigkeit und ihrer Wut, weil Jessica so gar nichts von sich zeigt und hergibt. "Man sieht Menschen oft in einem anderen Licht", fährt der Coach fort, wenn man sich überlegt, was man von ihnen lernen kann."
Hm. "Muss ich kurz nachdenken", sagt sie, denn spontan fällt ihr nichts ein. "Ich kenne sie ja kaum, obwohl sie seit zwei Jahren in der Firma arbeitet. Sie ist irgendwie total verschlossen."
"Welchen Schatz vermuten Sie denn hinter dem Schloss?"
Keinen, denkt sie. Verschlossene Truhen können manchmal auch leer sein.
Da ist nichts, worum sie Jessica wirklich beneidet, nicht um ihr Aussehen, nicht um ihre Emotionslosigkeit, nicht um irgendwelche Talente, da ist einfach nichts, was sie auch können oder wie sie auch sein will. Gar nichts. Sie denkt länger nach. Noch immer nichts. Sie denkt ganz lange nach. Da fällt ihr Jessicas Knausrigkeit ein. Die lieblos ausgesuchten Geschenke, wenn jemand in der Bank Geburtstag hat.
"O.k.", sagt sie, "ich glaub, ich hab da was. Sparsam leben könnte ich von ihr lernen."
"Das glaub ich Ihnen jetzt überhaupt nicht", sagt der Coach und lächelt.
"Warum nicht?" Dabei hat sie sich solche Mühe gegeben.
"Ich kenn Sie ja noch nicht gut", sagt er, "aber wenn Sie irgendetwas ganz sicher nicht von Jessica lernen können, dann Spaß am Leben."

Freitag, 19. August 2011

Meineid

„Madl, wennst fliagst, genieß den Flug und denk net an die Landung“, hatte ihr der Tiroler Paragleitlehrer vor dem Flug mit auf den Weg – und ins Leben gegeben.
Üblicherweise schlug sie Ratschläge in den Wind. Dieser war wohl der einzige, den sie konsequent befolgte.

Sie hob ab. Genoss den Augenblick, in dem sie den Boden unter den Füßen verlor. Flog mit den Adlern. Schwebte ihrem Alltag davon, der Sonne entgegen. Sie fühlte sich leicht und unabhängig und geborgen in der Luft. Sie hörte die Geschwindigkeit rauschen, spürte den Wind auf ihren Wangen, roch die Freiheit, bittersüß, schmeckte das Abenteuer. Sie schloss die Augen, um all das noch intensiver zu spüren, zu riechen, zu schmecken, zu hören, gab sich ganz dem Gefühl hin, zu fliegen. Stark und unbesiegbar fühlte sie sich in ihrer Zartheit und Verletzlichkeit.

Dann prallte sie auf. Einmal auf dem falschen Fußballplatz, manchmal im hohen Gras, einmal mitten unter Kühen und Stieren, manchmal gerade noch neben der Stromleitung und nicht darin. Glück im Unglück. Oder Unglück im Glück. Was auch immer. Leben halt.
Mit blutendem Herzen landete sie. Mit blauen Flecken auf der Seele. Danach leckte sie die Wunden. Sie wusste, es würden Narben bleiben. Es blieben immer Narben. Körper und Seele waren übersät von Narben. Jede einzelne erzählte eine Geschichte. Jede einzelne erinnerte an die Schönheit des Fliegens.

Sie nahm die rosarote Brille ab, raffte den bunten Schirm zusammen und weinte bitterlich. Sie schwor sich, nie wieder zu fliegen.

Nie, nie wieder.

Sonntag, 7. März 2010

Illusionist

Manchmal passen Texte auch noch Jahre nachdem man sie geschrieben hat. Fast auf den Tag genau.


Unter der warmen, feuchten Traurigkeit sprießt Johanniskraut. Doch es kommt nicht an gegen die Depressionen, die der Winter - im Schnee versteckt – als Geschenk bringt. Ich will deine Geschenke nicht mehr, brülle ich den Winter an, behalte das eisige Eis und den flockigen Schnee. Du bist ein verdammter Lügner, denn du hast versprochen, du ziehst bald weiter. Noch immer aber hockst du vor meinem Haus und schenkst mir trojanische Pferde. Der Schnee glitzert in der klirrenden Sonne und fast möchte man ihn lieben, doch wenn er schmilzt, quillt Dreck und Trauer hervor. Alles ist eine große Täuschung. Du ein Illusionist.
Er schmilzt nicht, der Schnee. Am Frauentag baue ich Schneefrauen mit üppigen Brüsten und dicken Bäuchen. Ihre Füße stecke ich in warme Lammfellstiefel, damit sie nicht frieren. Sie haben den Auftrag, den Winter in den Arsch zu treten. Aber die Weiber sind ungehorsam. Und das ist gut so. Sie wirken stark und unsterblich, aber auch das ist Illusion.

Ihr schreit und schreibt den Frühling herbei, so als hätte er Erbarmen und ließe sich locken mit Texten über Schneeglöckchen und Primeln. Merkt ihr nicht, dass er flieht, wenn ihr Herz auf Schmerz reimt und Sonne auf Wonne? Der Frühling hat eure Gedichte satt, er liegt im Gras, irgendwo, wo er ein Stückchen Wiese gefunden hat, malt Lyrik aus Zwölftonmusik und wartet auf ein Echo.

Irgendwann der große Showdown. Im Teich singt die Seekanne ein unsinkbares Lied. Detektive liegen Rücken an Rücken mit Heckenschützen auf der Lauer. Niemand weiß, wonach sie suchen, worauf sie zielen, wonach wir suchen, was unsere Ziele sind.
Der Eisenbahnräuber setzt alles auf rot und verliert. Josef Schrammel erschlägt mit seiner ersten Geige die Walzerseligkeit und sagt: Genug getanzt, jetzt wird gelebt und geliebt.
Wie lebt man, frage ich, denn das habe ich in dem langen Winter verlernt. Wer zeigt mir, wie man lebt?

Die Schneefrauen schütteln vorsichtig den Kopf. Wir nicht, sagen sie mit Tränen in den Augen, denn wir werden bald sterben. Wir haben große Angst vor dem Tod. Wer aber den Tod so fürchtet, der kann nicht leben.
Nicht richtig.

Samstag, 6. Februar 2010

(In) Frage gestellt

„Was macht die Arbeit? Was die Familie? Und was die Kunst?“
Ein Jahr hatten die beiden Frauen einander nicht getroffen, was eine ziemliche Leistung war, wenn man bedachte, dass sie im selben Dorf lebten und in derselben Branche arbeiteten.
„Geht so.“ Zwei Wörter für drei Fragen. Nichtssagend. Die Fragen wie die Antworten. Keine stellte die Frage, die wirklich wichtig gewesen wäre: Was ist eigentlich mit unserer Freundschaft passiert? Was mit den vertrauten Waldläufen, was mit den versauten Witzen, was mit den versoffenen Abenden? Was mit den hitzigen Diskussionen, dem Trösten, dem stundenlangen Reden während der Wanderungen, was mit den spätsommerlichen Nachmittagen am Teich? Wo waren sie?

Anna-Lena nippte am Kaffee. Du verklärst die Vergangenheit, ermahnte sie sich. In Wahrheit war Verena nur da, wenn sie dich gebraucht hat. Saß am Sonntagmorgen plötzlich am Rande des Ehebetts, weil sie gerade wieder mal Liebeskummer hatte. Sprach sich ihr Leid von der Seele.
Wir sind erwachsene Frauen, dachte Anna-Lena, wir haben immer über alles geredet, über unsere Beziehungen, unsere Sehnsüchte, Affären, Verstrickungen. Nur über unsere Freundschaft nicht. „Weißt du, „begann sie mutig „ich muss dir etwas...“
„Ey, Jürgen, schön dich zu sehen. Nein, du störst nicht. Komm, setz dich her zu uns. Es stört dich doch nicht, Anna-Lena, oder?“
Sie schüttelte den Kopf. „Natürlich nicht“, sagte sie höflich und rückte näher zum Heizkörper. Dabei hätte sie schreien können: „Verdammt, natürlich stört es mich! Ich will dich nicht verlieren, du bist mir wichtig, ich brauche dich als meine Freundin!“
Aber sie saß nur still da und tat so, als hörte sie Verena und Jürgen beim Smalltalken zu.
Aus den Lautsprechern drang sanfte Musik. „Smile, if your heart is aching...Smile, even if it’s breaking...“
„Ich geh mal mit Hans-Jürgen an die Bar, ja? Weißt du, wir haben uns seit Wochen nicht gesehen. Bis gleich.“
Abserviert.
„Einen doppelten Tequila“, bestellte Anna-Lena, „nur mit Zitrone. Das Salz hab ich dabei.“ Ungehemmt flossen jetzt die Tränen über ihre Wangen, manche davon trafen zufällig in das Schnapsglas. Es war nicht die Tatsache, dass der Weg, den sie gemeinsam gegangen waren, in unterschiedliche Richtungen führte. Die Erkenntnis, dass die Freundschaft in Wahrheit gar keine war, bohrte sich spitz in ihre Seele.

„Na?“, fragte der Wirt, „Liebeskummer?“
Sie dachte kurz nach und kippte den Tequila hinunter. „Noch mal dasselbe, bitte.“ Liebeskummer tat an der gleichen Stelle weh wie der Schmerz, den sie jetzt fühlte. Aber Liebeskummer hatte für gewöhnlich einen süßen Abgang, trotz der Bitterkeit. Liebeskummer schmeckte nach dunkler Schokolade. Er zerging mollig warm auf der Zunge.
Jetzt war nichts süß. Sie biss in die Zitrone und leckte über ihre tränennasse Wange. „Nein. Schlimmer. Viel schlimmer.“

Mittwoch, 16. September 2009

Die Höhle

Tagsüber sammle ich Pilze, Kräuter und Beeren und Holz. Hole Wasser von der nahen Quelle. Spaziere hinauf zur Lichtung und schaue hinab ins Tal.
Abends ziehe ich mich in die Höhle zurück. In meine Höhle.
Davor geht ein schwarzer Panther auf und ab und bewacht den Eingang. Er schmiegt sich an meine Beine und lässt mich hinein. Er ist mein treuer Begleiter, seit vielen Jahren. Er ist all das, was ich so gerne wäre. Schön, stark, stolz, unabhängig. Und jedesmal, wenn ich über sein Fell streiche, schenkt er mir etwas von seiner Schönheit, von seiner Stärke, seinem Stolz, seiner Freiheit.
Aus Tannenzapfen und vertrockneten Zweigen mache ich ein Feuer, später lege ich Buchenholz nach. Ich mag das Lodern, das Brennen, das Glühen, das Feuer in all seinen Schattierungen. Manchmal werfe ich Rosmarinzweige in die Glut und atme den Duft ein. Brate die Pilze oder ein Stück Wild, das der Panther für mich gerissen hat. Esse Beeren und trinke Wasser.
In einer Felsnische habe ich mein Lager, es ist mit Fellen ausgelegt und weich und wohlig warm.
Meistens bin mir selbst genug. Hin und wieder darf jemand mein Lager, meine Nächte und mein Leben mit mir teilen.
Manchmal im Morgengrauen schmiegt der Panther sich an mich und gibt mir Wärme.

In einer anderen Nische sprudelt eine heiße Quelle. Darin bade ich, trete danach nackt und dampfend aus der Höhle und spreche mit dem Mond. Ich habe viele Fragen an ihn. Fragen über den Sinn, die Sehnsucht, die Liebe. Als ich mit meinen Fragen fertig bin, geht er unter. Es ist tröstlich, dass er nichts besser weiß als ich.

Ich bin glücklich in meiner Höhle. Ich habe keine Angst. Ich habe nichts zu verlieren.

Trotzdem flüchte ich mich immer wieder hinaus ins laute, lärmende Leben. In ein Leben, in dem ich mich klein, überfordert, unzulänglich fühle. In dem ich ständig suche. Noch mehr Glück suche, noch mehr Kraft, noch mehr Stolz. Aber davon finde ich da draußen nur Bruchstücke. Die sammle ich ein, für die stillen, zufriedenen Abende in meiner Höhle.
„Ich muss noch mal hinaus“, sage ich zum Panther, „mir fehlen noch ein paar Stücke, bis das Bild vollständig ist.“ Er weicht zur Seite und schweigt. Wie der Mond.

Donnerstag, 4. Juni 2009

Pachtvertrag

Sie trat aus dem Büro. Es war spät, es war dunkel, es war trüb, es war traurig. Es regnete, draußen und drinnen. Sie fluchte. Verdammte ihr kompliziertes, mickriges Leben und beneidete die, die es leicht hatten, die schön waren und die das Glück gepachtet hatten. Gleichzeitig schämte sie sich für ihren Neid, und dafür, dass sie so etwas überhaupt dachte, denn natürlich gab es solche Menschen gar nicht, und wenn sie bei klarem Kopf war, dann wusste sie das auch.

Es gab keinen unbefristeten Pachtvertrag für ein paar Quadratmeter Glück. Es gab nicht einmal einen befristeten für einen Quadratzentimeter. Es gab nur winzige Momente im Leben, auf denen stand das Wort Glück, und die fielen gelegentlich unerwartet vom Himmel und manchmal war das Wort in einer fremden Sprache geschrieben und man konnte es nicht verstehen und deshalb auch nicht sehen.

Heute war sie nicht bei klarem Kopf, sondern bei schlammig-trübem. Sie weinte, bemitleidete sich, bejammerte das, was sie für ihr Schicksal hielt. Kopf und Herz hielt sie gesenkt, weil sonst niemand sehen konnte, wie unglücklich sie war. Was aber war das für ein Unglück, wenn niemand es sehen konnte? Es zählte nur halb, oder noch weniger, vielleicht nur ein Viertel so viel wie sichtbares Unglück, es zählte genauso wenig wie ein Glück, das man nicht lesen konnte.

Beinahe wäre sie darüber gestolpert. Sie hob es auf und betrachtete es von allen Seiten. Es war wunderschön. Sie befühlte es mit ihren Fingern. Es war kühl und glatt und fühlte sich gut an. Sie schnupperte daran. Es duftete zwar nicht nach der Lichtkönigin Lucia, ihrer Lieblingsrose , aber wenigstens stank es nicht.
Das hat jemand verloren, dachte sie, das gehört nicht mir. Sie schaute nach allen Seiten, ob jemand sie beobachtete. Zögernd steckte sie es ein und ging langsam weiter. Doch als sie um die Ecke gebogen war, spürte sie einen stechenden Schmerz in der Brust. Das Gewissen hatte zugebissen. Sie machte kehrt, legte es wieder auf den Weg, und sicherheitshalber - und damit es nicht fror - deckte sie es mit ein paar Kieselsteinen zu.

Später konnte sie nicht schlafen, und diesmal lag es nicht an ihren dunklen Gefühlen, sondern an ihren wirren Gedanken. Das hat jemand extra für mich hingelegt, träumte sie. Ich hab das nicht verdient, träumte sie weiter. Vielleicht hab ich das doch verdient?, halbschlief sie.
Es gibt Menschen, die mich gernhaben. Mit dieser Gewissheit wachte sie auf.

Neugierig und aufgeregt verließ sie das Haus. Ihr Herz klopfte wie wild, als sie zu der Stelle kam. Es lag immer noch da. Nur die Kieselsteine, mit denen es zugedeckt war, lagen in der Wiese. Sie waren zu einem BITTE NIMM gelegt.
Das ist verrückt, dachte sie. Völlig verrückt. Ein Verrückter oder eine Verrückte musste es dahin gelegt haben und wollte, dass sie es fand. Ausgerechnet sie. Vielleicht bin ich es ja, die verrückt ist, starrte sie an sich herab und nickte. Oder wir beide? Aber wenn zwei verrückt waren, ergab das noch lange keinen Sinn. Warum ständig nach dem Sinn suchen, fragte sie sich dann und fand keine Antwort.

Langsam bückte sie sich, steckte es in ihre Tasche und wartete einen Moment. Auf den Biss. Aber der kam nicht. Nur ein wohlig-warmes Gefühl kam und malte ihr ein Lächeln ins Gesicht und Sonnenstrahlen in den Himmel.
Sie lächelte noch immer, als sie Stunden später das Büro verließ. Es war ein wunderschöner Tag gewesen, trotz der vielen Arbeit. Ihre Sekretärin hatte sich über den Kaffee gefreut, den sie ihr gekocht hatte, ihr Kollege über ihren kurzen Rock und die steilen Schuhe und ein Kunde hatte nicht nur ihre Professionalität, sondern auch ihre Freundlichkeit und ihr großes Herz gelobt.

DANKE, stand aus Kieselsteinen gelegt in der Wiese.
WOFÜR?, legte sie daraus, pfiff ein falsches Lied und ging hüftschwingend ins Kaffeehaus.
Am nächsten Morgen lagen ganz viele Steinchen in der Wiese.

Dafür, dass du nicht nur geben, sondern auch nehmen kannst.

„Sagen Sie mal“, sagte die Chefin, „ich sehe Sie in den letzten Tagen ständig selig vor sich hinlächeln. Sie scheinen das Glück ja gerade gepachtet zu haben.“

Donnerstag, 19. März 2009

Der Alte

Vor ein paar Wochen hab ich mit ihm Schluss gemacht. „Es tut mir leid", hab ich gelogen, "aber wir passen einfach nicht mehr zusammen."
Das wollte er nicht hören. An all die schönen Zeiten hat er mich erinnert, an die Spaziergänge im Schnee und das Glitzern in Natur und Augen und gefleht, dass er bleiben darf. „Ich liebe dich nicht mehr“, hab ich gesagt und gewusst, es muss ziemlich hart geklungen haben. Die Wahrheit wäre noch viel härter gewesen. Ich habe ihn nie geliebt. Ich habe ihn akzeptiert, wir haben uns arrangiert, aber geliebt, nein, geliebt hab ich ihn nie.
Beleidigt, wütend und schluchzend ist er abgezogen. „Du wirst noch von mir hören“, hat er gedroht. Und sollte recht behalten.

Heute früh war er wieder da. Mit Gepäck. Ich hätte besser durch den Spion schauen sollen, aber vertrauensselig wie ich nun mal bin, habe ich ihm ahnungslos geöffnet. Es hätte ja auch sein können, dass es der Mann von der Lottogesellschaft ist oder wenigstens der Hausverstand, mit einem Blumenstrauß.
Ich wollte schnell zumachen, aber er war wieder einmal schneller und hatte schon einen Fuß in der Tür. „Hier bin ich wieder, Liebes“, hat er gegrinst und seine schweren Taschen abgestellt. „Schau, ich hab dir was mitgebracht.“
„Hau ab. Ich will deine Geschenke nicht. Ich brauche dich nicht mehr. Und ich liebe dich auch nicht mehr, das hab ich doch schon mal gesagt. Was willst du also hier?“
„Aber ich liebe dich.“ Als würde das reichen, um wieder hier einzuziehen. „Ich habe dich immer geliebt.“
Es kostet mich viel Kraft, die Tür zuzudrücken, aber ich werde es nicht zulassen, dass er sich wieder hier breit macht.
„Neue Schuhe?“ Er blickt auf meine Sandalen und grinst.
„Das geht dich gar nichts an.“
„Komm schon, Süße“, säuselt er jetzt, „lass mich rein, es ist kalt.“
„Ich weiß. Selber Schuld. Außerdem… außerdem geht das nicht…“
„Und warum nicht, wenn ich fragen darf.“
„Es gibt da einen Neuen.“
„Du konntest es wohl gar nicht erwarten, wie? Ist er wenigstens gut im… du weißt schon…?“
Am liebsten würde ich ihm ins Gesicht spucken, aber ich weiß aus Erfahrung, dass er dann erst recht bockig und trotzig wird. „Er ist zärtlicher als du“, sage ich deshalb nur, „und wärmer.“
„Und wo ist der Neue?“
„Er schläft noch. Aber er wird bald aufstehen. Besser du verziehst dich, sonst wird er sauer.“
„Und wie heißt er, der Neue?“
„Frühling.“

"Hohoho, der war gut!"
Der Winter ist ein zynisches Arschloch.

Dienstag, 30. Oktober 2007

Herbstzerreißend

Alles wird leichter, wenn erst der Herbst kommt, hat sie im Sommer gedacht. Man muss die Früchte nicht mehr festhalten, nicht die Blätter und nicht das Glück. Alles wird leichter, weil es nicht die Vergänglichkeit ist, die Angst macht, sondern die Angst davor.

Der Herbst kommt und es wird nicht leichter. Die Angst nicht weniger. Die Zuversicht nicht größer. Dem Abschied wohnt kein Zauber inne. Nur ein billiger Taschenspielertrick.
Im Frühling war die Zukunft rosig und der Himmel blau, nicht ihre Seele.

Warum hören traurige Menschen keine glücklichen Lieder?, fragt das trotzige Kind in ihr und und stimmt ein fröhliches Frühlingslied an.
Weil sie so unendliche Lust am Leid haben, schiebt sie eine melancholische Scheibe in ihr Herz und lässt Selbstmitleid in die Wanne laufen. Sie wirft Kleider und Träume ab und steigt hinein. Alles wird gut, wenn erst der Winter da ist, denkt sie. Denn dann ist der Herbst vorbei und die Angst vor ihm.

Wie geht es dir?, kritzelt sie auf das Ahornblatt.
Zerrissen, schreibt sie auf das Blatt der Trauerweide, reißt es in tausend Stücke und lässt es ins warme Wasser fallen.

Samstag, 13. Oktober 2007

Besetzt

Mein Körper ist besetzt.

In meinem Nacken hockt der Schalk und duelliert sich mit der Angst, bis mir der Kragen platzt. Wieder einmal bleibt die Angst Sieger und schnürt mir mit ihren rostigen Ketten die Kehle zu. Der Frosch im Hals wird grausam erwürgt, das Lachen bleibt im Aufzug stecken und die Stimme erbricht. Ich schreie, aber meine Schreie finden kein offenes Ohr.
Dabei will ich weder Gesicht noch den Kopf verlieren.

Auf meiner Schulter lastet die Verantwortung. Für mich, meine Familie, meine Klienten, mein Land. Für die ganze Welt. Ich kann sie nicht auf die leichte Schulter nehmen, die Kälte und die Intoleranz gehen mir Hand in Hand an die Nieren. Mein Zorn spuckt Gift und Galle.
Die Laus trainiert ausgerechnet auf meiner Leber für den New York Marathon und meine Selbstzweifel fallen mir immer wieder in den Rücken.
Alles in mir ist aus den Fugen geraten, das Herz auf der eisigen Glätte aus- und in die Hose gerutscht. Im Bauch wütet die Wut, im Hintern Hummeln. Ich wünsche mir ein dickeres Fell auf meiner Gänsehaut, in der ich nicht stecken will.
Der Misserfolg ist mit dem Paternoster in meinen Kopf gerast.
Ich will mich wehren.
Aber ich beherrsche die Technik immer noch nicht.
Die der Ellbogen.

Was soll dieses Bauchgrummeln?
Trotz des Chaos in mir spaziert die Liebe ganz gerührt mitten durch den Magen und macht sich in mir breit. Bringt mein Blut zum Brodeln und verdreht mir den Kopf. Meine Knie werden butterweich und es zieht mir den Boden unter den kalten Füßen weg. Der schwere Stein fällt vom erfrischten Herzen, verwandelt sich im Fallen in tausendschöne Schmetterlinge und lässt mich fliegen.

Auf und davon zu mir.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36
loving it :-)
loving it :-)
viennacat - 2. Jan, 00:51
Keine weiße Weste
Weihnachtsgeschichte in 3 Akten 1. „Iss noch was,...
testsiegerin - 16. Dez, 20:31
ignorier das und scroll...
ignorier das und scroll weiter nach unten.
testsiegerin - 27. Okt, 16:22

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