Freitag, 1. Mai 2009

Die große Liebe

Die Telefonrechnung von Herrn Gruber war höher als Emma Rogners Werkstattrechnung. Und die Werkstattrechnung von Emma Rogner war höher als der monatliche Gehalt der Billa-Kassiererin.
Emma tippte die Zahlen in den Taschenrechner und wusste nicht, wie sie das bezahlen sollte. Weder die Telefonrechnung ihres Klienten noch ihre Werkstattrechnung.

„Ich hab eine neue Freundin“, hatte er das letzte Mal strahlend erzählt. „Das ist ja ganz wunderbar!“, gratulierte sie ihm ebenso strahlend und hoffte für und mit ihm, dass die Neue starke Nerven hatte. Starke Nerven, unendliche Geduld und ein prall gefülltes Bankkonto. „Die Svetlana hat gesagt, sie mag meine Mama“, erzählte er Emma bei ihrem letzten Hausbesuch „und die Mama hat gesagt, sie mag die Svetlana.“
„Das ist schön“, hatte Emma gesagt und ihm kein Wort geglaubt.

Die Mama vom Herrn Gruber lag seit vielen Jahren auf dem Friedhof und ihr Sohn legte ihr täglich frische Blumen aufs Grab. Damals, als die Mama nur zum Blumen gießen auf dem Friedhof war, hatte sie keine Frau leiden können, die Herrn Gruber näher kam, nicht mal Emma Rogner. Ob der Tod tatsächlich so viel Macht hatte, das zu ändern?

Emma studierte die Telefonrechnung von Herrn Gruber. Sie gab Details über seine neue, große Beziehung preis.
Die Telefonnummer seiner Flamme begann mit 0900, und sie rief ihn nie, er sie aber umso öfter an. Manchmal ging es ganz schnell, und manchmal schien er ein bisschen länger zu brauchen, was Svetlana bestimmt freute.

Selbst schuld, dachte Emma, denn sie hatte vergessen, die Mehrwertnummern sperren zu lassen. Also musste sie ihm jetzt erklären, dass er sich solche Gespräche mit seinem Einkommen nicht leisten konnte. Sein Einkommen reichte kaum für ein anständiges Auskommen, und schon gar nicht für ein weniger anständiges.
Emma erinnerte sich an ihre sexbesessene Klientin Berta, der sie vor Jahren einen Callboy mit Orgasmusgarantie und Wohnmobil zum Geburtstag geschenkt hatte. Gern hätte sie auch die Wünsche von Herrn Gruber erfüllt, aber dafür reichte das Geld einfach nicht mehr, und auch das Sozialamt war weit weniger spendabel als früher. Gut, damals hatte sie ein bisschen geschwindelt, als sie „Physikalische Anwendungen“ in den Antrag geschrieben und sich dafür Schwierigkeiten mit dem Bezirkshauptmann eingehandelt hatte. Das wollte sie nicht wieder riskieren.

„Herr Gruber“, Emma Rogner zog nervös an ihrer Lucky Strike und bot auch ihrem Klienten eine an, obwohl der Nichtraucher war. Eigentlich gingen sie derart intime Dinge nichts an und sie wollte mit dem Gruber weder über Svetlana noch über Natascha reden, Svetlanas beste Freundin, mit der er hin und wieder telefonierte, wenn Svetlana sich um ihre kranke, russische Mama kümmern musste. „Schauen Sie, Herr Gruber, vielleicht ist es besser, Sie rufen Svetlana nicht mehr an. Sicher ist es besser... zumindest für ihr Konto.“
Scheiß Job, dachte Emma Rogner und beneidete die Billa-Kassiererin. Nicht um ihr Einkommen, aber der blieben zumindest solche Gespräche erspart.
„Aber ich suche doch die große Liebe!“, schluchzte Herr Gruber jetzt bitterlich. „Sie geben mir ja nicht die Liebe, die ich brauche, Frau Rogner!“
Wo er Recht hatte, hatte er Recht.
„Tut mir leid, das gehört nicht zu meinem Aufgabenkreis“, sagte Emma knapp. „Ich bin nur für die Verwaltung ihres Einkommens und für die Vertretung vor Behörden und private Vertragspartner bestellt. Außerdem fürchte ich, so werden Sie die große Liebe nicht finden.“
„Wo dann?“
Gute Frage. Emma hatte längst aufgehört an die große Liebe zu glauben. In ihrem Leben hatten sich viele kleine Lieben die Hand gegeben. In den letzten Jahren waren sogar die ausgeblieben. „Vielleicht im Hallenbad, auf dem Stadtfest, im Kaffeehaus, im Raiffeisen-Lagerhaus, auf dem Pfarrflohmarkt, auf dem Friedhof. Überall kann man die große Liebe finden, Herr Gruber. Ich hab gehört, sogar im Internet.“
Jetzt leuchten seine Augen wieder. „Im Internetz? Darf ich so ein Internetz haben?“
Emma Rogner biss sich auf die Lippen. In ihren Gedanken sah sie, wie sich die unbezahlten Rechnungen und Mahnungen für von Gruber im Internet bestellte Dinge und Dienstleistungen auf ihrem Schreibtisch stapelten. Sie schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, das ist keine so gute Idee. Versuchen Sie es lieber auf dem Pfarrflohmarkt.“

Herr Gruber fiel auf die Knie, faltete die Hände zum Gebet, bettelte, schluchzte und schwitzte. „Wissen Sie, ich hab ja auch so... so... männliche Bedürfnisse. Soll ich die herausschwitzen?“
Emma Rogner zuckte zusammen. Bitte nicht herausschwitzen, dachte sie und sah schon die klebrige Flüssigkeit aus seinen Poren sprießen. Nicht jetzt. Nicht, solange ich da bin.
Dann hatte Emma Rogner eine – wie sie fand zündende - Idee. „Vielleicht könnten Sie ja das Geld, mit dem sie die Blumen kaufen, für die Telefonate mit Svetlana sparen?“, schlug sie vor. „Ihre Mama freut sich bestimmt mit Ihnen.“
Gruber hielt kurz mit dem Weinen inne. „Niemals!“, brüllte er, riss das Bild seiner verstorbenen Mutter von der Wand und drückte es an seine Brust. „Niemals!“

„Ich muss dann mal“, verabschiedete sich Emma hastig, diesmal ohne ihm die Hand zu geben, „meinen Wagen aus der Werkstatt holen.“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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