Freitag, 22. Mai 2009

Die Krise

Hannah ging in die Autorenfabrik, wie jeden Tag. Dort war sie in der Produktion beschäftigt und schraubte Autoren zusammen. Große, kleine, langweilige, bekannte und unbekannte, zweifelnde und von sich selbst überzeugte. Von letzteren die meisten.
Es war ein langweiliger Job, Fließbandarbeit eben, aber Hannah war froh, dass sie überhaupt noch eine Arbeit hatte. Die Firma, in der ihre Freundin mit der luftdichten Verpackung von Glücksmomenten beschäftigt war, musste vor ein paar Monaten Konkurs anmelden. „Dabei bräuchten die Menschen gerade jetzt Glück“, sagte Hannah, „aber sie können es sich nicht mehr leisten.“

Während Hannah schraubte, drechselte, zusammensteckte und polierte, redete sie. Sie erzählte den Autoren Geschichten. Geschichten, die ihre Mutter ihr erzählt hatte, und diese wiederum hatte die Geschichten von der eigenen Mutter und so fort. Auch Hannahs Urgroßmutter war in der Autorenfabrik beschäftigt. Dort lernte sie alle ihre sieben Männer kennen. Dort tötete sie alle ihre sieben Männer. „Ein Unfall“, erzählte sie der kleinen Hannah später augenzwinkernd, „leider sind sie irgendwann einer nach dem anderen in die Druckmaschine geraten. Ich konnte gar nichts dagegen tun.“ Bevor sie - im Alter von achtundneunzig Jahren - ihre blitzblauen Augen für immer schloss, hatte sie ihrer Urenkelin noch einen Rat mit auf den Weg gegeben: „Verlieb dich nie in einen Kerl, an dem du eigenhändig herumgeschraubt hast“.

Von Montag bis Freitag, in Hochzeiten sogar samstags, schraubte sie ihre Erfahrungen, Gedanken und Träume in die Köpfe der Autoren, die später daraus Geschichten machten. Manchmal allerdings war Hannah bei ihrer eintönigen Arbeit nicht bei der Sache, ihre Gedanken schweiften und ihre Hände rutschten ab, die Worte kamen durcheinander und sie feilte ein paar Ecken und Kanten in die Autoren. Das passierte ihr in letzter Zeit immer öfter. Diese Autoren waren die spannendsten und skurrilsten. Beinahe hätte Hannah sich in einen von ihnen verliebt, einen Finnen mit elfenbeinküstiger Mutter, der in der Sahara eine Saunalandschaft betrieb, erinnerte sich aber gerade noch rechtzeitig an das Schicksal der Ehemänner ihrer Urgroßmutter und an den Rat der alten Frau. Deshalb schickt sie ihren Elfenbeinkusstiger trotz brennenden Unterleibs und pochenden Blutes in die Wüste.

Die Bücher des Elfenbeinkusstigers und aller anderen wunderbaren und spannenden Autoren jedoch wurden zu Ladenhütern, weshalb Hannahs Chef sie eines Tages – es war ein Mittwoch – zu sich ins Büro rief.

„Sie wissen, ich schätze Ihre Arbeit sehr“, sagte er, „aber den Menschen ist zu kompliziert, was diese Autoren produzieren. Erinnern Sie sich an Uwe Tellkamp? Da haben sie sich anscheinend in einen Wahn geschraubt, genauso verschraubt klang dann auch der Turm. Nun gut, zum Glück gibt es ein paar Intellektuelle, die solche Bücher für ihre Regale erstehen, aber gerade in Zeiten der Krise haben die Menschen eine Sehnsucht nach dem Einfachen. Nach Autoren, die überhaupt nichts von Literatur verstehen, am besten auch nichts von Fußball und Musik, wie Oliver Kahn oder der... wie hieß er gleich noch mal?... ah ja... Bohlen. Diese Beiden haben sich wie warme Semmeln.“
Hannah lachte und dachte an den Tag, an dem sie Dieter zusammengeschraubt hatte. Diesem Tag war eine Nacht mit einer aufregenden Frau und dreiundzwanzig Gläsern Tequila vorausgegangen. Kein einziges Rädchen hatte sie an die richtige Stelle gelötet, keine einzige Mutter gerade auf den Dübel geschraubt.
„Es. tut. mir. leid“, stotterte der Geschäftsführer fort, „aber die Krise zwingt uns...“
Hannah lächelte und bedeutete ihm mit dem Zeigefinger auf ihren Lippen zu schweigen. Sie ließ den Schraubenzieher fallen, packte ihre Habseligkeiten zusammen und ging zum Fabriktor hinaus.

Draußen – es regnete gerade Langeweile - schüttelte sie den Staub der Wörter von ihrer Jacke, schnallte sich die Phantasie auf den Rücken und flog davon.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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