SADIE
„Geh schleich dich!“, sage ich zu meiner Herbst-Winter-Depression, in einem Tonfall, in dem ich nur mit sehr guten Freunden spreche.
Sie schleicht sich.
In meine Knochen, auf meine Brust, unter meine Decke.
„Dein Körper braucht jetzt Ruhe“, sagt sie, „und viel Schlaf.“ Sie widerspricht meinem Trainer, der meint, mein Körper brauche dreimal die Woche Kraft- und Ausdauertraining.
„Ihre Sorgen möchten wir haben“, sagt die Versicherung, aber ich weiß, dass sie lügt. Die möchten meine Sorgen überhaupt nicht haben. Die möchten gar nicht, dass ich ein sorgenfreies Leben führe.
„Deine Depressionen möchte ich haben“, sagt die Freundin und ich weiß, dass sie die Wahrheit sagt. Sie findet mich trotz meiner SAD (das find ich eine wunderschöne Wortschöpfung, beinahe eine Onomatopoesie), also trotz meiner Traurigensaisonalabhängigendepression aktiv und voller Kraft.
Ich nenne SAD (wir kennen uns schon lange) zärtlich SADIE, weil sie neben dem traurigen Element auch sadistische Züge hat.
Wann war ich eigentlich zum letzten Mal so richtig glücklich?, lasse ich mich in SADIES Arme fallen. Wann habe ich zuletzt herzhaft gelacht?
„Na, wann denn?“, will SADIE wissen und lächelt spöttisch.
Ich schaue weg und antworte nicht. Es ist mir peinlich, weil ich die Antwort kenne.
Vor einer halben Stunde, als ich mit meiner Freundin Sekt getrunken und Geburtstagstorte gegessen und einen guten Film geschaut habe. Vor ein paar Stunden, als meine Kinder mich umarmt und mir gesagt haben, dass sie mich liebhaben. Als ich mit Frau Dr. Blubb Bruttosozialprodukt ins Mikro gegrölt und dafür die Note „Amateur“ bekommen habe. Heute Vormittag, als ich im Garten Nüsse geklaubt habe. Heute früh, als ich an meiner neuen Geschichte geschrieben habe. Gestern bei meinem Lieblingstatort. Gestern Mittag, als ich statt der Stiefel die Ohrringe gekauft habe, weil Ch. das Geld dringender braucht als der Humanic. Gestern Vormittag, als ich mich eine Stunde auf dem Crosstrainer verausgabt hab und das nicht als Qual, sondern als Glück erlebt hab. Danach in der Sauna.
Am Samstag bei der Lesung, als ich gespürt hab, dass ich die Leute mit meinen Geschichten berühren kann. Als ich für meine beste Freundin ein Bild gekauft hab. Als überraschend mein Bruder und seine Frau zur Lesung gekommen sind. Als ich gefühlt hab, wie unendlich glücklich es mich macht, meine Geschichten zu teilen. Anschließend mit den Frauen zu quatschen und lachen. Vorgestern, beim Theaterspielen und beim Tanzen war ich glücklich und befreit. Im Fitnessstudio. In der Arbeit. Beim Kochen. Beim Lesen. Beim Leben.
„Siehst du“, sagt SADIE, „ein wenig Trübsal, Dunkelheit und Müdigkeit kann dir nicht schaden.“
„Weißt du was, SADIE?“, sage ich, „GABS!“
„Was bedeutet das?“
„Geh a bisserl scheißen“.
Sie schleicht sich.
In meine Knochen, auf meine Brust, unter meine Decke.
„Dein Körper braucht jetzt Ruhe“, sagt sie, „und viel Schlaf.“ Sie widerspricht meinem Trainer, der meint, mein Körper brauche dreimal die Woche Kraft- und Ausdauertraining.
„Ihre Sorgen möchten wir haben“, sagt die Versicherung, aber ich weiß, dass sie lügt. Die möchten meine Sorgen überhaupt nicht haben. Die möchten gar nicht, dass ich ein sorgenfreies Leben führe.
„Deine Depressionen möchte ich haben“, sagt die Freundin und ich weiß, dass sie die Wahrheit sagt. Sie findet mich trotz meiner SAD (das find ich eine wunderschöne Wortschöpfung, beinahe eine Onomatopoesie), also trotz meiner Traurigensaisonalabhängigendepression aktiv und voller Kraft.
Ich nenne SAD (wir kennen uns schon lange) zärtlich SADIE, weil sie neben dem traurigen Element auch sadistische Züge hat.
Wann war ich eigentlich zum letzten Mal so richtig glücklich?, lasse ich mich in SADIES Arme fallen. Wann habe ich zuletzt herzhaft gelacht?
„Na, wann denn?“, will SADIE wissen und lächelt spöttisch.
Ich schaue weg und antworte nicht. Es ist mir peinlich, weil ich die Antwort kenne.
Vor einer halben Stunde, als ich mit meiner Freundin Sekt getrunken und Geburtstagstorte gegessen und einen guten Film geschaut habe. Vor ein paar Stunden, als meine Kinder mich umarmt und mir gesagt haben, dass sie mich liebhaben. Als ich mit Frau Dr. Blubb Bruttosozialprodukt ins Mikro gegrölt und dafür die Note „Amateur“ bekommen habe. Heute Vormittag, als ich im Garten Nüsse geklaubt habe. Heute früh, als ich an meiner neuen Geschichte geschrieben habe. Gestern bei meinem Lieblingstatort. Gestern Mittag, als ich statt der Stiefel die Ohrringe gekauft habe, weil Ch. das Geld dringender braucht als der Humanic. Gestern Vormittag, als ich mich eine Stunde auf dem Crosstrainer verausgabt hab und das nicht als Qual, sondern als Glück erlebt hab. Danach in der Sauna.
Am Samstag bei der Lesung, als ich gespürt hab, dass ich die Leute mit meinen Geschichten berühren kann. Als ich für meine beste Freundin ein Bild gekauft hab. Als überraschend mein Bruder und seine Frau zur Lesung gekommen sind. Als ich gefühlt hab, wie unendlich glücklich es mich macht, meine Geschichten zu teilen. Anschließend mit den Frauen zu quatschen und lachen. Vorgestern, beim Theaterspielen und beim Tanzen war ich glücklich und befreit. Im Fitnessstudio. In der Arbeit. Beim Kochen. Beim Lesen. Beim Leben.
„Siehst du“, sagt SADIE, „ein wenig Trübsal, Dunkelheit und Müdigkeit kann dir nicht schaden.“
„Weißt du was, SADIE?“, sage ich, „GABS!“
„Was bedeutet das?“
„Geh a bisserl scheißen“.
testsiegerin - 26. Okt, 18:43