Samstag, 8. September 2012

Die Liste Teil 1

Frank Frodor hatte vergessen, es in die Liste einzutragen. Damit nahm das Unheil seinen Lauf.

Seit Jahren trug Frank alles in Listen ein. Seine Bücher, Cds und DVDs, Fußballergebnisse von der Premiere League bis zur Regionalliga Ost, sein Wohnungsinventar; er führte Listen über die Häuser und Autos seiner Nachbarn - die blauäugige Jennifer zum Beispiel fuhr einen VW Beetle in Toffeebraun metallic, der Hautarzt gegenüber hatte sich vor kurzem einen Audi Roadster, Baujahr 2011, in Ibisweiß gegönnt.
Frank bespitzelte die Menschen nicht, um seine Listen zu füllen, er trug nur ein, was er zufällig erfuhr, was ihm sozusagen über den Weg lief, die Informationen dienten keinem speziellen Zweck. Er hatte nicht vor, jemanden mit seinem Wissen zu erpressen oder eine Doktorarbeit über das Wohn- und Autokaufverhalten der Menschen in seiner Straße zu verfassen. In Wahrheit interessierten die Menschen Frank Fodor nämlich überhaupt nicht.
Frank führte sogar eine Liste über seine Socken. In eine Spalte füllte er das Datum des Einkaufs, in eine andere die Farbe (also dunkelbraun, dunkelgrau oder schwarz), in die dritte die empfohlene Waschanleitung und in die vierte das Ablaufdatum.
Nun könnte man meinen, dass Frank sein Sockenwasch und -einkaufsverhalten auf diese Listen stützte und bei der Firma kaufte, welche die langlebigsten Socken herstellte, aber dem war nicht so. Frank kaufte Socken, wenn er welche brauchte und dort, wo er zufällig gerade war. Er wusch seine gesamte Wäsche mit 40 Grad. Er legte keinen besonderen Wert auf Qualität.

Franks Einkaufszettel waren nicht wie die anderer Menschen mit krakeliger Schrift auf leere Briefumschläge, unbenötigte Visitenkarten oder alte Einkaufsbelege gekritzelt, sondern sorgsam mit Excel-Listen erstellt, in der Reihenfolge, in welcher sie im Einkaufsladen angerichtet waren. Wenn er wollte, konnte er sie auch aufsteigend nach dem Listenverkaufspreis oder der Kategorie (Obst, Milchwaren, Gebäck, Fleisch, Sonstiges...) sortieren lassen. Wollte er aber nicht.
Frank druckte sich die Einkaufsliste nicht aus, das war nicht notwendig, denn er kaufte meistens das Gleiche ein. Zu essen bedeutete für ihn keinen Lustgewinn, sondern lediglich Nahrungsaufnahme, das Ausgleichen der Energiebilanz.

„Ihr müsst wissen, Frank freut sich an Listen“, hatte seine Mutter vor Jahren ihren drei Freundinnen erzählt und ihm dabei abschätzig über den Kopf gestrichen. Zum Glück hieß Frank nicht Liam oder Linhart, oder gar Liam-Linhart, denn seine Mutter hatte eine Schwäche für Alliterationen und hätte sonst womöglich überall hinausposaunt: „Mein Liebling Liam –Linhart liebt Listen.“
In Wahrheit liebte Frank keine Listen, er hegte ihnen gegenüber keine Emotionen, er führte sie einfach. Der Seelenklempner, zu dem seine Kurzzeitexfreundin Gisela ihn geschleppt hatte, und der zu seinem Langzeittherapeuten geworden ist, bezeichnete Frank als affektflach. Gerade so, als wäre es eine Leistung zu toben, zu heulen und vor Freude in die Luft zu springen.

Susanne, eine andere Kurzzeitexfreundin hatte schluchzend ihren Koffer gepackt und ihn verlassen, nachdem er gesagt hatte: „Ich kann dich nicht riechen.“ Was Susanne nicht wusste war, dass Frank im Alter von zwölf Jahren aufgrund einer Virusinfektion seinen Geruchssinn verloren hatte und seither an Anosmie litt. Aber weg war weg, sowohl der Geruchsinn als auch Susanne. Wozu sich noch erklären?

Das alles lag lang zurück. Damals war Franks Welt – für seine Verhältnisse - noch in Ordnung gewesen. Hätte er nur nicht vergessen, „es“ in die Liste einzutragen.

Fortsetzung folgt

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
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