Montag, 10. September 2012

Die Liste - 2

Zum ersten Mal bekam seine Welt Risse. Wenn schon auf seine Listen kein Verlass mehr war, was blieb dann noch? Er ließ sich schwer auf einen Stuhl fallen und legte die Hände flach auf den Küchentisch. Eine halbe Stunde saß er so da, bewegte keinen Muskel und starrte aus dem Fenster seiner Zwei-Zimmer-Wohnung im dritten Stock. Normalerweise schätzte er diesen Moment. Er setzte sich oft mit einer Tasse Tee in seine kleine Küche, dachte über seine Listen nach und aß ein paar Kekse. Am Wochenende fand er besonderes Vergnügen daran. Da stand er pünktlich um acht Uhr auf, putzte sich die Zähne, klatschte sich etwas kaltes Wasser ins Gesicht, machte sich eine Kanne Kaffee, setzte sich in Unterhose an den zerkratzten Holztisch – und wartete. Laut einer seiner Lieblingslisten stand die Frau in der Wohnung gegenüber am Samstag durchschnittlich um 10 Uhr 09 auf; zumindest zog sie dann die Vorhänge in ihrem Schlafzimmer zurück. Am Sonntag wurde es schon mal 11 oder 12, der Schnitt lag bei 10 Uhr 53.
Heute aber war Dienstag, die Frau noch bei der Arbeit. Sie würde erst in zwei Stunden nach Hause kommen, um 19 Uhr 23, ungefähr.
Er hätte sie ohnehin nicht bemerkt. Die Häuserfassade verschwamm vor seinen Augen, die Fenster flossen ineinander, aus den geraden Linien wurde ein einziger Brei. Die Frau hätte in diesem Augenblick aus dem Fenster springen können, er hätte es nicht gesehen, trotz offener Augen. Die Gedanken schossen wie von einem Maschinengewehr abgefeuert in seinen Kopf.
Er sah sich neben seinem Therapeuten sitzen, beide schauen auf eine Leinwand. Der Therapeut drückt auf einen Knopf der Fernbedienung. Eine Excel-Liste erscheint, noch nackt, nur dafür gemacht, die Dinge des Lebens in geordnete Bahnen zu bringen. Er drückt wieder. Frank schaut durch Gitterstäbe in eine Gefängniszelle. Auf dem Bett sitzt ein – vermutlich amerikanischer - Häftling in orangefarbener Sträflingsuniform und schaut traurig in die Kamera.
„Auf welcher Seite sind Sie?“, hatte der Therapeut wissen wollen. Frank hatte begriffen. Der Psychoklempner hatte ihm weismachen wollen, dass die Listen ein Gefängnis waren, in das er die Welt sperrte. Oder sich selbst.
„Ich habe nichts verbrochen“, hatte Frank geantwortet.
Ein anderes Mal hatte er Frank einen Listen-Messie genannt. Ob er denn auch mal Listen löschen würde, wenn er sie nicht mehr brauchte. Frank war entsetzt über diese Idee. Wozu gab es schließlich Listen? In seinem Computer schlummerten an die zwanzig Ordner mit Listen, die auf Eis lagen. Zum Beispiel die, in die er seinen Zigarettenkonsum eingetragen hatte. Er rauchte nicht mehr, aber sollte er wieder anfangen, wäre er mit vier Klicks bei diesem Teil seines Lebens.
Wo lag der Fehler? Verdammte Scheiße, wie hatte er diesen Eintrag vergessen können? Seine Faust knallte auf den Tisch.

Fortsetzung folgt

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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