Dienstag, 25. September 2012

Die Liste - 12

Als es Zeit für seinen Nachmittagstee wurde, war Frank endlich wieder hoffnungsvoll. Seine zweite Mutter saß mit ausgestreckten Beinen erschöpft auf dem braunen Cord-Sofa und fächelte sich mit einer Zeitschrift Luft ins Gesicht.
„Ich hab mich immer gefragt, wer diesen Schund liest“, rief sie ihm in die Küche zu, wo er gerade das heiße Wasser in die Teekanne füllte. Frank bekam immer noch monatlich die neueste Ausgabe von Himmlische Wesen zugestellt. Er stellte sich vor, dass die Redaktion einer Zeitschrift, die sich mit nichts anderem als Engeln befasste, sofort hellhörig wurde, wenn eine treue Leserin nach über 20 Jahren plötzlich den Bezug einstellte. Vielleicht machten sie dann sogar besorgte Hausbesuche.
„Sie ist nun selbst so ein Wesen“, sagte er und stellte das Tablett mit Tee und Keksen auf den Wohnzimmertisch. „Hoffentlich ohne Flügel.“
„Wo ist sie eigentlich? Auf einem Friedhof ja wohl kaum?“ Marianne knabberte an einem Keks und stellte die Frage ganz beiläufig. Es fiel Frank schwer, sie anzusehen; zu groß war die Ähnlichkeit, zu unverarbeitet die Erinnerungen. Die Mixtur aus Angst und Hass ließ in ihm den Wunsch aufkommen, seine Hände um ihren Hals zu legen und sich gleichzeitig unter seinem Bett zu verstecken.

„Gut, dass Sie fragen“, sagte er und war froh, als er aufstehen konnte, um einen Aktenordner aus dem Bücherregal zu holen. Er entnahm ihm das oberste Blatt Papier und stellte ihn wieder zurück in den Schrank. „Es läuft so. Sie bekommen die ersten 500, sobald Sie diesen… nennen wir es Arbeitsvertrag unterschrieben haben. Und sobald der Arzt seine Unterschrift unter den Pflegegeld-Antrag gesetzt hat, die restlichen 1000.“
Die Nachbarin/Hexe/Mutter runzelte die Stirn, suchte vergeblich Franks Blick und studierte aufmerksam die Vereinbarung, die natürlich in Listenform gefertigt war. Einmal wanderten ihre Augen nach links, wo Frank fünf glatte Hunderter neben ihre Teetasse legte. „So, so“, sagte sie schließlich, „Sie haben ja wirklich an alles gedacht. Keine Fragen nach ihrem Verbleib, kein Wort zu einer dritten Person. Keine Angst, ich hatte ohnehin nicht vor, eine der Requisiten zu behalten. Aber eine Frage habe ich noch, die müssen Sie mir gestatten. Haben Sie Ihre Mutter umgebracht? Mit Mördern mache ich nämlich keine Geschäfte.“
Frank dachte über diese Frage nach. Die Todesursache war ungeklärt, klar. Es gab keinen Totenschein, auf dem „Plötzliches Herzversagen“ oder „Gehirnschlag“ stand. Frank dachte an die Verwünschungen seiner Mutter, ihre regelmäßige Feststellung, was für ein Pech sie mit so einem Sohn hatte, ihre knochigen Arme, die ihn umschlossen, die ledrige Hand, die ihn ins Gesicht schlug und ihr trauriges, verzweifeltes Gesicht, wenn sie ihm wieder mal erklärte, dass er nie eine Frau finden würde. Er war sich sicher, dass Kummer die einzig vernünftige Erklärung für Mamas Tod war.
„Nur in Gedanken“, antwortete er schließlich, und Marianne konnte Frank zum ersten Mal lachen sehen.

Fortsetzung folgt

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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