Die Liste - 18
Schon absurd, dachte er und zeichnete kerzengerade Linien um die blau-roten Notizen auf dem Kalender, bis jeder Buchstabe in ein kleines, quadratisches Gefängnis gesperrt war – seine wichtigsten Listen schrieb er in Excel-Tabellen -, da hab ich mein Leben lang so gut wie nichts mit Frauen am Hut, und jetzt liegt bereits die zweite tot in meiner Wohnung. „In meiner Wohnung!“, hallte es in seinem Kopf. Die Stimme seiner Mutter.
„Wir müssen die Polizei rufen.“
Er sah auf. Frau Leitner hockte neben der Ärztin auf dem Boden, zwei Finger hatte sie auf den Hals der armen Frau gelegt. Frank beugte sich vor und erkannte aufgeregt, dass die Finger sich bewegten, womöglich im Rhythmus eines Herzschlages? Aber als er all das Blut sah, das immer noch aus der Stelle sickerte, wo ein Kugelschreiber sie so unglaublich perfekt durchbohrt hatte, dass er die Aorta direkt neben dem Herzen zerfetzte, wusste er, dass Frau Leitners Finger bloß zitterten.
Er schüttelte den Kopf. „Wir dürfen vor allem nichts überstürzen. Ich mach uns jetzt erst mal eine schöne Tasse Tee. Sie werden sehen, Tee hilft immer. Und dann überlegen wir uns gemeinsam, wie wir vorgehen. Sie können sich schon mal eine Überschrift für die Liste überlegen.“ Er nickte ihr aufmunternd zu, stand seufzend auf und verschwand in der Küche. Dort verharrte er regungslos, legte den Kopf schief und wartete auf das Geräusch, wenn die Wohnungstür ins Schloss fiel.
Klack. Ihm würde nicht viel Zeit bleiben, das wusste er. Während sich das Wasser im Kocher mühte, auf Temperatur zu kommen, klappte er seinen Laptop auf und öffnete einen Ordner, der den Titel ‚Alternativen‘ trug. Die erste Tabelle hieß Ausland. Weiter unten fand er, wonach er gesucht hatte. Mit einem Doppelklick beförderte er seine geordneten Gedanken, die er vor langer Zeit gehabt hatte, auf den Monitor und schenkte ihnen erneut das Leben (er stellte sich dann immer vor, dass all die unzähligen anderen Listen eifersüchtig waren; wie Kinder in einem Heim, die neidisch mitansahen, wie eines ihrer Geschwisterchen auf Zeit von einem netten Paar an die Hand genommen wurde und eine zweite Chance geschenkt bekam).
Selbstmordarten stand ganz oben in fetten Buchstaben. Mit ‚Abfackeln‘ ging’s los.
Er legte einen Teebeutel in den Becher mit dem Aufdruck ‚Muttis Liebling‘, goss heißes Wasser darauf und kramte in der Schublade der Kommode nach einer Schachtel Streichhölzer, die er dort vor langer Zeit für Notfälle deponiert hatte.
Und dann war er froh, dass er sich nach dem Tod des Hamsters nie mehr ein Haustier angeschafft hatte.
Ende
„Wir müssen die Polizei rufen.“
Er sah auf. Frau Leitner hockte neben der Ärztin auf dem Boden, zwei Finger hatte sie auf den Hals der armen Frau gelegt. Frank beugte sich vor und erkannte aufgeregt, dass die Finger sich bewegten, womöglich im Rhythmus eines Herzschlages? Aber als er all das Blut sah, das immer noch aus der Stelle sickerte, wo ein Kugelschreiber sie so unglaublich perfekt durchbohrt hatte, dass er die Aorta direkt neben dem Herzen zerfetzte, wusste er, dass Frau Leitners Finger bloß zitterten.
Er schüttelte den Kopf. „Wir dürfen vor allem nichts überstürzen. Ich mach uns jetzt erst mal eine schöne Tasse Tee. Sie werden sehen, Tee hilft immer. Und dann überlegen wir uns gemeinsam, wie wir vorgehen. Sie können sich schon mal eine Überschrift für die Liste überlegen.“ Er nickte ihr aufmunternd zu, stand seufzend auf und verschwand in der Küche. Dort verharrte er regungslos, legte den Kopf schief und wartete auf das Geräusch, wenn die Wohnungstür ins Schloss fiel.
Klack. Ihm würde nicht viel Zeit bleiben, das wusste er. Während sich das Wasser im Kocher mühte, auf Temperatur zu kommen, klappte er seinen Laptop auf und öffnete einen Ordner, der den Titel ‚Alternativen‘ trug. Die erste Tabelle hieß Ausland. Weiter unten fand er, wonach er gesucht hatte. Mit einem Doppelklick beförderte er seine geordneten Gedanken, die er vor langer Zeit gehabt hatte, auf den Monitor und schenkte ihnen erneut das Leben (er stellte sich dann immer vor, dass all die unzähligen anderen Listen eifersüchtig waren; wie Kinder in einem Heim, die neidisch mitansahen, wie eines ihrer Geschwisterchen auf Zeit von einem netten Paar an die Hand genommen wurde und eine zweite Chance geschenkt bekam).
Selbstmordarten stand ganz oben in fetten Buchstaben. Mit ‚Abfackeln‘ ging’s los.
Er legte einen Teebeutel in den Becher mit dem Aufdruck ‚Muttis Liebling‘, goss heißes Wasser darauf und kramte in der Schublade der Kommode nach einer Schachtel Streichhölzer, die er dort vor langer Zeit für Notfälle deponiert hatte.
Und dann war er froh, dass er sich nach dem Tod des Hamsters nie mehr ein Haustier angeschafft hatte.
Ende
testsiegerin - 7. Okt, 17:09