Montag, 22. Juli 2013

(K)Ein Märchen

Er lebt im obersten Stockwerk eines alten, gemauerten Turms.
Nacht für Nacht verlässt er seinen Turm, um sich mit ihr im Wald zu treffen. Sie gibt sich ihm hin, wild und leidenschaftlich. Schmeckt seine Haut, überall, spürt ihn in sich und dabei gleichzeitig sich selbst wie nie zuvor. Wenn er bei ihr ist, fühlt sie sich lebendig und das Leben spannend. Danach rauchen sie eine Zigarette oder trinken ein Glas Wein. Alles ist gut. Irgendwann sagt sie ihm, dass sie ihn liebt. Er steht auf und geht zurück in seinen Turm. Nichts ist gut.
„Können wir uns einmal tagsüber treffen?“, will sie eines Nachts wissen, als er sich anzieht und auf sein Pferd steigt.
„Ich werde darüber nachdenken“, sagt er und reitet davon. Als sie ihn in einer der folgenden Nächte darauf anspricht, meint er knapp „Es ist noch zu früh. Vielleicht irgendwann.“ Als sie Monate später vorsichtig fragt, wann denn irgendwann wäre, schnaubt er sie an: „Nerv mich nicht.“

Trotzdem steht sie Tag für Tag vor seinem Turm und schaut zu ihm hoch. Hin und wieder blickt er kurz aus dem Fenster und lockt sie mit dem Zeigefinger zu sich. Ihr Herz klopft vor Vorfreude. Doch als sie näher tritt, sticht sie sich an der Dornenhecke. Durch ihren Aufschrei erwachen die zwei Grenzsoldaten und stellen sich ihr mit gekreuzten Lanzen in den Weg.
„Was hast du hier verloren?“ fragen sie. Nichts hat sie verloren, aber sie hat auch nichts gefunden. Nichts, was sie sucht. Vielleicht, weil sie nicht weiß, was sie sucht. „Verschwinde“, sagen die Grenzposten, „er will das nicht.“
Sie leckt sich das Blut von den Fingern. „Aber natürlich will er das“, flüstert sie, „er kann es sich nur nicht eingestehen. In Wahrheit hat er Sehnsucht danach, dass jemand mit einer Machete die Dornenhecken durchdringt und die Mauern seines Turms niederreißt. Ich muss nur ein bisschen vorsichtiger sein, nicht so drängend. Durch meine beständige Liebe wird er erkennen, dass es das Beste für ihn ist, sich auf mich einzulassen und mich zurückzulieben.“
Einer der Grenzsoldaten, der größere der beiden, hält sich den mit der Rüstung bedeckten Bauch vor Lachen. „Gute Frau“, sagt er, „Sie müssen sich verlaufen haben. Das Leben ist kein Märchen und unser Chef kein verwandelter Prinz.“

Der Andere, der Kleinere, schaut ihr tief in die Augen und fällt augenblicklich in ihren Blick. „Vergessen Sie ihn“, sagt er, „Er tut Ihnen nicht gut.“
Traurig geht sie weg, um am nächsten Tag wiederzukommen. Und am übernächsten. Und am überübernächsten. Dunkle Ringe hat sie unter den Augen, weil auch die nächtlichen Besuche des Turmbewohners ausgeblieben sind und er sie nur in ihren Gedanken besucht. Immer trauriger wird sie. Immer magerer auch.
„So kann es nicht weitergehen, schöne Frau“, sagt der freundliche Grenzsoldat mit den blitzenden Augen eines Tages, „Sie müssen etwas essen.“

Er bringt ihr mit Speck umwickelte Pflaumen. Am anderen Tag hat er frischgebackenes Brot mit Avocadocreme dabei. Oder rotbackige Äpfel, damit auch ihre Wangen wieder rosig glühen mögen.
„Ich liebe ihn doch so sehr“, sagt sie an die riesige Linde gelehnt, mit vollem Mund, „und er liebt mich auch, das spüre ich. Er braucht mich genauso wie ich ihn, mindestens. Er kann es nur nicht zeigen... Noch nicht“, fügt sie hinzu.
Sie macht dem Grenzer schöne Augen, denn sie hat eine Idee: „Seinen Wachen wird er ja wohl vertrauen. Bringen Sie mich doch zu ihm!“
Der Grenzsoldat schüttelt voll Verständnis und Mitgefühl den Kopf. „Wir dürfen Sie wirklich nicht zu ihm lassen. Strenger Auftrag vom Chef. Ich könnte meine Anstellung riskieren.“ Als er ihren treuherzigen Blick und den gesenkten Kopf sieht, beginnt das Blut in seinen Adern zu kochen und er lenkt er ein. „Gut, dann riskiere ich eben meine Anstellung“, seufzt er. „Manchmal hab ich meinen Job ohnehin satt. Eine nach der anderen muss ich ab...“ Er beißt sich auf die Zunge. Zum Glück hat sie nicht gehört, was sie nicht hören will. „Kommen Sie nach dem nächsten Vollmond im Morgengrauen“, fährt er fort, „er steht früh auf. Dann werde ich Sie zu ihm bringen und ein gutes Wort für Sie einlegen.“

Während sie aufblüht, vor Hoffnung, von der sie noch nicht weiß, dass sie trügerisch ist, wird das Gesicht des Grenzpostens von Tag zu Tag schmäler vor Sorge.
„Vergiss Sie“, sagt sein Kollege mit der Rüstung. „Sie tut dir nicht gut.“
„Ich muss mich einfach noch mehr bemühen“, sagt der Blitzäugige, „dann wird sie mich eines Tages lieben. Vielleicht liebt sie mich ja schon... und weiß es nur noch nicht.“

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

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