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Sonntag, 21. Dezember 2008

Überraschung dahin

Meine Tochter, Frau Dr. Blubb, liest ja hier regelmäßig mit.
Meinen Sohn interessiert mein Blog nicht.
Dachte ich.

Und ich dachte richtig. Mein Blog interessiert ihn nämlich auch nicht. Was ihn interessiert, sind Traktoren. Und Traktor-Kalender. Und als er nach Traktor-Kalendern googelte, stieß er zufällig auf meine Seite mit dem Artikel über meine Traktor-Kalender-Aktion. Und da las er, dass er zu Weihnachten Traktor-Kalender kriegt. "So was stellt man auch nicht in sein Forum", sagt er, und gibt an, den Beitrag sofort wieder weggeklickt und keine Ahnung zu haben.

Hm. Ich schätze, er wird sich trotzdem freuen. Und dass ich noch eine kleine Überraschung hab, das verrate ich hier nicht.

Samstag, 20. Dezember 2008

Jia mas!

Zwischen den Zehen Schlamm
statt Sand
der See nicht weiblich
der Kerl an den Lippen noch nicht männlich
und die Sehnsucht nach dem Meer
unendlich

Schilfgras rauchen
und den Wein zuckern
Lukas schmeckt nach Smart
nicht nach Samos

Ungeschickte Berührungen
vom langen Lucky
Vom Vater
Watschen

„Wehe Kind“, wütet er
„wehe, ich erwische dich noch einmal

wie du den Welschriesling
zuckerst.“


(A.M. See, aus "Das Segel des Loches")

Mittwoch, 17. Dezember 2008

stolz & scham

„a mensch“
hat die großmutter geseufzt
mich gegen ihre qualligen brüste gepresst
und trüb ins schlammige wasser
gestarrt

zwischen meinen beinen
kein strammer mast
bloß ein loch
statt stolz
nur scham

hier
im land der burgen
und des sees
zählte „a mensch“
nur als halber mensch

wie aber
stolz sein
auf etwas
das scham heißt?

(A.M. See)

Dieses Gedicht ist aus dem Lyrikband "Das Segel des Loches" von A.M.See.



Hier der Klappentext, entstanden im Blog von David Ramirer (https://davidramirer.twoday.net/stories/32-gratis-ideenspenden/), auch das Buchcover ist von ihm.

dicht / holen
wir die segel
wenden wieder
in die windschatten /
seite der nacht

fieren und frieren
nichts mehr im echo/
lot
lass uns abtauchen
und ankern
im schwarzen nichts


Dies ist eines von 23 Gedichten des schmalen Lyrikbändchens der im burgenländischen Seewinkel lebenden Autorin A.M. See. Gleichzeitig ist es der Anfang einer beklemmenden Reise in die Innen- und Außenwelten von Anna-Maria See, die mit bürgerlichem Namen Seewald heißt. Sie führt uns in die Abgründe ihrer Seele, in die Tiefen ihrer Ängste, zieht die Leser mit hinein in die Sümpfe ihrer Schuld und Scham. Mit ihr verfangen wir uns im Schilf der oberflächlichlichen Lüste und Sehnsüchte, die unerfüllt bleiben.
Nachdem schon ihr erster Lyrikband „Der Himmel des Sterns“ gleichermaßen Leserschaft und Kritik beeindruckt und aufgewühlt hat, setzt A.M. See mit diesem Werk noch eines drauf. Düster, doch niemals trostlos verarbeitet sie darin ihre triste Kindheit der Winter am Neusiedlersee, die ersten, glitschigen Küsse in den Schilfhütten und den Tod ihres im vorigen Sommer bei einem Sturm ums Leben gekommenen Segellehrers, mit dem sie eine ebenso obsessive wie geheime Lieb- und Leidenschaft verband.

„Ein Buch wie ein Gewitter am See. Schaurig-schön und gefährlich.“ (Pannonische Rundschau)


P.S. Das ist natürlich alles von mir, eh klar. A.M. See ist nur mein Lyrisches Ich.

Der Duft der Schote

Verena, 19:52
Lieber Bernd,
Ich komm grad nach Hause. Hatte einen anstrengenden Arbeitstag und einen noch anstrengenderen Punschtrunk am Christkindlmarkt. Bist du zufällig grad am Computer? Ich muss nämlich jetzt noch Vanillekipferl machen und mit einem Mail von dir ginge das viel leichter.

Vernena, 20:15
Hm. Schade, Bernd. Ich mach schnell mal den Teig, und wenn der rastet, dann raste ich auch und schau, ob in der Zwischenzeit ein Mail von dir da ist. Wer rastet, der rostet, sagt man, aber die Vanillekipferl sind mir noch nie gerostet. Wenn du die riechst, wird deine Seele warm und gesund.
Weißt du, Weihnachten ohne Vanillekipferl sind irgendwie wie Kugelschreiber ohne Minen. (oder Mienen?, das weiß ich nie.)
Ich küsse dich zärtlich.

Bernd, 20:16
Tja, tolles Timing. Jetzt wäre ich nämlich da. Aber du bist nicht da. Dabei mag ich es so gern, wenn du da bist, leicht beschwipst vom Punsch und so ein klein wenig oder ein groß viel hemmungslos.
Ich küsse dich auch. Die Stelle darfst du dir aussuchen. Kommst du eh gleich? Ich mag es nämlich auch gern, wenn du gleich kommst *grinst anzüglich*

Verena, 20:30
Du immer! Ich erzähl von Vanillekipferl und du denkst an Sex. Ich komm eh gleich. Musste mir von der Nachbarin Butter ausborgen. Gleich bin ich fertig mit Kneten und dann bin ich ein bisschen da.
Weißt du, Vanillekipferl haben für mich so etwas Friedliches. Sie versetzen mich in meine Kindheit zurück. Sie riechen nach Zeit und Stille, nach Geborgenheit und Harmonie. Nach Herzklopfen und Vorfreude.

Bernd, 20:31
Ich muss gestehen, ich bin froh, wenn ich nicht in meine Kindheit zurück versetzt werde. Mein Vater hat mal eine elektrische Rasenschere zu Weihnachten bekommen und alle Zimmerpflanzen damit gemäht und die Zweige des Christbaums mitsamt der Kabel für die elektrische Beleuchtung auch. Die Schere hat sehr gründlich geschnitten. Das war das letzte gemeinsame Weihnachtsfest in der Familie.
Ich will auch wieder Vorfreude aufs Kneten. Beeil dich bitte, ich müde und angeschlagen und möchte bald ins Bett. Hättest du nicht statt Butter einfach Margarine nehmen können?

Verena, 20:45
Sag mal, du spinnst wohl! Vanillekipferl kann man doch nicht mit Margarine machen. Das ist eine Todsünde. Das ist wie mit einem FPÖ-Kugelschreiber schreiben. Dann schon besser mit einem ohne Mine.
Es tut mir leid, dass du als Kind Scheiß-Weihnachten hattest. Aber meine musst du mir deshalb nicht verderben.
Bis gleich, ich muss Vanillemark aus der Schote schaben und mit dem Zucker vermischen. Ich liebe den Duft nach Vanille. Vielleicht solltest du auch ein paar Kipferl essen. Vanille wirkt beruhigend auf die Nerven und bekämpft Abgeschlagenheit.

Bernd, 20:46
Wusstest du, dass das Wort Vanille und das Vagina miteinander verwandt sind (Hülse, Schote)? Zweiteres wirkt zwar eher anregend als beruhigend auf mich, meine Abgeschlagenheit würde sie allerdings auch bekämpfen. Und der Duft deiner... (gerät ins Schwärmen)
Meine Oma hat die Vanillekipfer übrigens immer mit Vanillinzucker vom Hofer gemacht. Der ist wesentlich billiger, und du jammerst doch eh immer über Geldprobleme.

Verena, 21:00
Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich!
Und deine Oma auch. Die Vanille ist die Seele vom Vanillekipferl. So wie die Seele vom Kugelschreiber... boahh, du bringst mich auf die Palme. So sehr, dass mir nicht mal eine passende Metapher einfällt.
Ich geh jetzt die Kipferln wutzeln. Dauert.

p.s.Hast du eigentlich noch etwas anderes als Sex im Kopf?

Bernd, 21:01
Oh. Die Kipferl wirken bereits! Ich merke schon die beruhigende und harmonisierende Wirkung der Vanille und den friedlich-freundlichen-Geborgenheits-Kindheits-Erinnerungsdurft. Riech bitte nicht zuviel daran, und räum dann die scharfen Messer weg, sonst passiert heute noch ein Mord.

Bernd, 22:25
Bist du jetzt sauer auf mich oder wutzelst du noch?

Bernd, 23:02
Hey, ich hab das nicht böse gemeint. Komm her zu mir. Du hast ja Recht, Vanillekipferl mit Margarine und billigem Vanillinzucker sind absolut Scheiße. Sie sind wie dunkelschwarze Kugelschreiber vom Opus Dei mit oranger BZÖ-Mine, die nicht schreibt. Und essen kann man die auch nicht.

Bernd, 23:37
Verena, alles in Ordnung mit dir? Ich mach mir schon Sorgen. Oder hast du dich aus Kummer über meine flapsigen Bemerkungen mit dem Vanillekipferlteig erhängt? Wie kann ich Abbitte leisten? Du darfst mich zur Wiedergutmachung mit Vanillekipferln füttern, bis ich kotze, ja?

Verena, 00:17
Gar nichts ist in Ordnung, Bernd, gar nichts. Ich könnte heulen! Sie sind alle zerbrochen. Wahrscheinlich die negativen Schwingungen von dir. Danke.
Ich bin so sauer! Und ich geh jetzt ins Bett.
Schlaf gut!

P.S. Vielleicht kotzt man ja von den Pseudovanillekipferln deiner Großmutter. Aber von anständigen Vanillekipferln mit Butter und echter Vanille speibt man nicht. Die schmecken nämlich nach Frieden und Glück, Erfüllung, Kerzenschein, Freude und Geborgenheit. Wenn sie nicht zerbrochen sind.

Montag, 15. Dezember 2008

Schicksalsspiel

Aus aktuellem Anlass:


„Wer gibt?“ Michael legte Holz nach, um das Lagerfeuer am Lodern zu halten.
„Karel gibt“, sagte Gabi, zog an der Zigarette und pustete den Rauch durch den fast zahnlosen Mund.
Artig nahm Karel die Karten und mischte. Dabei fragte er sich, warum er sich überhaupt die Mühe machte zu mischen. Er bekam nämlich immer schlechte Karten. Ein ganzes Leben lang schon. Nicht nur an diesem Dienstag. Nicht nur hier im Straßengraben.


„Tante Luzie, du fährst echt wie der Teufel“, schimpfte Änschie von der Rückbank. „Mir ist schon ganz schlecht.“
„Entschuldige.“ Luzie van Pelt nahm den Fuß vom Gaspedal. „Ich hatte einen schlechten Tag.“ Die schlechten Tage in ihrem Leben häuften sich.
Den Prozess heute hatte sie zwar gewonnen, ihren Freund allerdings vor ein paar Wochen verloren. Ausgerechnet an die neue Richterin.



„Zwanzig, weiter.“ Rafi steckte sich das letzte Stück Fisch in den Mund. Dann gab er die leere Katzenfutterdose an Gabi weiter, die ihre Zigarette darin ausdämpfte.
„Pagat dazu.“ An Gabis schmalen Lippen wurde die Zigarette sofort von einer Schnapsflasche abgelöst.
„Du wirst noch dich tot saufen, Madel“, schüttelte Karel den Kopf. „Mecht nich wissen, wie aussieht deine Leber.“
„Alkohol schützt unsere Blutgefäße vor Verkalkung. Sechzig Gramm am Tag und man bekommt keinen Schlaganfall“, dozierte Rafi, der einmal ein richtiger Arzt gewesen war.
„Genau. Dann kratzt man nämlich rechtzeitig vorher am Leberkoma ab.“ Michael nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche.
Er reichte den Lambrusco vorbei an Karel zu Gabi. „Hier, trink das. Ist nicht so stark wie dein Fusel und wärmt auch.“
Karel fühlte sich ausgeschlossen. Ein vertrautes Gefühl für ihn. Er war nur hier, weil sie einen vierten Mann zum Tarockieren brauchten. Der, mit dem sie sonst spielten und dessen Namen er sich nicht merken konnte, war im Krankenhaus.
„Warum du bist nicht mehr Doktor, Rafi?“ Der Angesprochene spuckte verächtlich ins Feuer.

„And through it all she offers me protection, a lot of love and affection”, jaulte Luzie im Duell mit Robbie Williams, während ihre Nichte sich die Ohren zuhielt. „Whether I'm right or wrong.“
„Wrong! Total wrong!“, schimpfte Änschie lauthals. „Das ist ja nicht zum Aushalten. Du singst noch schlechter als du fährst.“
Luzie trat auf die Bremse, steuerte das Auto auf den Randstreifen und drehte sich wütend um.
„Nun hör mir mal zu, du verflixte Göre…“



„Hm. Warum ich kein Arzt mehr bin?“ Rafi kraulte sich im Bart und wickelte sich fester in seine Fliegerjacke. „Weißt du, Karel, Arzt sein ist nicht wirklich so toll, wie die Leute immer glauben. Die Querulanten haben mich in den Suff getrieben und zum guten Ende hab ich einen von denen vermöbelt.“

„Können wir eine Pause machen?“, fragte Michael, der die Geschichte längst kannte. „Ich hab heute noch nicht geübt.“
Gabi stöhnte. Der Tscheche nickte. Solange Michael Posaune statt Tarock spielte, würde Karel nicht verlieren. Es folgten Tonleitern.
„Kannst du nix gescheites?“, schimpfte Rafi.
„Ich muss mich warm spielen. Und die Posaune auch.“
„So wie du spielst, erweckst du noch die Toten aus den Gräbern.“ Rafi hielt sich die Ohren zu.
„Das ist nun mal mein Job.“
„Komm, spiel was schönes für mich“, bettelte Gabi mit süßer Stimme.


Änschie heulte. In Luzies Augen schummelten sich ein paar Tränen, in ihren Kopf schlich sich Selbstmitleid und in ihren Bauch nistete sich ein schlechtes Gewissen ein. Es war ungerecht, ihre miese Laune ausgerechnet an der Kleinen ihrer Schwester auszulassen.

Thoughts running through my head
And I feel that love is dead

Wenn sie nur tot wäre, die Liebe. Dann würde es nicht so verdammt weh tun.
„Ach, Änschie. Lass uns wieder gut sein, ja? Ich kann doch nichts dafür, dass deine Mama sich den Fuß gebrochen hat und ich dich jetzt zur Klavierstunde bringen muss.“


Während Michael eine schaurig schöne Version von Tears in Heaven intonierte, griff Gabi nach seiner Weinflasche. Sie war die unbestrittene Herrscherin über alles Flüssige. Früher regierte sie als Bademeisterin im Stadtbad. Inzwischen wurde sie vom Alkohol beherrscht und war jeden Tag so blau, wie das Wasser im Freischwimmerbecken. Nur die Lilie in ihrem Haar war weiß. Und aus billigem Kunststoff.
„Vorige Woche hat sich hier einer überschlagen“, sagte sie.
„Und?“ Rafi mischte die Karten bereits zum siebzehnten Mal.
„Sofort tot.“
Das medizinische Interesse in Rafi war noch immer lebendig. „Woran ist er gestorben?“
„Woher soll ich das wissen?“, fauchte ihn Gabi an. „Ich war ja nicht da. Sonst würde er nämlich noch leben. Und jetzt sei still, ich will zuhören.“
„Ist sich eh gefährliche Kurve, oder?“ Karel betrachtete den abgefahreren Randstein.
Rafi blickte vom Mischen auf. „Wären wir sonst hier?“


„Du lieber Himmel, schon fünf vor vier. Wir kommen zu spät. Und jetzt fährt da vorn noch ein Traktor.“
Luzie beschleunigte ihren Lancia Phedra und zog lässig auf die linke Spur.
„Ich glaub, ich muss kotzen“, jammerte Änschie.


Michael verstaute die Posaune sorgfältig in seinem Koffer. Alles andere hatte er seiner Frau gelassen. Das Haus. Das Geld. Das Auto. Die Kinder.
„So, weiter geht’s.“ Er warf ein paar alte Äste ins Feuer. „Jetzt hätt ich gern ein sensationelles Blatt, bitte.“
Karel seufzte. „Wer hätte das nicht gern?“
„Wehe, es meckert einer, ich hätte nicht genug gemischt“, grummelte Rafi. „Die Karten qualmen ja schon. Du rufst, Michael.“
„Zwanzig, weiter.“
„Solo pagat.“ Zum ersten Male sahen die anderen Karel lächeln.
„So spiel endlich!“ Gabi nuckelte an der Schnapsflasche.


„Kotz mir bloß nicht auf die Polster. Hier nimm das.“ Luzie hielt Änschie ein Plastiksackerl vom Hofer hin. Änschie würgte. Und damit ihr selbst nicht auch schlecht wurde, drehte Luzie die Musik lauter.

Wherever it may take me
I know that life won't break me

Plötzlich war es da. Das Auto. Änschie schrie und kotzte daneben. Luzie schrie und verriss das Lenkrad.


Michael spielte aus. Karel stach. Er hatte sieben hohe Tarock in der Hand, darunter Sküs und Mond, und den Herzkönig noch dazu. Das konnte nicht schief gehen. Aber es ging schief. Wütend schmiss Karel die Karten ins Feuer. Lag es tatsächlich an ihnen, dass er ständig verlor? Oder vielleicht einfach nur daran, wie er sie ausspielte?

„Jessas“, lallte Gabi. „Was geht denn da ab?“
Michael glotzte verdattert in ein Paar flackernde Scheinwerfer und hielt sich die Hand vors Gesicht.
Rafi sprang auf, stolperte aber über den Posaunenkoffer. „Herrgottsakra!“
Karel hatte längst den Straßenrand erreicht. Nicht umsonst war er mal tschechischer Jugend-Vizemeister im Hürdenlauf gewesen. Wie ein Fußballspieler grätschte er in den schleudernden Lancia und erwischte ihn am Hinterrad. Der Wagen drehte eine Pirouette, blieb aber auf der Straße.
Der entgegenkommenden Volvo schlitterte in die Beifahrerseite des Lancia. Der Fahrer blieb unverletzt. Der Bauer wusste nicht, wie ihm geschah, wich aber mit seinen Zuckerrüben ins Maisfeld aus.


Luzie zitterte am ganzen Körper. „Änschie!“, schrie sie im Schock, „jetzt kommen wir zu spät in die Klavierstunde!“
„Nicht so schlimm“, flüsterte Änschie. „Ich hab eh nichts geübt.“


„Sauber. Nicht mal Uriel hätte das geschafft.“ Rafi klopfte Karel anerkennend auf die Schulter. „Wo hast du das gelernt?“
„Nix gelernt. Engel kann das halt. Wenn ist nüchtern.“

Samstag, 13. Dezember 2008

Besondere Bedürfnisse

Die Bewohner des Wohnhauses für Menschen mit Behinderung haben sich in Schale geworfen. Heute ist ihre Weihnachtsfeier. Manche sind schon Stunden vorher aufgeregt. Ich bin auch aufgeregt, denn ich lese bei dieser Weihnachtsfeier, und Eleonore singt. Ein Mann zeigt mir zum siebenten Mal seinen Fotoapparat und fragt, ob er mich fotografieren soll. Oh ja bitte, das wäre schön. Wie groß ich die Bilder ausgedruckt haben will, möchte er wissen. Schicken Sie sie mir doch per Mail, sage ich. Ja schon, eh klar, aber wie groß? Groß. Sehr groß. So, das man mich gut sieht. Wir lachen. Ein anderer Mann – er ist Bandmitglied bei Integra Musica - kommt ins Büro, in dem wir uns noch besprechen und steht da wie angewurzelt. Die Leiterin der Einrichtung kann offensichtlich Gedanken lesen. „Nehmen Sie sich ruhig ein paar Kekse“, sagt sie und er und ich greifen zu.

Später bei der Feier – die Bühne liebevoll dekoriert, die Tische fein und lecker geschmückt – höre ich von den Festrednern ungefähr hundert Mal die Floskel Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Behindert zu sagen ist politisch unkorrekt. Moment mal, möchte ich schreien, habe ich keine besonderen Bedürfnisse? Ist mein Bedürfnis in der Badewanne Prosecco zu trinken und Spaghetti zu essen vielleicht gar kein besonderes Bedürfnis? Und haben die Festgäste – ob Bewohner, Angehörige, sogenannte Ehrengäste und die Betreuer und Betreuerinnen dort, nicht das ganz normale Bedürfnis, nicht von langen und langweiligen Festreden gequält zu werden?
Die sogenannten behinderten Menschen hören höflich zu, naschen von den Keksen, trinken Punsch, schauen in die Kerzen. Die salbungsvollen Worte, mit denen die Männer am Rednerpult beweisen, was für gute, anständige und christliche Menschen sie sind, die den von der Gesellschaft Benachteiligten Wärme und Licht schenken, interessieren sie wahrscheinlich genauso wenig wie mich, aber sie verhalten sich still und klatschen freundlich an den richtigen Stellen. Viele von ihnen wissen zwar nicht, wie man das Wort Respekt schreibt, aber er ist Teil ihres Lebens. Sie werden von den BetreuerInnen dort respektvoll behandelt und das geben sie einfach weiter.
Eine Frau der Band springt nach jedem der gespielten Stücke auf, reißt die Arme in die Höhe und verbeugt sich. Dafür bekommt sie Extra-Applaus.
Bei unserem Auftritt – in warmes rotes Licht getaucht, und wir passen wunderbar zur Dekoration – ist es ganz still im Saal. Ich genieße es, vor diesem Publikum zu lesen. Ich gebe viel her von mir, denn ich lese sehr persönliche Texte, von meinen Kindern, dem Tod meiner Mutter, dem Leben mit all seinen Geschenken und Widrigkeiten. Eleonore singt Stille Nacht, wie ich nie jemanden Stille Nacht habe singen hören. Alle haben Gänsehaut. Die Menschen singen mit, ohne dazu aufgefordert zu sein. Ich spüre, wie ich es uns gelingt, viele der Menschen da unten mit unseren Worten und Liedern zu berühren und bin selbst berührt. Danach zeigen die Menschen, wie berührt sie waren und berühren mich. Klopfen mir auf die Schultern. Streichen mir über den Kopf, wie einem kleinen Kind, das seine Sache gut gemacht hat. Ich hab meine Sache gut gemacht.

*
Ein paar Stunden später in einem verrauchten Lokal in Wien. Schmuckausstellung meiner Freundin, dazu eine Lesung von mir. Der Auftritt für halb zehn ist seit Wochen geplant, doch dann fällt der Lokalchefin, der man anmerkt, dass ihre Arbeit ihr keinen Spaß mehr macht, ein, dass um zehn die DJ-Line beginnt. Aber auch ohne DJ-Line ist es laut.
Auch der Ghetto-Blaster und das Mikro eines Freundes hilft mir nicht, den Lärm aus dem Schankraum zu übertönen. Weil meine Besinnlichkeit ohnehin am Nachmittag aufgebraucht worden ist, lese ich böse, ironische, witzige Texte. Am Tisch direkt vor mir sitzen ein paar Ärztinnen. Sie rümpfen die Nase darüber, dass ich sie in ihren Gesprächen – wahrscheinlich über die korrekte homöopathische Behandlung einer akuten Rhinitis – störe und einfach zu lesen anfange.
Die Gespräche über die Potenz der Globuli dauern exakt so lange, wie meine Lesung dauert. Wahrscheinlich ist es ihnen draußen im Schankraum zu laut zum quatschen. Meine Freundin ersucht sie durch ein höfliches „Pschscht!“ zur Besinnung zu bringen, aber sie sind das, was Ärzte so gern über ihre Patienten behaupten. Krankheitsuneinsichtig. Non-compliant.

Angeblich sind die Leute hier – die Ärztinnen, die gelangweilte Chefin des Lokals – alle normal. Wahrscheinlich können sie das Wort Respekt in dreiundzwanzig Sprachen von hinten nach vorne buchstabieren, auch in Braille-Schrift. Nur zum Leben erwecken können sie es nicht.

Am liebsten würde ich einfach abhauen.
Wegen Unbespielbarkeit des Platzes sozusagen. Bei starkem Wind fällt ja auch das Skispringen aus, warum also nicht wegen Lärms die Lesung ausfallen lassen? Warum nicht selbstbewussst aufstehen und sagen, unter diesen Bedingungen lese ich nicht.
Warum nicht?
Weil ich das nicht bin. Nicht selbstbewusst genug. Da sitzen auch ein paar Leute, die extra meinetwegen nach Wien gekommen sind. Die will ich nicht enttäuschen. Drum lese ich, obwohl ich lieber heulen würde. Zahle meine Getränke. Heule dann erst später zu Hause.

Ich bin ein Mensch mit besonderen Bedürfnissen. Dem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit. Zuwendung. Applaus. Respekt.
Behindert.

Sonntag, 7. Dezember 2008

Ich bin so scharf

I proudly present...

...Trommelwirbel...

...meine neue Schmuckkollektion "Hot & Spicy"

a
b
c

Schmuck: Sterling Silber 925, Zimt, Muskatnüsse, bunter Pfeffer (alles aus biologischer Produktion) produced by Barbara A. Lehner
Fotos: HerrWu

Freitag, 5. Dezember 2008

Der Rat der Ratlosen

Der erste Keinratgeber für fast alle Lebenslagen
von B.A.Testsiegerin



Sie haben Probleme mit Prä- und Postpubertierenden? Fühlen Sie sich zu dick? Sie lieben drei Männer und zwei Frauen gleichzeitig? Können kein Ikea-Regal zusammenschrauben? Sie sind sich nicht sicher, ob die Farben ihres Sofas mit Ihren Ohrringen harmonieren? Sie möchten raus aus der Schuldenfalle? Sie haben eine Million gewonnen und wissen nicht, wohin damit?

Sie haben alle auf dem Markt befindlichen Ratgeber sorgfältig studiert und fühlen sich nach all den guten Ratschlägen in erster Linie eines: nämlich erschlagen?
Sie kriegen es auch nach Lektüre dieser Bücher nicht hin, satt, glücklich und schlank zu sein? Die Sache mit der Ehrlichkeit in Beziehungen hat nicht funktioniert? Die Katze pinkelt noch immer aufs Feng-Shui-Sofa? Die Bestellung aus dem Universum ist zwar bezahlt, aber nicht geliefert worden?
Sie haben nach den Tipps all dieser verdammten Experten und Besserwisser das Gefühl, Sie sind der einzige Mensch in den unendlichen Weiten des Weltalls, der diese Sache mit dem Leben nicht in den Griff kriegt, obwohl das offensichtlich mit ein paar Tricks und kniffen ganz einfach wäre? Sie fühlen sich jetzt erst recht als Versagerin? Als schlampige Schnepfe, unkonsequente Rabenmutter, zerstreute Zicke, infantile Idiotin? (Mehrfachantworten möglich).
In vielen praktischen Beispielen erläutert die Autorin dieses humorvollen Keinratgebers, wie wichtig Ihre Schwächen nicht nur für die Buchindustrie, sondern vor allem für Sie selbst sind. Denn nicht die Perfektion macht Menschen liebenswert und das Leben lebenswert, sondern die Ratlosigkeit.


Dieses Buch hilft Ihnen nicht aus der Krise. Aber es zieht Sie wenigstens nicht weiter hinunter. (Bild am Montag)

Guter Rat ist teuer. Schlechter Rat ist billig. Was aber kostet Keinrat?
Jetzt als Taschenbuch nur € 10,90


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Auf die Idee gebracht hat mich David Ramirer mit seiner Weihnachtsaktion "Wir basteln einen Klappentext".
Was meint ihr? Soll ich mich tatsächlich an den Keinratgeber wagen? Gäbe es dafür ein potenzielles Zielpublikum?

Mittwoch, 3. Dezember 2008

Ebbe & Flut

Sie hat es geschafft. Und keiner Sau (abgesehen Rosmarin, die aber natürlich keine Sau ist) etwas gesagt. NICHT MAL MIR!

Die Frau, die man für meine Mutter hält, die sich aber nicht so benimmt, die Frau, die man für die Oma meiner Tochter hält und die tatsächlich der Pseudo-Enkeltochter Kuchen bäckt und Lebensweisheiten mit auf den Weg gibt, die Frau, mit der ich sieben Tequila trinken kann und jede Menge Sekt, die Frau, die vor ein paar Jahren in mein Leben gestolpert ist und hoffentlich noch lange drin verweilt,...

Die Frau, die lauter lacht als der Rest vom Dorf, die Frau, die bei jedem Film ständig dazwischenquatscht, selbst aber absolute Ruhe einfordert, die Frau, die einige ihrer Gedanken und viele Pflanzen mit mir teilt, die Frau, die schon lange auf den Hund gekommen ist, die von sich behauptet, Tiere mehr zu lieben als Menschen, aber trotzdem nicht im Tier-, sondern in einem Wohnheim für behinderte Menschen arbeitet,...


Die Frau, die sich von ihrem Pferd den Daumen abbeißen hat lassen und kotzen musste, weil das Pferd den Daumen geschluckt hat, die Frau, der - meistens - wurscht ist, was andere über sie denken und reden, die Frau, die mein Groupie ist, meine Freundin,meine Vertraute, meine Ersatzmama, die Ersatzoma meiner Kinder...

Diese Frau hat... tamtaramtam... *Trommelwirbel*... EIN BLOG!

GEZEITEN

heißt es und ich vermute, es handelt von den Aufs und Abs im Leben.
Ebbe & Flut hieß die Kneipe, die sie in Wien gehabt hat, und die ging lang auf, irgendwann aber ab. Aber das war vor meiner Zeit. Sie selbst ist mehr wie die Flut, nur auf ihrem Konto ist permament Ebbe. Nicht in ihrem Geist. Nicht in ihrem reichen Erfahrungsschatz. Nicht in ihrem Herzen. Und bestimmt auch nicht in ihrem neuen Blog.

Weise Worte, wahr

"Schreiben ist wie küssen, nur ohne Lippen. Schreiben ist küssen mit dem Kopf." Aus Gut gegen Nordwind - Daniel Glattauer

Selbstgeschrieben


Barbara A. Fallnbügl (mein Mädchenname) Monika Pellkofer- Grießhammer
Jakob und der gewisse Herr Stinki


Barbara A. Lehner (Text) Eleonore Petzel (Musik)
Von Herzen und Seelen - CD

Neu

Wie geht es unserer Testsiegerin?
Wie geht es unserer Testsiegerin?
Lo - 5. Feb, 17:25
Vielen Dank! Du findest...
Vielen Dank! Du findest mehr von mir auf facebook ;-)
testsiegerin - 30. Jan, 10:40
Kurschatten ' echt keinen...
auch wenn diese deine Kur schon im Juni...xx? war,...
kontor111 - 29. Jan, 09:13
zum entspannen...Angel...meint
wenn ich das nächste Mal im Bett liege, mich verzweifelt...
kontor111 - 29. Jan, 08:44
"Pinguin"
"Pinguin"
bonanzaMARGOT - 11. Mär, 11:11
Sleepless im Weinviertel
Ich liege im Bett. Ich bin müde. Ich lese. Eine Romanbiografie...
testsiegerin - 13. Jan, 11:30
... ich könnte mal wieder...
... ich könnte mal wieder eine brasko-geschichte schreiben.
bonanzaMARGOT - 8. Jan, 07:05
OHHH!
OHHH! Hier scheint bei Twoday etwas nicht zu stimmen. Hoffentlich...
Lo - 7. Jan, 13:36

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