Vorwort: Seit kurzem führe ich ein Forschertagebuch. Das heißt, ich nehme mir jeden Tag - noch im Bett - 15 Minuten Zeit und schreibe. Wichtig dabei ist, dass die Schreibhand (in meinem Fall die Schreibhände) ständig in Bewegung bleibt und man unzensiert alles aufschreibt, was einem durch den Kopf geht.
Das soll den Bilck fokussieren, Schreibhemmungen (o.k., ich hab keine, aber es könnte ja werden) abbauen und Zugang zum mittleren Unbewussten schaffen.
Wie auch immer, ich finde zumindest Teile dieser Texte zu schade, um sie in meinem Forschertagebuch zu verstecken, vielleicht ist es auch nur mein Exhibitionismus, der mich dazu treibt, manche davon trotzdem zu veröffentlichen.
Das Kind, das ich einmal war
Lieb, sagt man, war ich, und das klingt beinahe wie nett. Ich mag kein liebes Kind gewesen sein. Ein wildes, abenteuerlustiges, schlimmes, schwieriges Kind mag ich gewesen sein. Aber wen auch immer ich frage, ich war einfach ein liebes, unkompliziertes Kind. Eins, das schon mit zwei Jahren in den Kindergarten gegangen ist, und zwar gerne, eines, das sich nicht vor dem Nikolaus gefürchtet hat, eines, das brav gelernt hat, viele Sternchen und römische Einser im Schulheft gehabt und der Lehrerin die Tasche nach Hause getragen hat. Ich war ein Kind, das keine Probleme gemacht hat. Eins, das auch bei ihrem dreimonatigen Krankenhausaufenthalt alle ins Herz geschlossen haben.
Dabei wäre ich so gerne ein wildes, zorniges, zügelloses, waghalsiges Kind gewesen. Ich möchte ein aufregendes Kind gewesen sein, eins, wo alle die Köpfe geschüttelt und gestöhnt hätten: „Ein schwieriges Kind“, und sie hätten die Schultern gezuckt und gesagt „na ja, wir lieben sie trotzdem.“ Ich wäre so gerne trotzdem geliebt worden, nicht einfach so, weil ich war. Weil ich einfach war. Gut, ein bisschen faul und schlampig war ich immer, aber unkompliziert.
Ich hatte keine Wutanfälle als kleines Mädchen, ich zog brav alles an, was Mama mir hergerichtet hat, sogar die gestrickten roten Hotpants, im Partnerlook mit meiner Schwester; ich hab brav Bitte und Danke gesagt und bei meiner Oma im Bett geschlafen, obwohl sie unter dem überdimensionalen Marienbild nicht gut gerochen und ständig mit dem strafenden Gott gedroht hat. Ich hab brav die Hände gefaltet und inbrünstig gebetet und dem Jesuskind nicht ins Gesicht gespuckt.
Dabei hätte ich so gerne aufbegehrt. Nicht damals, damals war ich zufrieden, ja, ich hatte eine scheißglückliche Kindheit, heidelbeerpflückend im Wald, aber rückblickend wäre ich gern anders gewesen.
Ich beneide sie immer noch, die Menschen, die eine schwierige, spannende, ungestüme und wilde Kindheit hatten. Die keine Nacht durchgeschlafen und um vier Uhr früh Wutanfälle gehabt haben, weil man ihnen den falschen Schnuller in den Mund gesteckt hat. Die, die mit dem Kopf ein Loch in die Wand bohren wollten und mit Gummistiefeln im frischbezogenen Bett gehüpft sind. Die in Betragen einen Dreier hatten und einen Termin mit der Schulpsychologin und die den Blattspinat aufs weiße Tischtuch gespuckt haben.
Das Problem war, dass mir der Spinat und die eingebrannten Erdäpfel und alles andere, was man mir vorgesetzt hat, immer geschmeckt hat. Wozu es also ausspucken?
Ich beneide meine Tochter um ihre wilde, gar nicht brave Kindheit.
Sie leidet darunter, dass ihr immer gesagt wird, wie erstaunlich es ist, dass aus ihr so eine liebe, nette, junge Frau geworden ist, obwohl sie so ein schwieriges und anstrengendes Kind war. Dass aus ihr etwas geworden ist. Als müsse man erst etwas werden im Leben, als reichte das Sein nicht aus.
Sie ist wunderbar, witzig und liebenswert, trinkt keinen Alkohol und nimmt keine Drogen, lernt für Prüfungen, begleitet mich bei Waldspaziergängen und ritzt sich nicht.
Ich liebe sie trotzdem.
testsiegerin - 2. Jul, 14:31
Morgens liege ich im Bett und frage mich, welche Worte ich heute anziehen soll. Ich wühle in der Unterwortlade. Worte wie Slips, in die ich gedankenlos hineinschlüpfe. Bauchwegworte, die Unangenehmes wegpressen. Nehme ich sexy Stringworte, die einschneiden, oder bequeme, lasche, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht sind, in denen ich mich aber wohl fühle? Worte wie schlabbrige Jogginghosen. Oder doch lieber Strumpfhosenworte, die Ungesagtes verhüllen. Ich lasse sie auf der Zunge zergehen. Hauchdünn und transparent. Sie zerreißen immer wieder. Ich kann nicht mit ihnen umgehen, mit den 8-Den-Worten, bin nicht vorsichtig genug mit ihnen, zu ungestüm. Ich ziehe sie mit meinen bloßen, rauen Gedanken an anstatt mit feinen Sommerhandschuhen. Ich suche die richtigen Worte. Aber ich finde sie nicht. Durchwühle die Wortschatzkiste. Ärgere mich, weil ich abends alles so wahllos hineingeschleudert habe. Ich sollte sorgsamer umgehen mit den Worten, ich weiß.
Und jetzt? Schönekleiderworte. Große Schönekleiderworte und kleine. Kurze oder lange. Die Kleiderworte kleiden mich. Verkleiden mich auch. Wirken. Gewirkte Worte. Wirkworte. Wie wirken sie? Vielleicht hänge ich die Schönenkleiderworte wieder zurück in den Wortschrank und ziehe stattdessen wärmende Worte an? Weiche, warme, tröstende, freundliche Worte. Worte, die anderen gut tun.
Wärmende oder wirkende? Bequeme oder schöne? Jeden Tag dieselbe Frage, bevor ich mich dem Tag ausliefere. Trotz aller Überlegungen sprudeln sie dann einfach so aus mir heraus. Lustige Wörter, normale, neue manchmal, gebrauchte. Dreckige Worte auch. Zerknitterte, ungebügelte Worte. Aber soll ich den Bügeltisch aufstellen wegen ein paar Worten? Zerknittern sie nicht im Laufe des Tages ohnehin? Ich werfe sie mir lässig um. Werfe sie um.
Es gibt Worte, die ich jeden Tag anziehe. Grundworte. Grundwerte. Worte ohne Grund. Slipworte lasse ich manchmal weg und fühle mich verrucht. Weil dann die anderen, die äußeren Worte, einfach so auf der nackten Haut aufliegen. Es spürt sich gut an. Verboten, weil nichts meine Nacktheit schützt.
Heute früh bin ich in Frauenworte geschlüpft. Nicht sexy sein, sondern bequem und ehrlich. Bioworte. Fair gehandelt. Nahe Worte zu einer der besten Freundinnen. Es ging nicht darum, zu wirken. Sondern zu sein. Nicht schillern müssen, sondern in schöne, bequeme, biofairgehandelte Worte schlüpfen.
Welche gehören mehr zu mir? Die poetischen, schillernden gewirkten Worte, die scheinen?
Die meinen.
testsiegerin - 30. Jun, 20:01
Unser drittes Stück, die dritte Aufführung. Wenn ihr es bisher noch nicht geschafft habt, es mit Freunden noch einmal sehen möchtet und euch von der Kritik von Steppenhund nicht abschrecken habt lassen, sondern euch ein eigenes Bild machen möchtet, auf nach Stockerau:
testsiegerin - 20. Mai, 10:11
Falls ihr am Donnerstag noch nichts vor habt...
testsiegerin - 13. Mai, 21:04
Ich schreibe ja nicht nur, ich spiele ja auch Theater. Und schreibe für die Theaterworkshops Szenen, die wir dann spielen. Jetzt versuche ich, aus diesen Szenen Geschichten zu machen. Mal sehen, ob es gelingt.
Im aktuellen Theaterprojekt geht es um göttliche Archetypen. Um welche Göttin handelt es sich in dieser Geschichte?
„Danke, dass Sie so schnell gekommen sind, Frau Doktor, ich wollte Sie wirklich nicht belästigen.“ Der Bankdirektor persönlich schüttelt Herta, die ihren akademischen Titel durch Heirat erworben hat, die Hand und bedeutet ihr, sich zu setzen. Sie aber bleibt stehen.
„Dann tun Sie das auch nicht. Glauben Sie, ich habe nichts anderes zu tun?“ In Wahrheit hat sie tatsächlich nichts anderes zu tun, zumindest nichts sinnvolles, aber das gesteht sie nicht einmal sich selbst ein. Sie vertrödelt ihre Tage damit, ihr Personal herumzukommandieren, geht zur Kosmetikerin, zum Friseur oder zur Fußpflege. Sie wartet auf ihren Mann. Bis er von seiner Arbeit nach Hause kommt, oder von einer Auslandsreise, und ein Stück seines Ruhms auf sie herabfällt. „Um die Bankgeschäfte kümmert sich mein Gatte.“
„Genau das ist das Problem. Ich kann ihn nicht erreichen.“
Ich auch nicht, denkt Hera. Er hat nicht abgehoben, als sie nach dem Anruf der Bank versucht hat, ihn zu erreichen. Er hat auf ihre SMS und Mails nicht geantwortet, obwohl sie geschrieben hat, dass es wirklich dringend ist. Er ist nie erreichbar, wenn er unterwegs ist. Er brauche Ruhe und seine ganze Konzentration für die Arbeit, sagt er, wenn er das Haus verlässt und küsst sie auf die Wange. Sie kann sich nicht erinnern, wann er sie zuletzt auf den Mund geküsst hat.
„Er ist wieder in Amerika. Botulintoxin-Kongress in Baltimore.“ Sie sonnt sich in seinem Glanz. „Warten Sie eben, bis er wieder zu Hause ist. Ich kenne mich nicht aus mit Aktien und Anleihen und Wertpapieren. Kaufen – verkaufen, was weiß ich?“ Bei ihren Kleidern und Schuhen entscheidet sie sich immer für Kaufen, mit der goldenen Kreditkarte des Gatten. Man gönnt sich ja auch sonst alles.
Der Bankdirektor steht auf, nestelt nervös an seinem Sakko und kommt auf sie zu. Seine Stimme ist warm und ruhig, aber sie hört die Anspannung darin. „Also… es… es gibt keine Aktien und Wertpapiere mehr.“
„Wie bitte?“
„Alles weg.“
Es zieht ihr den Boden unter den Füßen weg. Alles weg? Sie setzt sich. In ihrem Kopf rattern die Gedanken, ein Zahnrad versucht, sich in das nächste einzufügen und so etwas wie Logik in Bewegung zu setzen, aber die Zahnräder berühren einander nicht und die Gedanken gehen im Kreis.
„Das verstehe ich nicht“, sagt sie und meint ausnahmsweise, was sie sagt. Neben der Angst nimmt ganz am Rand die Hoffnung Platz. Die Hoffnung, dass das alles nichts mit ihrem Leben, nichts mit ihrem Mann zu tun hat. „Hat Ihre Bank Liquiditätsprobleme?“
„Ich fürchte, Sie haben Probleme, Frau Doktor.“ Der Bankdirektor windet sich bei jedem Wort und hält sich an seinen Händen fest.
Die Angst rempelt die Hoffnung von der Bank. Die schlägt wild um sich und tobt und schreit. Herta möchte am liebsten mittoben und mitschreien, aber das gehört sich nicht für eine Frau ihres Standes. Sie streift ihr steifes Kleid glatt und steht auf. Die Nachricht kann sie nicht klein reden, also versucht sie es mit dem Überbringer. „Was erlauben Sie sich!“
Die Brust des Bankbeamten hebt sich, um einzuatmen. Gefühlte fünf Minuten später atmet er aus. „Ihr Mann hat alle Werte aufgelöst und auf ein Konto in Liechtenstein transferiert. Auch Ihr gemeinsames Konto ist leergeräumt.“
Vielleicht wurde ihr Mann erpresst und wollte sie nicht beunruhigen. Oder er hat das Geld ja nur aus Angst vor der Einführung der Vermögenssteuer in Sicherheit gebracht und ist noch nicht dazugekommen, mit ihr darüber zu reden. Er hat sich schließlich oft genug über diese linken Spinner aufgeregt, die den hart arbeitenden Leistungsträgern das Geld aus der Tasche ziehen wollen. „Das… das muss ein Irrtum sein! Das klärt sich bestimmt auf.“
„Ich fürchte nicht.“ Der Bankdirektor reicht ihr ein Schriftstück. „Ist das die Unterschrift Ihres Mannes?“
Herta reißt ihm das Blatt Papier aus der Hand und studiert sorgfältig die Unterschrift. Natürlich erkennt sie beim ersten Blick, dass die Unterschrift ihres Mannes echt ist. Der erste Buchstabe ihres gemeinsamen Familiennamens, der die anderen weit überragt und die Macht und Stärke ihres Mannes demonstriert. Die Macht und Stärke, aus der auch Herta ihre Lebensenergie zieht. Sie hält sich am Blatt fest und sinkt in den Stuhl.
„Ja, schon.“ Leise ist ihre Stimme jetzt, ihre Verletzlichkeit hat sich durch ihren Stolz gebohrt und dringt an die Oberfläche.
„Frau Doktor“, der Bankdirektor berührt sie tröstend am Oberarm, aber Herta schüttelt ihn zornig ab, der einzige, von dem sie sich berühren lässt, ist ihr Mann. „Wir können weder das Gehalt für Ihre Angestellten nicht mehr überweisen und Ihre Stromrechnung auch nicht“, fährt der Bankdirektor fort. „Da Sie selber kein Einkommen haben, können wir Ihnen auch keinen Kredit gewähren. Haben Sie bei einer anderen Bank Ersparnisse, um über die Runden zu kommen?“
Sie zuckt resigniert die Schultern, sie hat keine Ahnung, wie und wo ihr Mann ihr Vermögen angelegt hat. Bisher hat sie sich noch nie mit diesen Dingen auseinandersetzen müssen. Bisher hat es gereicht, seine Frau zu sein, die ihm den Rücken für die Karriere freihält, die schön und repräsentativ ist und sich im Hintergrund hält. „Aber… darum hat sich doch immer mein Mann gekümmert. Er ist ein berühmter Arzt, Professor für Psychiatrie und Neurologie, hat eine Menge Fachbücher geschrieben und…“ Sie beißt sich auf die Lippen, spürt, dass das im Moment alles nichts mehr zählt. Im Moment ist sie zurückgeworfen auf sich selbst. Aber wer ist sie ohne ihren Mann? Ihr ist, als würde sie sich auflösen.
„Das ändert nichts an der Tatsache, dass er ein Doppelleben geführt hat.“ Der Bankdirektor schluckt. „Unter uns gesagt, Frau Doktor, ich hab mir die Konten angesehen. Ich dürfte Ihnen das nicht sagen, aber seit drei Jahren überweist er regelmäßig größere Summen an eine Kathleen Miller.“ Pause. „Seit einem halben Jahr zusätzlich Unterhalt für Emily Miller.“
„Sie elender Lügner!“ Jetzt ist Herta egal, was sich für eine Dame ihres Standes gehört. Die mühsam aufrechtgehaltene Contenance verpufft. Da ist nur noch Schmerz. Schmerz und Wut. Wie rasend schlägt sie mit ihrer Handtasche auf den Bankdirektor ein. „Was sind das für Unterstellungen! Das würde er mir niemals antun, er liebt mich doch! Sie wissen vielleicht alles über Geld, aber was wissen Sie von Liebe?“ Sie tobt, schluchzt und schreit. „Der kann mir doch nicht einfach alles wegnehmen!“ Herta merkt nicht, dass der Bankdirektor zwei Angestellte um Hilfe gerufen hat, die sie zu Boden drücken. „Ich bring sie um, dieses Luder!“, brüllt sie, „diese Kathleen. Mitsamt ihrem Balg bring ich sie um!“
Dann wird ihr Körper, was sie längst ist. Ohnmächtig.
testsiegerin - 1. Mai, 22:37
Ich bin total glücklich. Und unendlich stolz darauf, Teil der Toll3sten Weiber zu sein.
Danke, Leben.
testsiegerin - 4. Apr, 10:04
Was mein Leben grad so richtig bereichert, ist das Warten. Das Arbeiten mit den Toll3sten an unserem mittlerweile dritten Programm. Drei Proben hatten wir in den letzten Tagen, drei Proben, gutes Essen, Prosecco und sehr intensive, aber auch sehr lustvolle Arbeit am Stück, das wir ja nicht nur gemeinsam spielen, sondern auch gemeinsam geschrieben haben.
"Schreiben wir doch mal eine gemeinsame Geschichte", hab ich vorgeschlagen und Lamamma, die Bescheidenheit in Person, hat gemeint: Warum nur eine Geschichte? Lieber gleich ein richtiges Stück!
Intensive Monate liegen hinter uns, wir sind alle drei total reingekippt ins Schreiben, in die Geschichte, manchmal war es gar nicht so einfach, die Figuren aus der Hand zu geben oder dass sie sich anders entwickelt haben, als man für sie vorgesehen hat.
Um den Figuren dann noch mehr Leben einzuhauchen, haben wir zu ihnen Geschichten geschrieben, die wir ja auch in unseren Blogs veröffentlicht haben. Diese Geschichten gibt es jetzt gesammelt als Band.
Die Generalprobe war ganz wunderbar. Wir waren so gut wie noch nie zuvor. Ich glaub nicht daran, dass eine gelungene Generalprobe zu einer verpatzten Premiere führt. Außerdem haben wir eh ein paar Mal gepatzt.
Noch ein paar Mal schlafen, dann ist die Premiere. Ausverkauft sind wir. Ich freu mich wahnsinnig darauf. Und gleichzeitig hab ich ein bisschen Angst. Nein, nicht vor der Aufführung, denn ich hab das Gefühl, das, was uns so Spaß gemacht hat, wird auch den Leuten gefallen. Was mir Angst macht ist das danach. Dass da was fehlt im Leben.
Ich glaub, so ähnlich ist das Gefühl, wenn Kinder flügge werden und ausziehen ;-)
testsiegerin - 28. Mär, 20:00
Einmal, zweimal wichen ihre Augen meinem Blick aus, beim dritten Mal blieben sie an ihm hängen. Ihre Pupillen weiteten sich und ihre Regenbogenhaut schien zu flackern. Wir schauten und schwiegen, ich jedenfalls länger als sie.
„Ich kann Gedanken lesen“, sagte sie leise.
„Das glaube ich nicht“, antwortete ich noch leiser.
„Warum nicht?“
„Weil Sie nicht erröten.“
„Um mich zum Erröten zu bringen, müssten Ihre Gedanken schon ein bisschen schmutziger sein.“
Ihre Stimme und ihr Lächeln hatten sich jetzt so verändert, dass es mir ohnehin schwer gefallen wäre, an etwas weniger Schmutziges zu denken. Ich fixierte weiter ihre Augen, obwohl ich zu gern auf ihre Brüste oder ihre Schenkel geschaut hätte.
„Was finden Sie denn schmutzig?“
„Meine Fenster. Das Innere meines Autos. Den Küchenboden. Meine Strumpfhose ist auch schmutzig. Hier.“ Sie schob ihren Rock ein Stückchen höher. „Ich hab ich mich vorher in der Konditorei angepatzt. Passiert mir immer, meistens, wenn’s am wenigsten passt.“
„Und sonst? Was finden Sie sonst schmutzig? Also meine Gedanken betreffend?“
„Ich finde nichts, was mit Erotik und Sex zu tun hat, schmutzig.“
„Wer sagt, dass ich an Sex und Erotik gedacht hab?“
„Ich sagte doch, ich kann Gedanken lesen.“ Sie rieb die Spitzen ihrer Finger an den Schläfen, und schloss die Augen. „Sie Schlingel“, sagte sie jetzt und lachte. „Sie haben gedacht, dass Sie meine Beine auseinanderdrücken und mit Ihrer Hand meine Schenkel hochwandern wollen. Und dann Ihre Hand auf meine Scham legen. Aber Sie bewegen sie nicht, die Hand, sondern warten nur, bis ich ganz nass werde. Und dann haben Sie gedacht, dass Sie, wenn es wohlig warm und nass ist, einfach Ihren Finger in meine Möse schieben, ganz tief.“
Jetzt errötete ich, nicht sie. Ich fühlte mich ertappt. „Nein, das stimmt nicht. Das Wort Möse hab ich so nicht gedacht.“
„Warum nicht?“
„Weil Sie dazwischen geredet haben, bevor ich das denken konnte.“
„Lassen Sie sich nicht stören. Denken Sie ruhig daran.“
„Gefällt es Ihnen denn, wenn ich an Ihre Möse denke?“
Sie nickte. „Ja.“
„Ich denke, dass sie grad sehr feucht ist.“
„Nun ja. Feucht ist untertrieben.“
Während sie das sagte, schob sie den Rock ganz langsam immer weiter hoch, so dass ein dunkler Fleck auf ihrer Strumpfhose sichtbar wurde, ganz oben, wo sich ihre runden Schenkel aneinander schmiegten. Dort wo sich ihr Schamhügel und ihre Schamlippen jetzt durch Stoff ihrer Strumpfhose abzeichneten.
Als ich wieder aufblickte, stellte ich fest, dass auch sie mir zwischen die Beine schaute.
„Würden Sie ihn gern anfassen?“
„Ja“, sagte sie, „möchte ich gern. Nicht nur anfassen. Ich würde ihn auch gern zwischen meine Lippen nehmen und daran schmecken. Ihn langsam hineingleiten lassen, genießen, wie er in meinem Mund noch härter wird und ihn lutschen und Ihnen das Hirn rausblasen.“
Nicht mehr notwendig, dachte ich, also das mit dem Hirn. Wie konnte sie diese Wörter mit einer Leichtigkeit aussprechen, mit der ich sie nicht einmal zu denken wagte? Während sie sprach, streichelte sie ihren Oberschenkel und leckte sich über die Lippen. Ich öffnete den obersten Knopf meines Poloshirts.
„Ja, das würde ich gerne“, fuhr sie fort, um im nächsten Augenblick abrupt die Hand zwischen Ihren Beinen hervorzuziehen und den Rock damit glattzustreichen. „Werde ich aber nicht. Wissen Sie, ich bin nicht so eine. Ich bin keine, die mit fremden Männern im Zug einfach so herumfickt.“
„Ich verstehe. Zeit, mich vorzustellen. Ich bin der Oliver.“
„Freut mich. Ich bin die Chantal.“
„Freut mich auch.“ Ich musste mich ziemlich zusammenreißen, um nicht blöd zu grinsen. Am liebsten hätte ich laut gelacht. Ein paar Tage zuvor hatte ich noch einen Artikel über Chantalismus und Kevinismus gelesen. Demzufolge wurden Schulkinder mit vergleichbaren Vornamen von ihren Lehrern für weniger intelligent gehalten und oft als verhaltensauffälliger eingeschätzt. Die Frau ihm gegenüber war aber weiß Gott kein Kind mehr. Chantal hießen erwachsene Frauen doch nur in drittklassigen Krimis, die im Rotlichtmilieu spielten.
„Ein richtiger Nuttenname, oder?“ Da sie vermutlich schon immer Chantal geheißen hatte, fiel ihr das Gedankenlesen jetzt besonders leicht. Und natürlich hätte ich jetzt entrüstet „Nein!“ sagen müssen.
„Ja“, presste ich stattdessen hervor.
Ich fürchtete eine Ohrfeige, aber sie lachte. „Meine Mutter liebte französische Literatur. Ich bin nach Marie de Rabutin-Chantal benannt, einer Adeligen und Autorin. Sie schrieb Briefe, zum Teil sehr... nun ja...für die damalige Zeit sehr delikate Briefe. Diese Begabung hab ich von ihr.“ Sie wühlte wieder in der geheimnisvollen Tasche und holte einen Notizblock und einen Kugelschreiber hervor. „Wenn Sie mir Ihre Adresse geben, beweise ich Ihnen das gerne, Oliver. Ich muss nämlich leider in Fulda aussteigen. “
Während ich schrieb, schob sie ziemlich provokant ihren Rock hoch und streichelte ihre Oberschenkel.
„Darf ich nochmal schauen – ein wenig länger als vorher?“, wurde ich jetzt mutiger. Ich hatte schließlich nichts zu verlieren.
„Gern, Oliver.“ Chantal spreizte die Beine und schob den Rock ganz hoch. Jetzt war da, wo vorhin ein dunkler Fleck war, alles weiß und glitschig.
Sie krallte ihre Finger in den Stoff und kratzte ein wenig mit den Nägeln daran. Dann riss sie abrupt ein Loch in die Strumpfhose. Noch im gleichen Moment tropfte der Saft aus ihr heraus und lief über Chantals Finger und Schenkel. Ich blickte auf ihre nackte Möse und hätte so gern hineingefasst, sie geleckt und dann gevögelt. Aber alles was ich tat, war schauen und atmen, wobei mir das Schauen in diesem Augenblick wichtiger erschien.
Dann tauchte sie zwei Finger in ihr glitschig glänzendes Loch und streckte sie mir entgegen. „Möchten Sie kosten? Damit Sie sich an mich erinnern?“
„Wir erreichen in Kürze Fulda“, tönte es durch die Lautsprecheranlage. „Wir wünschen Ihnen einen schönen Aufenthalt und danken, dass Sie für Ihre Reise die Deutsche Bahn gewählt haben.“
Ich saß wieder allein im Abteil und dankte auch. Die Stille jetzt war eine völlig andere als die im Kloster. In meinen Ohren noch ihre Worte „Das nächste Mal gibt’s mehr, Oliver.“ Ihr herzhaftes Lachen. In meinem Kopf das gerahmte Kunstwerk ihrer Möse. Ihr Blick, als ich an ihren Fingern leckte. In meiner Nase ihr Geruch. In meinem Mund ihr kostbarer Geschmack, süßlich und betörend.
Und in ihrer Tasche meine Mailadresse.
testsiegerin - 19. Mär, 22:49